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Ministerpräsidentenwahl in Thüringen
"Ramelow ein Wolf im Schafspelz"

Tankred Schipanski äußerte Zweifel am Willen der Linken, ihre SED-Vergangenheit aufzuarbeiten. Zwar habe der neue Ministerpräsident Ramelow ein Bekenntnis dazu abgelegt. Das werde aber von seinen Parteikollegen nicht gelebt, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete im DLF.

Tankred Schipanski im Gespräch mit Sandra Schulz | 06.12.2014
    Der Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski (CDU).
    Der Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski (CDU). (dpa / Michael Reichel)
    Die Linke habe 25 Jahre Zeit gehabt, ihre DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten und es nicht getan, kritisierte Tankred Schipanski. Dass die Willenserklärung dazu in die Präambel des Koalitionsvertrags von Rot-Rot-Grün in Thüringen aufgenommen wurde, kommentierte der CDU-Politiker mit den Worten: "Papier ist doch geduldig".
    Auch wenn der neue linke Ministerpräsident Bodo Ramelow in seiner Antrittsrede um Entschuldigung für das SED-Unrecht gebeten habe, heiße das noch nicht, dass die ganze Partei zum Rechtsstaat stehe. Das, was er in seinem Wahlkreis in Thüringen von Seiten der Linken erlebe, sei eben kein Bekenntnis zum Rechtsstaat. Es werde nicht argumentiert, sondern agitiert, betonte Schipanski.
    Wahlverlierer an der Regierung
    Er kündigte an, die Landesregierung müsse sich auf eine gute Oppositionsarbeit seiner Partei einstellen. Die CDU wolle die Lücken der rot-rot-grünen Koalition aufdecken und sich nicht mit Kritik zurückhalten. Schipanski zitierte einen Journalisten der Zeitung "Die Welt", der gesagt habe, der Koalitionsvertrag sei "Lüge als Programm". Zugleich betonte er, dass die Wähler in Thüringen der CDU die meisten Stimmen und damit den Regierungsauftrag gegeben hätten. Mit Linken, SPD und Grünen seien nun die Wahlverlierer an der Macht.
    Tankred Schipanski ist Bundestagsabgeordneter der CDU im Wahlkreis Gotha - Ilm-Kreis in Thüringen. Er ist der Sohn von Dagmar Schipanski, die 1999 von der Union als Gegenkandidatin von Johannes Rau (SPD) für das Amt des Bundespräsidenten aufgestellt wurde. Später war sie Ministerin in Thüringen und Mitglied im Bundesvorstand der CDU.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: 90 gültige Stimmen, 46 für Bodo Ramelow. Das war der zweite Durchgang gestern im Thüringer Landtag bei der Ministerpräsidentenwahl. Gegen viertel vor elf stand fest, in Erfurt regiert jetzt der erste Ministerpräsident aus den Reihen der Linkspartei, Bodo Ramelow, gebürtiger Niedersachse. Und darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen mit Tankred Schipanski von der CDU. Er ist Bundestagsabgeordneter aus Thüringen und jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    Tankred Schipanski: Guten Morgen!
    Schulz: Die Kanzlerin hat Bodo Ramelow gestern zur Wahl zum Ministerpräsident gratuliert, das hat jedenfalls ihr Sprecher Seibert ausrichten lassen. Schließen Sie sich an?
    Schipanski: Ja, ich denke, die Landtagsfraktion wird das gemacht haben. Ich habe das den Medien entnommen. Schriftlich habe ich diesem Ministerpräsident noch nicht gratuliert.
    Schulz: Sie haben am Donnerstag ja gegen Ramelow demonstriert und gegen seine Wahl zum Ministerpräsidenten. Er ist demokratisch gewählt – haben Sie damit ein Problem?
