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Mit Crowdfunding zur Medaille

Viele Belgier hoffen auf einen Erfolg des Eisschnellläufers Bart Swings bei den Winterspielen in Sotschi 2014 - doch dem 22-jährigen fehlt das Geld, um sich anständig vorzubereiten. Deshalb greift Swings zum letzten Mittel: Er bittet seine Fans um Geld - und belgische Politiker diskutieren, ob das ein Modell für die Zukunft werden könnte.

Von Patrick Wellinski | 07.09.2013
    "Ich bin Bart Swings…"
    Mit diesem Internet-Werbevideo wendet sich die große Eisschnelllauf-Hoffnung Belgiens, Bart Swings, an seine Fans. Er bittet um ihre Unterstützung, aber vor allem bittet er um ihr Geld, damit er auf Olympia-Niveau trainieren kann. Seit einer Woche können seine Fans auf einer Internetseite spenden, z.B. per SMS oder App. Kleine und Kleinstbeträge sollen so gesammelt werden, für Übernachtungs- und Reisekosten, für Ausstattung und Trainingsstätten. Ein notwendiger Schritt, da die Förderung des belgischen Eisschnelllaufverbands und des belgischen olympischen Komitees unzureichend ist, erläutert der Manager des belgischen Eisschnelllaufteams, Bart Veldkamp:

    "Diese Förderung deckt lediglich 30 Prozent von dem ab, was wir brauchen und ich mir als Coach für das Team wünsche. Außerdem sind diese Etats auch noch strikt saisongebunden, aber wir wünschen uns, dass der Blick auch darüber heraus geht. Man muss doch in und für die Zukunft investieren. Dafür muss man eine Grundlage schaffen."

    Besonders im Winterport, der in Belgien ein Schattendasein fristet, braucht es eine stärkere finanzielle Unterstützung. Das Land verfügt nicht mal über eine eigene 400m-Bahn, weshalb Talente wie Bart Swings im Ausland trainieren müssen. Von unzumutbaren Zuständen spricht Manager Veldkamp. Deshalb sei man auf die Crowdfunding-Aktion gekommen.

    "Heute schauen die Menschen anders auf den Sport, das gilt auch für die Athleten: Heute geht nichts ohne die Fans. Unsere Aktion fügt sich in diese Entwicklung: Man muss die Fans hinter sich bringen, damit sie aktiv die Karriere des Sportlers fördern."

    Crowdfunding als Zukunft der Spitzensportfinanzierung in Belgien? Gut möglich. Schließlich hat das Swings-Projekt innerhalb einer Woche mehr als 75.000 Euro eingeholt - Ziel sind 450.000 €. Ein Erfolg, der jetzt auch die belgische Politik hellhörig gemacht hat.

    Ulla Werbrouck steht vor dem Belgischen Parlament und fordert eine bessere und umfassendere Betreuung von Spitzensportlern. Die Politikerin der rechtsliberalen LDD weiß, wovon sie spricht. Schließlich war die ehemalige olympische Goldmedaillen-Gewinnerin im Judo selber eine. Ihrer Meinung nach ist die belgische Sportförderung in einer Sackgasse und ungerecht. Gelder fließen auf der Basis einer Spitzensportartenliste, die die Sportarten nach Beliebtheit staffelt. Der Nachteil liegt auf der Hand: Rand- und Nischensportarten müssen sich mit minimalen Summen zufrieden geben.

    Deshalb hat die LDD-Politikerin gemeinsam mit einem Parteikollegen ein umfassendes Papier erarbeitet, das massiv auf Crowdfunding setzt, und so die bisherige Landessportförderung umkrempeln soll. Es reiche ein Blick zum Nachbarn, so Ulla Werbrouck auf ihrem Blog, um zu sehen, was möglich wäre. Denn nicht nur in der Welt des Eisschnelllaufens haben die Niederländer die Nase vorn. Auch das "Crowdfunding im Sport" haben sie bereits professionalisiert.

    Auf zahlreichen Seiten wie Wij-Zijn-Sport - was so viel heißt wie "WIR sind der Sport" - kann man niederländische Nachwuchs-Athelten fördern. Auf dem Portal "Wir kaufen das Team" kann man Manager des Rabobank-Rad-Teams werden, etwas, das bislang über 17.000 Unterstützer getan haben. Selbst kleine Vereine greifen regelmäßig zu Crowdfunding-Aktionen, um ihre Sportler gezielt zu fördern.

    Eine solche nationale Crowdfunding-Offensive schwebt auch den belgischen Politikern vor. Auch deshalb ist der Erfolg, mit dem Bart Swings' Crowdfunding-Kampagne angelaufen ist, ein Lakmustest für eine mögliche Neuordnung des belgischen Sportfördersystems. Und wenn alles gut läuft, sagt Manager Bart Veldkamp, kommt es nicht nur förderpolitisch zu einer Wachablöse, sondern auch sportlich.

    "Swings wird jetzt aufmerksam von der Presse beobachtet, denn es ist klar, dass er eine Medaille bei den Winterspielen holen könnte. Und der letzte, dem das für Belgien gelang, war ich. Also wird es langsam Zeit für einen Nachfolger."