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Mission Frieden

Kaum ein Land dieser Größe engagiert sich so sehr bei internationalen Konflikten wie Norwegen. Das wird nicht nur bei alljährlichen Verleihung des Friedensnobelpreises deutlich. Wenn demnächst die kolumbianische Regierung in Oslo Verhandlungen mit den FARC-Rebellen führt, kann sich Norwegen erneut profilieren.

Von Marc-Christoph Wagner | 03.09.2012
    Yitzhak Rabin 1993 in Washington.

    Die Nachricht mochte zunächst fast niemand glauben. Über Monate hatten Vertreter Israels und der PLO heimlich in Oslo miteinander verhandelt und am Ende tatsächlich ein Friedensabkommen erreicht. Wenig später – im September 1993 – reichen sich Yitzhak Rabin und Yassir Arafat vor den Augen von Präsident Clinton und der Weltöffentlichkeit die Hand:

    O-Ton Bill Clinton: "Wir alle hier bezeugen diesen großen Sieg des Friedens. Ebenso wie das jüdische Volk in diesen Tagen den Beginn eines neuen Jahres feiert, lassen sie uns alle den Beginn einer neuer Ära einleiten. Gehen Sie in Frieden, gehen sie als Friedensmacher."

    Für ihre Bemühungen zur Lösung des Nahostkonflikts wird Arafat, Rabin sowie Shimon Peres ein Jahr später der Friedensnobelpreis verliehen. Ein Preis, den das Osloer Nobelkomitee auch immer wieder dafür nutzt, die Augen der Welt auf kaum beachtete Konflikte zu lenken. So auch 1991, als die damals noch weit gehend unbekannte Aung San Suu Kyi die Auszeichnung erhielt. Vor einigen Wochen, als die Birmesin den Nobelpreis mit mehr als 20-jähriger Verspätung in Oslo entgegennahm, erinnerte Aung San Suu Kyi, was ihr die damalige Würdigung bedeutete:

    "Es war das erste Mal, das ich begriff, es gibt Leute in der Welt, die unseren Kampf unterstützen."

    Der Kampf für den Frieden – er ist in vielen Fällen auch ein Kampf gegen Armut, betont Ministerpräsident Jens Stoltenberg immer wieder. Und so engagieren sich die Norweger nicht nur als Vermittler in Konfliktfällen, sondern gehören zu den Staaten, die weltweit die meisten Gelder für Entwicklungshilfe bereitstellen. Erst vor einigen Wochen unterstützte Stoltenberg ein Projekt mit einer halben Milliarde Kronen, umgerechnet rund 70 Millionen Euro, das die Gesundheit von Müttern in der Dritten Welt verbessern soll. Schirmherrin Hillary Clinton dankte es ihm während eines Besuches in Oslo persönlich:

    "Wir sind uns einig: Darin liegt unsere größte Verantwortung. Nur gesunde Mütter können kommenden Generationen den Weg ebnen."

    In der norwegischen Außenpolitik spielt das Engagement für die Zivilgesellschaft eine wesentliche Rolle. Etwa zeitgleich zum Besuch der US-amerikanischen Außenministerin war ihr norwegischer Amtskollege Jonas Gahr Støre Gastgeber einer Konferenz, die ein halbes Hundert Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt versammelte:

    "Menschenrechte stehen weit oben auf unserer Agenda und wir können die internationale Öffentlichkeit diesbezüglich nur immer wieder wachrütteln. Mit Konferenzen wie dieser wollen wir das Netzwerk der Menschenrechtsorganisationen untereinander stärken – die sozialen Medien etwa eröffnen dafür ja wunderbare Möglichkeiten, aber sie können auch von den Regimen missbraucht werden, die Menschenrechte und -rechtler bekämpfen. Hinzu kommt, dass auch immer mehr Regierungen, die sich selbst als demokratisch bezeichnen, es ihren Bürgern zunehmend erschweren, auf friedliche Weise zu protestieren."

    Insbesondere Støre, den viele Norweger als Kronprinz von Ministerpräsident Stoltenberg betrachten, formuliert sich für einen Diplomaten immer wieder ungewöhnlich deutlich. So aktuell im Syrienkonflikt, nachdem eine Resolution des Sicherheitsrates am Veto von Russland und China gescheitert war:

    "Der Sicherheitsrat ist eine leere Hülle, entscheidend sind die Länder , die darin vertreten sind. Und hier gilt: Staaten sind für ihr Handeln verantwortlich – und so finde ich persönlich es beschämend, in welcher Weise insbesondere Russland agiert. Die Fakten sprechen doch für sich: Auf der einen Seite standen arabische Staaten, der Westen, aber auch Indien, Pakistan, Südafrika, während China und Russland, indem sie von ihrem Veto Gebrauch machten, sich völlig isoliert haben."

    Geheimhaltung wie 1993, nun deutliche moralische Appelle selbst an den großen Nachbarn – wer sich für den Frieden engagiert, braucht eine breite Palette an Werkzeugen. Inzwischen aber sind die Norweger offenbar geübt darin zu entscheiden, wann sie welches Instrument benutzen. Und vielleicht, so die Hoffnung vieler, kann davon ja auch der Friedensprozess im Nahen Osten irgendwann wieder profitieren.