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Mission Erde
Teil 9: Blick ins Erdinnere

Die genaue Struktur des Erdkerns gibt bis heute Rätsel auf. Satellitengestützte Magnetfeldmessungen aus der Umlaufbahn können das Verständnis verbessern. Erst vor 15 Jahren starteten mit den zwei Satelliten Oersted und CHAMP die ersten langfristigen Missionen, um das tiefe Erdinnere zu erkunden.

Von Karl Urban | 25.02.2014
    "Man muss einfach wissen, wofür das Magnetfeld früher von Interesse war. Das war für die Navigation. Speziell als die Seefahrt anfing, war das Magnetfeld ein ganz wichtiger Richtungsweiser für den Kompass."
    Hermann Lühr ist nicht etwa Kapitän. Er ist ein Geophysiker, der sich für Magnetfelder interessiert. Tatsächlich waren es aber Seeleute, die das Magnetfeld der Erde zum ersten Mal vermessen haben.
    "Es gab zur Zeit der spanischen und britischen Seefahrer immer die Aufgabe, das Magnetfeld zu kartieren, was dann auch gemacht wurde, aber diese entsprechenden Karten, die dabei gemacht wurden, waren natürlich sehr brisant und waren geheim."
    Heute ist das Magnetfeld der Erde längst kein Staatsgeheimnis mehr - und doch bleibt es eine große Unbekannte für den Experten vom Geoforschungszentrum in Potsdam. Denn das Feld, das Kompassnadeln die Richtung weist, entsteht tief im Kern der Erde - und es erstreckt sich weit hinaus ins All. Wirklich gut zu untersuchen ist es nur von dort - aus einer Umlaufbahn. Hermann Lühr:
    "Die russischen Satelliten haben bald damit angefangen, im All Magnetfeldmessungen zu machen, weil sie natürlich schon erkannt haben, dass es eine wichtige Größe ist, um ins Erdinnere hineinzuschauen."
    Diese ersten Versuche aus den 1960er-Jahren waren aber längst nicht genau genug, um mehr über das Erdinnere zu erfahren. Rund 20 Jahre später konnte ein US-amerikanischer Satellit erstmals nicht nur die Stärke, sondern auch die Richtung des komplexen Magnetfeldes vermessen. Dieser MagSat blieb aber nur ein halbes Jahr im Orbit. Erst vor 15 Jahren starteten zwei neue Satelliten: der dänische Oersted und der deutsche CHAMP. Sie waren die ersten langfristigen Missionen, um das tiefe Erdinnere zu erkunden, erklärt Lühr:
    "Das Magnetfeld ist eines der wenigen Signale, die den gesamten Erdkörper durchqueren können. Allerdings gibt es aber auch Abschwächungen: Elektrisch leitende Schichten schwächen das Magnetfeld ab. Und da ist es so, dass wir nur bis zur Grenze von Mantel und Kern schauen können."
    Und damit knapp 3000 Kilometer tief. Der eigentliche Entstehungsort des Magnetfelds - der Geodynamo aus festem und flüssigem Metall - liegt aber darunter und ist damit unsichtbar für Magnetfeldsensoren. Satelliten versuchen deshalb bis heute, das Feld so exakt wie möglich zu kartieren, um sich zumindest an den Erdkern heranzutasten. Mithilfe ihrer Daten könnten sich dann Computermodelle des Erdkerns verbessern lassen, die bis heute nicht in der Lage sind, zu erklären, wie der Geodynamo im Detail funktioniert.
    Lühr: "Ein riesengroßes Problem ist, dass man die Zustände im Kern bei Weitem nicht rechnerisch nachvollziehen kann. Das liegt einfach daran, dass man dann viel zu viele kleine Bewegungen - Wirbel oder so was - berücksichtigen müsste. Die Skalen, auf denen sich diese Prozesse abspielen, sind immer noch zehntausend oder 100.000-mal kleiner, als was wir berechnen. Es ist also nicht nur ein Faktor zwei oder so was. Wir sind einfach noch Welten entfernt. Und da muss man Hilfe haben, dass man einen Hinweis bekommt: Aha, hier sind wir auf dem richtigen Weg."
    Drei Satelliten im Schwarm
    Solche Hinweise soll nun SWARM liefern: Die ESA-Mission startete im November 2013 und besteht aus drei Satelliten, die das Erdmagnetfeld mit empfindlichen Magnetkompassen so genau untersuchen sollen wie nie zuvor. Hermann Lühr wird die Daten von SWARM auf Hinweise aus dem Erdkern untersuchen - und sie mit Computermodellen vergleichen:
    "Diese Kombination von Modellierung und Beobachtung nennt man Assimilation und das ist eigentlich diese Schlüsselfunktion auch bei der Wettervorhersage, die eigentlich den großen Durchbruch gebracht hat, dass man jetzt einigermaßen gut Stürme oder Wirbelstürme vorhersagen kann, wo sie entlang wandern und so weiter. Dieses wollen wir versuchen ein bisschen nachzuempfinden jetzt ab der SWARM-Mission."
    Die neuen Satelliten sollen dabei vor allem eine der dringlichsten Fragen beantworten: warum das Magnetfeld derzeit schwächelt.
    "Wir hatten ja in der Vergangenheit schon häufiger den Fall, dass das Magnetfeld der Erde seine Polarität geändert hat - dass sich der Nordpol zum Südpol bewegt hat und hin und her. Das passiert etwa alle 500.000 Jahre. Aber die letzte Umkehr, von der wir wissen, die ist 780.000 Jahre her. Und damit steht eigentlich eine Umpolung bevor und viele Wissenschaftler sagen, dass sind jetzt auch schon die ersten Anzeichen, die wir sehen, dass wir im Bereich des südlichen Atlantiks bereits gewisse Gebiete haben, wo ein Magnetfeld in entgegengesetzter Richtung erzeugt wird."
    Im Hollywood-Streifen "The Core - Der innere Erdkern" brechen nach einer solchen Umkehr globale Katastrophen herein. So schlimm dürfte es aber nicht werden, denn auch die Atmosphäre bewahrt uns am Boden vor den hochenergetischen Partikeln aus dem All. Wenn der magnetische Schutzschild schwächelt, wären allerdings Flugzeuge und Satelliten durch kosmische und Sonnenpartikel stärker als sonst belastet: ein guter Grund, einen genauen Blick tief ins Erdinnere zu werfen.
    Hinweis:
    Dies ist der neunteTeil der Sendereihe Mission Erde.