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Aufnahme von Flüchtlingen
"Spanien kann damit nicht allein fertig werden"

Bei seinem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel solle sich der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez dafür einsetzen, dass wieder mehr EU-Länder Flüchtlinge aufnehmen, sagte die frühere spanische Europaabgeordnete Barbara Dührkop im Dlf. Das Problem werde nur gelöst, wenn die EU vereint darauf hinwirke.

Barbara Dührkop im Gespräch mit Stephanie Rohde | 11.08.2018
    21.07.2018 - Ankunftvon Flüchtlingen in Tarifa, der südlichsten Stadt Europas an der Costa del la Luz.
    Ankunft von Flüchtlingen in Andalusien, Spanien (picture-alliance / dpa / Felipe Passolas)
    Stephanie Rohde: Angela Merkel spricht also heute mit dem spanischen Ministerpräsidenten über die Flüchtlingspolitik. Was erwarten die Spanier von der deutschen Regierung, und wie erfolgreich ist dieser flüchtlingsfreundliche Kurs wirklich – darüber spreche ich jetzt mit Barbara Dührkop, sie war Abgeordnete im Europäischen Parlament für die spanischen Sozialisten. Guten Morgen!
    Barbara Dührkop: Guten Morgen!
    Rohde: Frau Dührkop, ab heute gilt dieses spanische Rückannahmeabkommen mit Deutschland. Sind die spanischen Sozialisten Gutmenschen, die Deutschland Flüchtlinge abnehmen, ohne Gegenleistung zu bekommen?
    Dührkop: Ich glaube, das entspricht Dublin, dem Abkommen in Dublin, und es handelt sich ja auch um eine geringe Zahl von Flüchtlingen. Ich glaube, das Problem liegt irgendwo ganz anders, liegt überhaupt in allen Händen von Europa. Europa müsste sich auch mal rühren, da andere Häfen ja zu sind, und ich glaube, man müsste sich darauf konzentrieren, dass das ein allgemein europäisches Problem ist, nicht nur Spanien.
    Rohde: Nun sieht es aber nach der Lösung aus, dass zum Beispiel Spanien Geflüchtete aufnimmt und dafür mehr Geld bekommt, zum Beispiel von den Ländern, die nicht aufnehmen wollen. Halten Sie das für sinnvoll?
    Dührkop: Ich halte es für sinnvoll, wenn man dann doch daran denkt, dass es ein Problem für alle ist, aber ich finde es nicht sinnvoll, wenn nicht dahinter eine gezielte Politik der Zusammenarbeit ist, wie es ja auch geplant war, aber nicht zustande gekommen ist. Sonst werden wir das Problem niemals lösen können, wenn wir nicht gemeinsam als Europäer und als Europaunion dahinterstehen.
    "Das sind ja Mengen, die wir bis jetzt nicht in Spanien gesehen haben"
    Rohde: Na ja, aber bislang hat das ja nicht geklappt, eine gemeinsame europäische Lösung zu finden. Ist es da nicht sinnvoll und pragmatisch, zu sagen, wir bezahlen einzelne Länder, damit sie das Problem machen?
    Dührkop: Das wäre eine Übergangslösung, bin ich völlig damit einverstanden, aber man müsste das Grundproblem also irgendwo doch im Auge behalten, aber sonst finde ich es auch sinnvoll. Spanien kann alleine nicht damit fertigwerden. Das sind ja Mengen, die wir bis jetzt nicht in Spanien gesehen haben von Flüchtlingen, die herkommen. Sie einfach im Mittelmeer sterben zu lassen, glaube ich, das geht über alle humanitären Grenzen.
    Rohde: Was sollte also der spanische Ministerpräsident von Angela Merkel heute verlangen als Gegenleistung?
    Dührkop: Ich meine, dass er erst mal sagen soll, sie müsste sich wieder voll dafür einsetzen, dass mehrere Länder beteiligt sind. Ich glaube, es handelt sich mehr um Rückendeckung. Insofern, dass Angela Merkel sich mit Pedro Sanchez vereint und sagt, wir versuchen jetzt, alle zu beteiligen. Große Versprechungen, die man nachher irgendwie umsetzen kann, glaube ich, erwartet Pedro Sanchez auch nicht, weil wir wissen auch, dass die Lage von Angela Merkel in Deutschland ja nicht gerade so aussieht wie damals "Wir schaffen es". Aber ich hoffe, dass da irgendwie ein Minimalabkommen zustande kommen wird.