    Schipanski: Also ich glaube, ich habe nicht alleine am Donnerstag demonstriert. Wir hatten mehrere Demonstrationen in Thüringen gegen diese rot-rot-grüne Landesregierung und insbesondere gegen einen linken Ministerpräsidenten. Sie wissen, dass der Wahlsieger die CDU der letzten Landtagswahl ist mit 34 Direktmandaten, vier Mandaten mehr als 2009, einen ganz klaren Regierungsauftrag von der Bevölkerung erhalten hatte. Nun haben sich Wahlverlierer, insbesondere die SPD und die Grünen um die Linken versammelt, um eine Regierung zu bilden. Und das haben die Leute, glaube ich, sehr kritisch hinterfragt.
    Es war ein schlimmes Klima
    Schulz: Also rein politisch gesehen, aber mit der Vergangenheit der Linken, so verstehe ich sie, haben sie kein Problem.
    Schipanski: Mit der Vergangenheit der Linken haben wir natürlich ein Problem. Wenn Sie bedenken, dass die Meinungsäußerungen, diese Demonstrationen kriminalisiert wurden. Es war ein sehr vergiftetes Klima in Thüringen, ein Klima der Angst. Man hat sich gefühlt wie ein Ausreisewilliger in der DDR. Es wurden im Vorfeld dieser Regierungsbildung Maulkörbe an die Wirtschaft verteilt. Es war ein schlimmes Klima einfach. Und das zeigt uns eigentlich, was uns in den nächsten Jahren hier in Thüringen erwartet.
    Schulz: Und mit schlimmem Klima meinen Sie auch, dass der CDU-Mann, Mike Mohring, angekündigt hat, wir treiben die Bande vor uns her?
    Schipanski: Ich glaube, der Mike Mohring hat immer eine sehr derbe Wortwahl in der einen oder anderen Sache, aber er ist natürlich jetzt Oppositionsführer, und als Opposition hat er natürlich die Fehler der Regierung hier aufzuzeigen. Und was uns eben von dieser Landesregierung, was wir da zu erwarten haben, zeigt sich eben schon in manchen Landkreisen. In meinem Heimatlandkreis, der Ilm-Kreis, haben wir ein solch rot-rot-grünes Bündnis. Wir haben mit den Erfahrungen, die wir da gemacht haben, auch mit einer linken Landrätin, immer wieder gewarnt. Da wird nicht argumentiert, da wird agitiert, da wird die Gewaltenteilung aufgekündigt, die Exekutive als Hottentotten-Staat beschimpft, Gerichtsurteile missachtet, Geschäftsordnungen geändert. Und das ist für uns eigentlich kein demokratisches Wirken, was wir da erleben, sondern das sind wirklich Methoden, die wir aus der DDR kennen.
    Die Partei hat viel Unrecht über die Menschen gebracht
    Schulz: Aber dann möchte ich mit Ihnen gerne noch mal reinhören in das, was Bodo Ramelow gestern gesagt hat, direkt nach seiner Wahl. Dauert jetzt einen kleinen Moment, aber ich denke, die Zeit nehmen wir uns:
    Bodo Ramelow: Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der Tribüne hat ein von mir sehr wichtiger väterlicher Freund Platz genommen, und den spreche ich an. Lieber Andreas Möller, die Partei, der ich beigetreten bin, hat in ihrer Quellpartei eine Partei, in deren Namen Du im Gefängnis gesessen hast. Es lässt mich nicht ohne Emotion, wenn ich weiß, dass deine Freundschaft zu mir ein langer Weg war und du mich oft für meine Parteimitgliedschaft attackiert hast und gesagt hast, darüber müssen wir reden, weil deine Partei hat viel Unrecht über Menschen gebracht. Andreas Möller hat im Stasi-Knast in Potsdam gesessen. Er hat mich mitgenommen an den Ort, an dem er im Blut gelegen hat. Und er hat dann in Waldheim mehrere Jahre gesessen, und ich kann nur sagen, lieber Andreas Möller, Dir und allen Deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung übermitteln. Und ich kann sagen, die Landesregierung und unsere drei Parteien haben es sich deswegen so intensiv mit dem Thema Aufarbeitung und DDR-Unrecht beschäftigt und einiges in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, was wir angehen wollen, mit denen, die mit uns gemeinsam diesen Weg gehen wollen. Die Einladung gilt, und die Bitte, mich, uns mitzunehmen in den Dialog. Wir brauchen im 25. Jahr der friedlichen Revolution die Räume, um miteinander ins Gespräch kommen zu können.
