Freitag, 29. März 2024

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Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche
Buße ohne Bestrafung?

3.677 minderjährige Opfer, über fünf Prozent der deutschen Priester Täter: Die katholische Kirche steht wegen des Missbrauchsskandals unter Druck. Die einen mahnen einen grundlegenden Kulturwandel in der Kirche an. Die anderen verlangen ein staatliches Eingreifen.

Diskussionsleitung: Christiane Florin | 26.09.2018
    Modelleisenbahnfiguren eines Priesters und zweier Kinder auf einer aufgeschlagenen Wörterbuchseite vor dem Wort "Missbrauch"
    Diskussion über die Folgen der Studienergebnisse. (imago stock&people)
    In Irland und Australien leitete nicht die Kirche die Untersuchungen zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, sondern der Staat gab die Recherche in Auftrag. Warum nicht in Deutschland? Warum müssen die Täter hierzulande so wenig befürchten? Warum werden sie strafrechtlich nicht belangt? Muss sich die katholische Kirche mit dem Zölibat und ihrer Haltung zur Sexualität auseinandersetzen?
    Es diskutierten:
    • Harald Dreßing, Leiter des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim
    • Matthias Katsch, Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch"
    • Wunibald Müller, Katholischer Theologe, Autor, Psychotherapeut
    • Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung

    Zentrale Aussagen aus der Sendung:
    Als Konsequenz aus der Studie zu sexuellen Übergriffen in der katholischen Kirche hat der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Rörig, weitere Nachforschungen angemahnt. Er hoffe auf einen - Zitat - historischen Wendepunkt, sagte Rörig in der Sendung "Zur Diskussion". Er sei gespannt darauf, was die Bischofskonferenz jetzt beschließen werde. Man habe mit der vorgelegten Studie eine Zäsur und wichtige Erkenntnisse für den anstehenden Aufarbeitungsprozess erhalten. Dieser müsse von unabhängigen Experten durchgeführt werden. Die Frage sei, ob die Kirche auch bereit sei, gemeinsam mit dem Staat dafür eine verbindliche Vertragsgrundlage zu schaffen. Als Beispiel nannte Rörig einen Kirchenstaatsvertrag.
    Kritik an schleppender Aufklärung
    Der Koordinator des Forschungsverbunds, der Mannheimer Wissenschaftler Harald Dreßing, kritisierte eine bislang schleppende Aufklärung seitens der Katholischen Kirche. Der Schutz der Institution habe Vorrang gehabt. Erst ab 2010 habe die Kirche erkannt, dass sie etwas anders machen müsse. Neben Wegsehen und nicht Wahrhabenwollen habe es aktive Maßnahmen zur Vertuschung gegeben, so Dreßing.
    Der Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch", Katsch, sagte, er sei nicht überrascht über die vorgelegten Zahlen. Die tatsächliche Dimension sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der katholischen Kirche in Deutschland sei dramatisch höher. Katsch warf den Verantwortlichen vor, "nur das zuzugeben, was man nicht mehr leugnen könne." Er forderte eine umfassenden Aufklärung. Die Zeit, in der die Bischöfe nur "gebeten" würden, diese Zeit sei vorbei, meinte Katsch. Die Katholische Kirche müsse ihre Archive öffnen.
    8.000 Akten wurden untersucht
    Seit 2014 haben Wissenschaftler aus den Bereichen Psychiatrie, Gerontologie und Kriminologie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz mehr als 38.000 Akten aus allen 27 katholischen Bistümern Deutschlands untersucht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass mutmaßlich 1670 katholische Kleriker zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3677 meist männliche Minderjährige sexuell missbraucht haben. Die Studie wurde von den Opferbänden kritisiert, unter anderem weil die Daten anonymisiert wurden.