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Mit Crispr/Cas Schweineorgane verändern
Hoffnung für die Xenotransplantation

Zehntausende Menschen sind vermutlich bereits gestorben, während sie auf ein Spenderorgan zur Transplantation warteten. Mit der Verpflanzung von Tierorganen, der sogenannten Xenotransplantation, könnte vielen geholfen werden. Aber diese Organe werden vom menschlichen Organismus abgestoßen. Anlass zur Hoffnung gibt jetzt das Gentechnik-Verfahren Crispr/Cas.

Von Michael Lange | 11.10.2016
    Eine Lungentransplantation in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
    Es wird ein neuer Anlauf im Bereich der Xenotransplantation genommen (picture alliance / dpa / Junge /MHH)
    Repräsentativ, modern, glänzend und extrem sauber. Die Labors von Craig Venters Biotechnologie-Firma Synthetic Genomics in La Jolla, Kalifornien, sind bestens geeignet für die Arbeit mit empfindlichen Zellkulturen. Kein Platz für Schweine. Sean Stevens und sein Team züchten hier allerdings Schweinezellen für die Transplantationsmedizin.
    "Xenotransplantation ist für uns das Projekt Nummer eins. Schweinezellen so umzubauen, dass der menschliche Körper sie nicht abstößt, ist eine gewaltige Herausforderung. Bei Synthetic Genomics mögen wir nun einmal keine kleinen Herausforderungen, sondern nur die großen."
    Aus Sicht des Immunsystems sind Mensch und Schwein extrem unterschiedlich. Die Schweinezellen müssen deshalb im Labor genetisch so verändert werden, dass das menschliche Immunsystem sie für körpereigene Zellen hält. Immer wieder bringen die Forscher im Labor genetisch manipulierte Schweinezellen und menschliche Immunzellen zusammen. "Die schlechte Nachricht lautet: Es gibt jede Menge Reaktionen menschlicher Immunzellen gegen Schweinezellen. T-Zellen, B-Zellen, Fresszellen, alle greifen die Schweinelunge an, die Schweineniere oder jedes andere Organ, das vom Schwein stammt."
    Erbgutveränderung wie mit einem Textverarbeitungsprogramm
    Früher versuchten Wissenschaftler, durch einzelne Genmanipulationen gewissermaßen die Visitenkarte der Schweinezellen zu ändern. Aber das reichte nicht. Bald erkannte das menschliche Immunsystem das Schweineorgan trotzdem als fremd und stieß es ab. Nun aber macht sich erneut Hoffnung breit bei den Experten für Xenotransplantation. Ursache ist das neue, besonders einfache Gentechnik-Verfahren Crispr/Cas 9. Damit lässt sich das biologische Erbgut wie mit einem Textverarbeitungsprogramm bearbeiten. Die Forscher können damit viele Positionen im Schweine-Erbgut gleichzeitig verändern.
    "Crispr/Cas 9 gibt dem Forschungsfeld neue Energie. Es ist schon beeindruckend, was man mit diesem neuen Werkzeug alles machen kann. Aber ein neues Verfahren löst nicht alle Probleme. Crispr/Cas kann hilfreich sein für manche Anwendungen, für andere ist es weniger effizient."
    Zehn oder ein Dutzend Manipulationen reichen möglicherweise aus, schätzt Sean Stevens. Seine Idee: Proteine auf den Oberflächen der Schweinezellen könnten Botenstoffe des menschlichen Immunsystems aufsaugen wie ein Schwamm. Die Signalkette der menschlichen Immunzellen würde unterbrochen, und die Immunzellen würden die Schweineorgane nicht mehr als fremd erkennen und abstoßen. In Zellkulturen funktioniert es bereits. Für die Tierversuche ist nicht mehr Synthetics Genomics zuständig, sondern die Partnerfirma United Therapeutics. Wenn beide Firmen ihre Aufgaben erledigt haben, kann es bald losgehen, hofft Sean Stevens.
    "Wir sprechen hier über Jahre, nicht Jahrzehnte, bis die ersten Transplantationen stattfinden können. Wir stehen schon jetzt unter Druck, dass es nicht zu Abstoßungsreaktionen kommt, wenn dann in ein paar Jahren die klinischen Studien am Menschen beginnen."
    Ähnlich optimistische Vorhersagen gab es allerdings bereits in den 1990er-Jahren.