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Mischa Tangians "Moby Dick" an der Jungen Oper Hannover
Walfischdrama an der Leine

Hermann Melvilles Walfang-Roman "Moby Dick" scheint ein beliebter Opernstoff zu werden. Im 21. Jahrhundert wurde er bereits von Jack Heggie, aber auch von Olga Neuwirth zum Ausgangspunkt einer Oper. Nun hat auch die Junge Oper Hannover ein Auftragswerk zu diesem Stoff vergeben, und zwar an den jungen Komponisten und Musiker Mischa Tangian.

Von Bernhard Doppler | 27.09.2016
    Szenenbild aus der Jugendoper "Moby Dick" von Mischa Tangian
    Jugendklassiker als Jugendoper: "Moby Dick" von Mischa Tangian (Staatstheater Hannover)
    Nur das Greenhorn, der Matrose Ismael, überlebt. Er rettet sich mit einem Sarg, den sein Freund Queequeg vorsorglich schon auf das Walfangschiff mitgenommen hatte. Die Besatzung, alle anderen sieben, ertrinken, denn der wahnsinnige Kapitän Ahab will es unbedingt mit dem gefährlichen weißen Killerwal Moby Dick aufnehmen. Kinder in Seenot, hat er vorher gezeigt, sind ihm egal.
    Hermann Melvilles philosophischer Roman "Moby Dick", erschienen 1851, ist ein düsteres gruseliges Werk, und hat doch immer auch schon die Abenteuer- und Forschungslust von jugendlichen Lesern befriedigt. In der "Jungen Oper Hannover" ist das Werk als Kammeroper für die Zehn- bis Zwölfjährigen gedacht. Mit dem Kompositionsauftrag wurde der 28jährige in Moskau geborene, aber vor allem in Deutschland aufgewachsene Mischa Tangian beauftragt worden - zunächst war er vor allem als Geiger erfolgreich:
    "Ich hab nach der Schule beschlossen, Komposition zu studieren und nicht nur Geige zu machen, weil ich nicht die alten Stücke spielen wollte, Mozart und Bach jedes Mal, weil mir nicht klar war, warum ich das machen soll. Das machen schon so viele – und dann wollte ich was Eigenes machen, so habe ich bei Manfred Trojahn in Düsseldorf mein Diplom gemacht und danach noch einen Master in London bei George Benjamin. Nach dem Studium habe ich zwei Projekte an der Deutschen Oper Berlin gemacht. Das war eine Show eigentlich, bei der ich selbst mitgespielt habe, ich habe auch ein Lied gesungen, das arrangiert und zusammengestellt."
    Eine Meerfahrt als Oper
    Das raffiniert effektvolle, abwechslungsreiche Arrangement bestimmt auch diese Komposition – eine Oper durchaus auch für Erwachsene. Im 10köpfigen Ensemble des Niedersächsischen Staatsorchesters sind auch Akkordeon und Gitarre, aber auch Kochtöpfe und Flaschen. Es gibt hohen Gesang von Walen, aber auch Semanns-Shanties, Verbrüderung, aber auch Thrill und viel Meeresmusik:
    "Ich hatte das auch immer so im Hinterkopf, den "Fliegenden Holländer", "Peter Grimes", "Billy Budd" - es sind halt vor allem Männer auf der Bühne und das hat so eine bestimmte Farbe, es ist sehr dominant, dieses Männliche und das Abenteuer, dieses Wilde. Es gibt eine Frauenrolle, die sollte da sein aufgrund einer anderen Farbe."
    Die hohe Frauenstimme - natürlich eine Hosenrolle - der Schiffsjunge Pip. Spannend und klug vor allem aber das Libretto von Dorothea Hartmann, das fern von jeder Pädagogisierung den jungen Zuschauer die philosophische Thematik zumutet. Erzählt wird die Geschichte im Rückblick vom einzigen Überlebenden Ismael. Die Bühne bleibt aber in der Inszenierung von Friederike Karig das Walfangschiff.
    Junge Oper als Schule der Komponisten
    Mit der "Jungen Oper" hat die Staatsoper Hannover ein eigenes Repertoire entwickelt. In der aktuellen Spielzeit gibt es drei Neuproduktionen und vier Wiederaufnahmen. Dabei achtet man zwar auch auf die Tradition der zeitgenössischen Jugendoper - eine Märchenoper von Detlef Glanert aus den 80er Jahren "Leyla und Medjun" wird der Komponist für Hannover neu bearbeiten - man vergibt aber vor allem gerne auch Kompositionsaufträge. Intendant Michael Klügl:
    "Das ist eine Sache, die auf drei Säulen ruht: Wir haben einerseits junge Komponisten, wir haben Verlage, die sich für junge Komponisten interessieren und vom Hause aus kommen Stoffe, die herangetragen werden. Es ist ja eine Reihe, die wir im Grunde haben, mit mehreren Komponisten, jetzt sind es schon drei: Stefan Hanke, Jan Masanetz und jetzt Mischa Tangian. Das sind nicht zufällig alles auch Trojahn-Schüler. Ich habe vor sechs Jahren mit Manfred Trojahn im Büro gesessen und darüber gesprochen. Man müsste eigentlich auch junge Komponisten fördern und natürlich mit einem sehr schweren Genre, nämlich Kinderoper, das ist gar nicht so leicht, vielleicht schwerer, als mit was Großes zum Bluffen."
    Einer Aufführung voller Thrill und Effekte, musikalisch anspruchsvoll - gerade auch für die erwachsenen Kritiker der Uraufführung. Gebannt aber vor allem die Zehn- bis Zwölfjährigen, sie fühlten sich ernst genommen und identifizierten sich mit der Schiffbesatzung, - ein imponierendes Sängeroktett - vielleicht sogar ein wenig mit dem halsstarrigen eigensinnigen Kapitän Ahab. Das Theaterschiff schienen sie auch nach dem Applaus gar nicht mehr verlassen zu wollen.