Freitag, 19. April 2024

Archiv


Mit Bienen gegen Minen

Biologie. - Es klang nach einem verspäteten Aprilscherz, als am 23. April 1999 die US-amerikanischen Sandia National Laboratories mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gingen, dass Bienen ideale Minensucher sind. Für die europäische Presse war es damals schwierig, Interviews zu bekommen, DARPA - eine Organisation zur militärischen Forschungsförderung, erhob Einspruch, stufte die Geschichte als sensibel ein. Inzwischen ist man auch wissenschaftlich ein paar Schritte weiter gekommen - und wäre im Prinzip einsatzbereit.

Von Dagmar Röhrlich | 22.06.2004
    Weltweit lauern 80 bis 120 Millionen Landminen im Boden - und jeden Tag kommen 40.000 dazu. Mit den heutigen Methoden würde es 500 Jahre dauern, alle vergrabenen Minen zu entschärfen. Zudem ist vor allem in Siedlungsgebieten und Wäldern das Aufspüren ein Problem. Dort werden oft Hunde eingesetzt, aber erstens muss man sie an einer relativ kurzen Leine führen und zweitens sind sie langsam. Also sucht man nach Alternativen. Eine davon: Bienen. Auf diese Idee kam Phil Rodacy vom Sandia National Laboratories, nachdem Forscher von der Universität Montana zeigen konnten, dass diese Insekten ganz hervorragend Altlasten wie Schwermetalle oder Lösungsmittel aufspüren.

    Bienen können sehr gut Gerüche wahrnehmen, denn so finden sie die Blüten. Sie zeigen dabei Vorlieben für bestimmte Blumen, können also zwischen den Düften unterscheiden. Unsere Versuche zeigten, dass sie auch TNT und seine Abbaustoffe riechen, und das ist in 90 Prozent aller Minen drin.

    Bevor die Bienen zum Minensucher taugen, müssen sie nur mit einer in Montana entwickelten Trainingsmethode auf TNT getrimmt werden. Im Prinzip läuft das wie bei einem Hund - über Belohnungen.

    Im Grunde ist es eine Pawlowsche Konditionierung, bei der man die Bienen lehrt, einen Geruch mit einer sehr guten Futterquelle zu assoziieren. Wir haben einen Futterspender mit einer reichen Zuckerlösung gefüllt und Sprengstoff darum herum gelegt. Am Futterspender rochen sie also das TNT und sie lernten: He, wo es so riecht, gibt es sehr gutes Zuckerwasser. Dann ließen wir die Futterlösung austrocknen und die Bienen schwärmten aus, um im Gelände den Geruch der guten Futterquelle wieder zu finden.

    Bereits nach ein bis zwei Stunden ist ein Bienenstock konditioniert.

    Wenn man einen Bienenstock darauf trainiert, Sprengstoff zu detektieren, und wenn man dann einen anderen Stock in ihre Nähe stellt, dann haben auch die Bienen in dem neue Stock nach ein-, anderthalb Tagen gelernt, Sprengstoff aufzuspüren. Sie scheinen voneinander zu lernen.

    Ihr Riecher ist ausgezeichnet: Unter anderem in dem 100 Quadratkilometer großen Fort Leonard Wood Minenfeld in den USA haben die Bienen noch TNT-Konzentrationen wahrgenommen, die einem Teilchen auf eine Trillion anderer Teilchen entsprechen. Solange es nicht regnet, denn dann fliegen Bienen nicht, arbeiten die Tiere penibel genau: Im dem riesigen Testfeld entdecken sie 94 Prozent aller vergrabenen Minen, Hundestaffeln schaffen nur etwa 60 Prozent.

    Wir wissen, dass Bienen Sprengstoff finden können, aber die Herausforderung ist, die Bienen zu finden. Weil es zu gefährlich ist, ihnen über ein Minenfeld nachzulaufen, könnte man sie mit einem Fernglas verfolgen. Damit wir die Aktivität der Bienen aber besser auf die Karte übertragen können, haben wir ein mobiles LIDAR entwickelt, also ein Lasersystem, mit dem wir das Areal scannen. Trifft der Laserstrahl auf eine Biene, wirft sie ein Signal in einer sehr spezifischen Wellenlänge zurück, dass wir von dem eines Schmetterlings oder Grashalms unterscheiden können. Dann können wir eine Karte erstellen: Wo viele Bienen sind, ist viel TNT, wenig Sprengstoff zieht wenige Bienen an, und wo nichts ist, sind auch keine Bienen.

    Weil im Minenfeld keine Belohnung wartet, wird die nach Sprengstoff duftende Futterquelle hin und wieder aufgefüllt - als Gedächtnisstütze. Für die Bienen wird Sprengstoff damit zu einer sehr ergiebigen, aber schnell verblühenden Blume. Die Insekten arbeiten schnell, nach einer Stunde ist ein Areal untersucht. Allerdings sind sie dabei nur auf rund einen Quadratmeter genau, nicht punktgenau. Dafür braucht man dann wieder die Hundestaffeln, aber die können dann gezielt eingesetzt werden.

    Derzeit sucht man für einen ersten Testeinsatz in einem Krisengebiet einen Sponsor, der den Einsatz der Bienenflüsterer bezahlt. Die Bienen selbst brauchen sie nicht mitzunehmen, die kämen von den Imkern vor Ort. Denn alle Bienen rund um den Globus sind sehr gelehrig.