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Mission AIDA
Abwehr von Asteroiden

Einen Asteroiden mit einer Einschlagsonde vom Kollisionskurs mit der Erde abbringen: Das ist die Idee einer gemeinsamen Abwehrmission von NASA und ESA. Ursprünglich sollte eine zweite Sonde die Einschlagsonde beobachten. Doch jetzt sollen beide Raumflugkörper - um einige Jahre versetzt - ins All starten.

Von Guido Meyer | 17.10.2018
    Asteroid approaching Earth, illustration Illustration of an asteroid approaching Earth during the Cretaceous period, poised to exterminate the dinosaurs. Near-Earth asteroids are a constant threat to our planet
    ESA und NASA erforschen gemeinsam, wie eine Asteroiden-Kollision mit der Erde verhindert werden könnte (imago / Science Photo Library / Mark Garlick)
    Es ist der dreißigste Juni 1908, morgens, gegen 7:15 Uhr, irgendwo in der sibirischen Steppe, in der Nähe von Tunguska, der heutigen Region Krasnojarsk. Ein Asteroid dringt in die Erdatmosphäre ein. Er explodiert kurz über dem Boden mit einer Wucht von mehreren Dutzend Megatonnen TNT. Die Druckwelle entwurzelt sämtliche Bäume im Umkreis von 30 Kilometern. Menschen sind in dieser abgelegenen Gegend nicht zu Schaden gekommen. Diesmal nicht.
    "Wir wollen einen anfliegenden Asteroiden beim nächsten Mal entweder von vorne treffen und ihn so abbremsen. Oder wir stoßen ihn von hinten an und beschleunigen ihn. Beide Manöver hätten die erfolgreichsten Aussichten, seine Bahn zu verändern."
    Asteroiden vom Kollisionskurs abbringen
    Der Astronom Andrew Rivkin von der Johns Hopkins University im US-Bundesstaat Maryland beschreibt die Missionsziele von AIDA. Dieses Asteroid Impact and Deflection Assessment haben sich die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA und die europäische Weltraumagentur ESA gemeinsam ausgedacht. Eine unbemannte Sonde soll dabei auf einen Asteroiden aufschlagen und ihn so von seinem hypothetischen Kollisionskurs mit der Erde abbringen. Zu Testzwecken wollen NASA und ESA dieses Verfahren zunächst in kleinerem Maßstab testen, wie der Radarwissenschaftler Shantanu Naidu vom kalifornischen Jet Propulsion Laboratory (JPL) erläutert.
    "Es ist einfacher, die Bahn eines kleinen Mondes um einen größeren Asteroiden abzulenken, als die Bahn eines großen Asteroiden um die Sonne zu verändern. Deswegen haben wir uns für den Doppelasteroiden Didymos entschieden."
    Einschlagsonde am Doppelasteroiden Didymos testen
    Didymos zieht seine Bahnen um die Sonne nicht im Asteroidengürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Er gehört vielmehr zu den sogenannten erdnahen Asteroiden. Sie kreuzen bisweilen auch die Bahn der Erde. Das Asteroidenpaar besteht aus einem größeren Objekt von etwas weniger als einem Kilometer Durchmesser und aus einem kleineren von nur etwa 150 Metern Durchmesser, erklärt der Luft- und Raumfahrtingenieur Eugene Fahnestock vom JPL.
    "Die Einschlagsonde trifft den Mond und ändert so seine Bahn um den größeren Asteroiden. Damit simulieren wir eine mögliche Bahnänderung eines Objekts, das sich im Anflug auf die Erde um die Sonne bewegt."
    Um den Effekt des Einschlags genau zu beobachten, sollte eigentlich eine zweite Sonde vor Ort sein, und zwar eine aus Europa. Doch die zuständigen ESA-Minister sahen das Projekt nicht als vordringlich an – zumindest nicht in dieser Form. Und so haben die europäischen Wissenschaftler ihren Teil des Projekts jetzt neu konzipiert. Die zweite Sonde von AIDA wollen sie nun Anfang des kommenden Jahrzehnts starten – wieder Richtung Didymos.
    Ist der Asteroid innen porös oder besteht er aus massivem Gestein?
    "Wir haben die Ziele der Beobachtungsmission überarbeitet. Die Bahnveränderung des kleineren Asteroiden können wir auch mit Teleskopen von der Erde aus messen. Dazu brauchen wir keine Sonde vor Ort. Wie stark die Einschlagsonde den Mond vom Kurs abgebracht hat, hängt von seiner Masse ab und von seinem Aufbau. Wenn Sie auf einen Schwamm Druck ausüben, ist das nicht das Gleiche, als wenn Sie auf Metall drücken. Wir wollen wissen, ob der Asteroid innen porös ist oder aus massivem Gestein besteht."
    Woraus der Asteroidenmond besteht und wie groß der Krater ist, den die amerikanische Einschlagsonde verursacht hat – all das soll dann Europas Sonde herausfinden, ergänzt Patrick Michel vom Observatoire de la Cȏte d’Azur in Nizza, der Chef-Wissenschaftler für die europäische AIDA-Sonde. Sie wird ein paar Jahre nach der amerikanischen starten und sich das Doppelasteroidensystem näher anschauen. Im nächsten Jahr wollen die ESA-Minister darüber entscheiden, ob ihnen diese Form einer konzertierten Asteroidenabwehrmission eher zusagt als das zuvor abgelehnte Konzept.