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Misstrauen und Reformdruck

Die Banken parken Rekordsummen bei der Europäischen Zentralbank. Das zeigt einmal mehr, wie sehr sie sich gegenseitig misstrauen. Auch für das gerade begonnene Jahr sind die Aussichten nicht rosig.

Von Michael Braun | 04.01.2012
    Der Ausblick war noch nie so schlecht. Wer es dramatisch mag: 1931 vielleicht ausgenommen. Die Europäische Zentralbank geht nicht ganz so weit zurück. Aber die Kombination aus Staatsschulden- und Bankenkrise habe ein systemisches Risiko wie seit Herbst 2008 nicht angenommen, also wie seit dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers nicht, das teilte sie Ende vorigen Jahres mit. Und wenn nun die Banken in den nächsten Monaten 500 Milliarden Euro Bankanleihen refinanzieren und im gleichen ausgetrockneten Umfeld die Euro-Krisenländer 700 Milliarden Euro auslaufende Staatsanleihen erneuern müssen, dann könnten diese Risiken weiter wachsen. Zumal die Banken ja auch noch ihr Eigenkapital aufstocken müssen und das Kreditgeschäft mit den Kunden auch nicht leichter wird. Philipp Hässler, Bankanalyst bei der Equinetbank über das anstehende Bankenjahr:

    "Ganz klar: Das Jahr wird schwierig werden für die Banken, wird schwierig bleiben. Das Funding, also die Beschaffung von Liquidität, wird schwierig bleiben. Die Kapitalanforderungen werden hoch bleiben, sprich: Die Bilanzsumme wird weiter verkürzt werden. Das Geldverdienen wird auch nicht einfacher werden in einem sich abschwächenden wirtschaftlichen Umfeld, sprich: Kreditausfälle werden wahrscheinlich etwas zunehmen."

    Es hat in den letzten Tagen des alten Jahres einige Lichtblicke gegeben. So ist es Spanien mehrfach gelungen, neue Staatsanleihen zu deutlich gesunkenen Renditen zu verkaufen. Auch haben die Investoren zwar die Aktie der Commerzbank nahe an die Ein-Euro-Grenze gebracht. Dabei aber bislang übersehen, dass die Einzelteile der Bank - die Beteiligung an der Comdirect-Bank, an der polnischen Bre Bank und vor allem die im Kern stehende Mittelstandsbank -, dass also diese Teile einzeln mehr wert sind als das Ganze an der Börse. Da könnten Finanzinvestoren auf die Idee kommen, das Ganze zu kaufen und die Einzelteile zu verkaufen – eine Perspektive, die Professor Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management sich nicht wünscht:

    "Wir brauchen die Commerzbank. Die Commerzbank ist sehr wichtig für die Kreditbeschaffung gerade im Mittelstand. Da hat sie eine ganz große Funktion hier in Deutschland. Sie macht ja im Augenblick auch gutes Geschäft. Das wird immer wieder vergessen. Das normale Geschäft, das Immobiliengeschäft etwa, das läuft ja gut. Sie hat aber eben strukturelle Probleme."

    Die zeigen sich vor allem an den großen Beständen abschreibungsverdächtiger Staats- und Kommunalanleihen in der Tochter Eurohypo. Neugeschäft darf diese Bank nicht mehr machen. Das hat der Commerzbank-Vorstand unterbunden. Das rare Eigenkapital soll nicht in die Geschäfte der Tochter fließen. Zumal ja als Ausgleich für frühere Staatshilfen die EU-Kommission verfügt hat, die Eurohypo müsse verkauft werden. Aber niemand will diese Bank und ihre Risiken haben. Eher sucht die Commerzbank einen Weg, wie sie die Eurohypo gesichtswahrend doch an den Staat abgeben kann, und sei es als "bad bank" nach dem Vorbild der Hypo Real Estate.

    Vielleicht wäre eine von solchen Lasten befreite Commerzbank auch wieder ein attraktives Kaufobjekt, aus dem sich der Staat als Aktionär zurückziehen könnte. Christoph Schalast meint, Interessenten zu kennen:

    "Wir vergessen manchmal: Die Chinesen standen auch schon bei der Dresdner Bank bereit. Die Chinesen haben im Augenblick erhebliche Mittel, die sie freisetzen könnten. Die Chinesen sind interessiert am Einstieg in einer Bank, die auch eben Geschäftskundengeschäft hat, Massengeschäft hat."

    Weitere Übernahmen scheinen derzeit auf dem deutschen Bankenmarkt nicht denkbar. Die konservativen Teile der WestLB, das Verbundgeschäft mit den nordrhein-westfälischen Sparkassen, werden wohl zur Helaba nach Frankfurt kommen. Ob die verbleibenden acht Landesbanken schnell auf einen Kern von zwei, drei Instituten zusammenschmelzen werden, ist unsicher. Vielleicht unternehmen auch die genossenschaftlichen Banken wieder mal einen Versuch, ihre zwei Spitzeninstitute, die Düsseldorfer WGZ Bank und die Frankfurter DZ Bank, zusammenzulegen. Bei der Deutschen Bank wird die Machtverteilung zwischen den von Ende Mai an neuen Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen austariert werden müssen. Der eine hat jahrelang das ertragreiche Investmentbanking geführt, der andere das Deutschlandgeschäft und andere Regionen. Die Folgen der Finanzkrise könnten den Investmentbanker zurechtstutzen.

    Neben solchen Lerneffekten gehört auch das zur Ausgangslage der Banken im neuen Jahr: Sie verfügen über mehr und verbessertes Eigenkapital. Das inländische Kreditrisiko hat deutlich nachgelassen. Die Kundeneinlagen, eine stabile Refinanzierungsquelle, sind deutlich gestiegen. Die Bedrohung geht vor allem von den Staatsanleihen aus. Wenn die Krise bleibt, die Kurse sinken, die Abschreibungen in den Bankbüchern steigen, dann steigt auch die Gefährdung des Bankensystems.