    Schulz: Das hat der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow gestern gesagt, nach seiner Vereidigung, nachdem er zum ersten Ministerpräsident aus den Reihen der Linken geworden ist. Tankred Schipanski von der CDU im Gespräch heute Morgen mit dem Deutschlandfunk. Das ist doch eine ganz andere Richtung als das, was Sie eben skizziert haben. Dieses Gespräch, diesen Dialog, will den Ihre Partei denn überhaupt?
    Da findet keine Reue statt
    Schipanski: Ich glaube, das, was wir bei Bodo Ramelow gehört haben gerade, ist genau das, was ihm auch vorgehalten wird, nämlich der Wolf im Schafspelz. Die Linke hat 25 Jahre Zeit gehabt, ihre Geschichte aufzuarbeiten. Sie hat es nicht getan. Wenn Sie die Linke hier in Berlin erleben, wenn Sie die Linke in Thüringen erleben – da findet keine Aufarbeitung, keine Reue statt. Um den Begriff des Unrechtsstaates hat man bitterlich gekämpft in Thüringen. Auch die Genossen in Thüringen, die diesem Koalitionsvertrag da zugestimmt haben, stehen nicht dahinter. Das hat man bei den Auseinandersetzungen gemerkt, das merken wir vor Ort, und (...)
    Schulz: Aber Herr Schipanski, dieser Begriff Unrechtsstaat, der steht ja nun drin in der Präambel dieses Koalitionsvertrags. Es steht auch drin, dass das Unrecht weiter aufgearbeitet werden soll. Welche Art von Aufarbeitung schwebt Ihnen denn vor?
    Schipanski: Nein, schauen Sie, Papier ist doch geduldig. Und das Bekennen zu einem gewissen Unrecht hat der Ministerpräsident oder der Bodo Ramelow als Parteivorsitzender jetzt hier getan, aber die Frage ist doch, ob das diese Mitglieder vor Ort sagen, und das haben wir im Vorfeld dieser Koalitionsverhandlungen gesehen: Nein, wir stehen nicht zu dem Begriff. Und bedenken Sie immer, was die Linke in ihrem Parteilogo trägt, dieser kleine rote Keil, ein Zeichen eines russischen Malers, ein Keil, der spalten soll, der die Gesellschaft spalten soll. Und genau das ist das symbolische Motto dieser Linkspartei.
    Schulz: Aber es hat Entschuldigungen gegeben, es hat Distanzierungen gegeben. Was schwebt Ihnen denn vor, wenn es nicht wirklich sozusagen die totale Versenkung ist?
    Schipanski: Es geht (nicht) um die totale Versenkung, aber Bodo Ramelow ist mit mehreren Stimmen von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern zum Ministerpräsidenten gewählt worden, ...
    Schulz: Ja, das sage ich gerade. Die haben sich entschuldigt und von ihrer Vergangenheit distanziert.
    Hier werden die Leute tyrannisiert
    Schipanski: Wissen Sie, wie eine Entschuldigung aussieht? Wir haben in meinem Wahlkreis einen Abgeordneten namens Kuschel, der damit ganz offen umgeht und sich eben nicht zu diesem DDR-Unrecht bekennt, sondern genau mit der gleichen Agitation und Systematik, die er in seiner SED-Parteischule gelernt hat, hier weiter die Leute tyrannisiert.
    Schulz: Ja, diesen Herrn Kuschel hatten wir gestern hier im Deutschlandfunk ja im Programm. Der hat von persönlichen Fehlern gesprochen und gesagt, er könne es selbst nicht mehr nachvollziehen. Das ist ja schon ein gewisser Kontrast. Wie lange können Sie die Linkspartei noch als Schreckgespenst darstellen?
