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Mit 16 Propellern in die Luft

Technologie.- Multikopter sind Helikopter, die nicht einen großen Rotor, sondern mehrere kleinere Propeller besitzen. Bisher gab es diese Geräte nur im kleinen Maßstab. Doch drei Tüftler aus Karlsruhe arbeiten daran, das Konzept unter dem Namen E-Volo zu einem manntragenden Multikopter mit Elektroantrieb weiterzuentwickeln.

Von Lucian Haas | 29.11.2011
    Ein seltsam anmutendes Fluggefährt erhebt sich langsam und schwebt dann knapp zwei Meter hoch in der Luft: Zwei dürre Aluminiumträger, jeweils fünf Meter lang, sind überkreuz miteinander verschraubt. In der Mitte befindet sich obendrauf ein kleiner Plastiksitz, auf dem der Testpilot festgeschnallt ist. Darunter ein orthopädischer Sitzball, der als Stoßdämpfer für die Landung dient. 16 waagerecht stehende Propeller, an jedem Ausleger vier, sorgen für den Auftrieb.

    "Wir haben lange gerätselt, wie viele Propeller wohl günstig wären. Vier sind halt ein bisschen wenig. Wenn einer ausfällt, dann fällt das Ding vom Himmel. Ich war ursprünglich bei noch viel mehr Propellern. Aber das ist eigentlich nicht handhabbar. Also haben wir einen Kompromiss gemacht und sind letztlich bei 16 gelandet."

    Stephan Wolf ist einer von drei Entwicklern des E-Volos. So haben die Tüftler aus Karlsruhe ihren Multikopter genannt. Volo kommt von volare, also Fliegen. Das E davor steht für elektrisch. Den Strom liefern Lithium-Ionenakkus. Eine volle Ladung reicht für 20 Minuten Flugzeit. Jeder der 16 Rotoren wird von einem eigenen Elektromotor angetrieben.

    "Die Propeller sind alle unabhängig voneinander angesteuert. Das sind starre Propeller im Unterschied zum Hubschrauber. Die Schubänderungen werden über Drehzahländerung erreicht. Das heißt, die Propeller drehen zwar gleichzeitig, aber nicht alle gleich schnell."

    Eine Elektronik mit Lage- und Beschleunigungssensoren sorgt dafür, den Multikopter über die ständige Anpassung der Drehzahlen stabil zu halten und zu steuern. Drehen die Propeller auf einer Seite ein bisschen schneller, stellt sich der Multikopter leicht schräg und driftet dann in diese Richtung. Das geht vorwärts wie rückwärts und zur Seite. Doch die große Stärke des E-Volos ist eine andere.

    "Auf der Stelle schweben: Das ist immer das vorrangige Ziel",

    sagt Stephan Wolf. Multikopter können senkrecht starten und landen wie klassische Helikopter. Und wenn es nach dem Willen der Entwickler geht, sollen sie bald auch einen Teil der klassischen Einsatzgebiete eines Helikopters übernehmen. So zumindest stellt es sich Alexander Zosel vor, der bei E-Volo für das Marketing zuständig ist.

    "Das eine ist natürlich der Freizeitbereich. Privatpiloten, die dann teils aus Spaß mit den Multikoptern rumfliegen werden. Bis dann halt zu gewerblichen Dingen, wo wir einen Riesenmarkt sehen. Zum Beispiel Stromleitungen, Wartungsarbeiten abfliegen und so Sachen."

    Schaut man sich die spartanisch anmutende Struktur des ersten E-Volos an, ist noch einiges an Entwicklungsarbeit nötig, um das Gerät alltagstauglich zu machen. Die Rotoren haben keine Schutzkäfige. Es gibt keine Instrumente für den Piloten. Und die Energieversorgung ist für den Dauerbetrieb zu schwach. Doch: Es handelt sich ja auch nur um eine Designstudie, um zu zeigen, dass das Prinzip überhaupt funktioniert. Dennoch meldeten sich schon die ersten Interessenten aus aller Welt, manche mit kuriosen Vorstellungen.

    "Wir haben eine E-Mail aus China bekommen. Da gibt es einen Autohersteller, der sagt: Es gibt so viele – er hat geschrieben – acht Millionen reiche Reisbauern in China, die keine Straßen haben. Denen kann er keine Autos verkaufen. Er will 10.000 von unseren Multikoptern."

    In welcher Luftfahrzeugklasse die E-Volos zugelassen werden; was für eine Ausbildung der Pilot benötigt, um damit zu fliegen – diese Fragen sind noch völlig ungeklärt. Gespräche mit dem Luftfahrtbundesamt laufen. Im Frühjahr 2012 wollen die Konstrukteure den Prototypen eines Zweisitzers präsentieren. Einen Markterfolg versprechen sich die Macher vor allem aufgrund der Tatsache, dass Multikopter sehr einfach zu fliegen sind. Per Joystick gibt der Pilot die Richtung vor, den Rest regelt die Steuerelektronik. Alexander Zosel:

    "Wenn man es bis auf die Spitze treiben würde mit der Steuerungstechnik, könnte man ein achtjähriges Kind draufsetzen und:Flieg mal los!"

    Nach Angaben der Konstrukteure, soll das Fliegen mit dem Multikopter zudem besonders sicher sein, dank redundant ausgelegter Motoren und Steuerungseinheiten. Stephan Wolf:

    "Wir haben mal gerechnet, dass vier Propeller ausfallen könnten, und man immer noch fliegen beziehungsweise landen kann. Sicher! Aber natürlich sollten die vier Propeller nicht auf einer Seite ausfallen. Das wäre nicht so gut."

    Für den echten Notfall bliebe dann noch das sogenannte Gesamtrettungssystem, wie es in Deutschland auch für alle Ultraleichtflugzeuge vorgeschrieben ist: Ein großer Fallschirm lässt Pilot samt Maschine langsam zu Boden sinken.

    Links ins Netz:

    Internetseite von E-Volo

    YouTube-Video zum Thema