    "Man müsste eine klare Verteilungspolitik über ganz Spanien entwickeln"
    Rohde: Wie sieht es denn in Spanien selber aus? Sie beobachten ja dort auch die Diskussion. Es wird immer gesagt, dass die spanische Regierung sehr flüchtlingsfreundlich ist. Das haben wir auch eben gehört. Allerdings gibt es jetzt immer mehr Druck aus dem Süden vor allen Dingen. Die Bürgermeister dort machen Druck und sagen, wir schaffen das nicht. Was glauben Sie, wann knickt die Regierung ein?
    Dührkop: Das ist eine Spekulation. Ich hoffe natürlich, dass sie nicht einknickt, aber sie müssten sich darauf konzentrieren, sämtliche Regionen mit zu beteiligen, dass die Konzentration vor allen Dingen von Minderjährigen in Andalusien ist sehr, sehr hoch. Man müsste eine klare Verteilungspolitik über ganz Spanien entwickeln und klar sagen, wie viele Flüchtlinge in jeder Region aufgenommen werden können.
    Wir haben Regionen, die durchaus eine sehr viel höhere Flüchtlingsrate aufnehmen könnten. Erstaunlich ist es aber, meiner Beobachtung nach, dass die spanische Bevölkerung eigentlich nicht groß irgendwie was äußert. Man ist eigentlich im Grunde damit einverstanden, dass Spanien jetzt humanitär sich beteiligt und macht, was sie macht. Wir sehen gerade nur Andalusien, wo die Stimmen immer höher werden, und da müsste man versuchen, solche Regionen, wie zum Beispiel Baskien oder auch Katalonien, die, wie man weiß, tatsächlich jetzt keine ökonomischen Schwierigkeiten haben, dass sie sich jetzt auch mehr an der Verteilung der Flüchtlinge beteiligen.
    Rohde: Und was halten Sie davon, dass es immer weniger Leistungen für die Geflüchteten gibt? Ist das nicht auch ein Zeichen, ein Signal, was man sendet, bitte kommt nicht?
    Dührkop: Nein, das glaube ich nicht. Das ist tatsächlich, dass keine Mittel vorhanden sind. Die EU hat ja Mittel zur Verfügung gestellt, aber vor allen Dingen, dass die Konzentration über so kurze Zeit von Flüchtlingen in ganz speziellen Gebieten zu hoch ist. Man müsste also umverteilen. Das passt nicht zur spanischen Mentalität, man sagt, wir holen sie einfach raus, dass sie nicht mehr kommen. Also diese Auffassung habe ich nicht.
    "Spanien hattte in den 60er-, 70er-Jahren auch eine sehr hohe Auswanderungsquote"
    Rohde: Wo Sie gerade von der spanischen Mentalität sprechen: Es gibt eine Umfrage von einem amerikanischen Forschungsinstitut, das Italien und Spanien vergleicht in der Einstellung gegenüber Einwanderung, und 52 Prozent der Italiener stehen Einwanderung kritisch gegenüber, in Spanien sind es nur 39 Prozent. Wie erklären Sie sich diese Offenheit jetzt gerade?
    Dührkop: Ich glaube, das hat historisch damit zu tun, dass wir auch … Spanien hatte ja damals in den 60er-, 70er-Jahren auch eine sehr hohe Auswanderungsquote. Und da gab es viele Leute, deren Kinder jetzt vielleicht hier in Spanien aufwachsen und dann irgendwie doch historisch oder von der Familie mitgekriegt haben, dass man damals aufgenommen wurde von anderen Ländern. Dass ist jetzt natürlich statistisch überhaupt nicht wertvoll. Mein Mann war ja auch jemand, der in Deutschland Auswanderer war, also Fremdarbeiter, wie man damals sagte, und vielleicht hängt das damit zusammen. Spanien ist – jetzt möchte ich es mal ganz vorsichtig ausdrücken – nie ein rassistisches Land.
    Rohde: Sehen Sie eigentlich, ganz kurz noch zum Schluss gefragt, Parallelen zu Deutschland und der Willkommenskultur 2015?
    Dührkop: Auf jeden Fall, und ich hoffe auch, dass das Positive, was drin ist, tatsächlich zustande kommt.
    Rohde: Das sagt Barbara Dührkop, sie war Abgeordnete im Europäischen Parlament für die spanischen Sozialisten. Danke für das Gespräch heute Morgen!
    Dührkop: Gerne! Danke, wiedersehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.