    Schipanski: Also, ich glaube, es muss nicht als Schreckgespenst dargestellt werden. Wenn ich die Erlebnisse vor Ort habe, in der Kommunalpolitik, was wir da von der Linkspartei erleben - ich hatte diese Landrätin und den Landkreis, den Ilm-Kreis angesprochen -, dann ist das eben gerade kein Bekenntnis zum Rechtsstaat. Und was uns so schwerfällt, ist, dass da nicht argumentiert wird, sondern agitiert wird. Und ich glaube, ein Journalist der "Welt" hat es sehr treffend auf den Punkt gebracht. Wenn Sie den Koalitionsvertrag auch lesen, hat er gesagt, das ist Lüge als Programm. Und man möchte hier die Menschen in die Irre führen. Schauen Sie, allein diese Ideen, Vorschläge, Finanzierbarkeit, das klafft alles aus zusammen, das passt nicht zusammen, und von daher denke ich, muss sich diese Landesregierung auf eine gute Oppositionsarbeit unsererseits einstellen. Wir werden diese Missverständnisse, die hier auftreten, diese Lücken, die ganz offensichtlich sind, aufdecken.
    Schulz: Ist das denn auch eine Kritik an den Wählern, die die Linke in Thüringen ja zur zweitstärksten Kraft gemacht haben?
    Wir machen keine Koalition mit der AfD
    Schipanski: Nein, die Linke ist ganz normal gewählt. Aber denken Sie an Wolf Biermann, der ihnen auch im Bundestag zugerufen hat, eine Wahl ist kein Gottesgericht. Natürlich sind sie gewählt, aber deswegen mit Kritik an der Linkspartei zu sparen, denke ich, das ist kein Argument.
    Schulz: Sie kritisieren die SPD ja auch natürlich für die Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Ist die CDU denn klar genug im Umgang mit der AfD, mit der rechtspopulistischen Partei?
    Schipanski: Also, wir haben im Thüringer Landtagswahlkampf von Anfang an gesagt, wir machen keine Koalition mit der AfD. Da sind wir mit einer ganz klaren Koalitionsaussage in diese Landtagswahl gegangen. Die SPD war da anders. Die hat sich die Option mit der Linken offen gelassen. Wir haben gesehen, was man davon zu halten hat. Die SPD hat deutlich verloren mit dieser Taktik. Um so erschreckender ist es, dass die SPD-Minister, die eigentlich abgewählt wurden, jetzt über die Hintertür wieder in die Thüringer Ministerien einziehen und ihr Unwesen da weiter treiben.
    Schulz: Warum hat dann ihr Abgeordnetenkollege Bosbach sich dafür ausgesprochen, sich im Zweifelsfall oder einen Alternativkandidaten auch mit den Stimmen der AfD wählen zu lassen?
    Schipanski: Ich weiß nicht, inwieweit der Kollege Bosbach in die konkrete Ausgestaltung der drei Wahlgänge in Thüringen involviert war (...)
    Schulz: (...) das hat er in der "Bild"-Zeitung gesagt.
    Schipanski: Wir haben verschiedene Rechtsgutachten, eine sehr klare Rechtslage gehabt und unter diesem Blickwinkel haben wir entschieden, keinen Kandidaten aufzustellen, sondern zeigen zu lassen, dass das rot-rot-grüne Lager hier eine eigene Mehrheit hat. Die Kanzlerin hat in diesem Sinne auch noch einmal sich sehr ausdrücklich und eindringlich geäußert. Und ich finde es sehr richtig, dass wir in den ersten beiden Wahlgängen – wie gestern geschehen – keinen eigenen Kandidaten aufgestellt haben.
    Schulz: Tankred Schipanski von der CDU, Bundestagsabgeordneter aus Thüringen, heute hier in den Informationen am Morgen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.