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Mit dem "Bild"-Aufzug rauf und wieder runter

Journalisten können Politik beeinflussen, sollen aber nicht Akteure werden. Trotzdem lassen sie sich immer wieder dazu verführen, Politiker hoch und runter zu schreiben. Adalbert Siniawski über das Verhältnis zwischen "Bild"-Zeitung und Politikern.

Von Adalbert Siniawski | 14.01.2012
    Mitte 2006 bekennt sich Christian Wulff in der "Bild"-Zeitung zu einer neuen Partnerin. Ende 2007 druckt das Boulevardblatt die Nachricht vom Nachwuchs im Hause Wulff, berichtet später von der "Traumhochzeit im Märchenschloss". Bei der Bundespräsidentenwahl steht die Zeitung zwar hinter Joachim Gauck. Doch danach rühmt sie wieder, wie viel "neues Leben" und "Stil" der Wahlsieger Wulff und seine Gattin Bettina ins Schloss Bellevue gebracht hätten.

    Homestorys zuhauf, obwohl "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann nach dem sogenannten Caroline-Urteil von 2004 eigentlich auf private Politikergeschichten verzichten wollte. Beobachter wittern eine Liebesbeziehung zwischen Wulff und "Bild", einen regelrechten Deal. Bis zur Kredit- und Medienaffäre. Politikberater und ehemaliger "Bild am Sonntag"-Chef Michael Spreng erklärt den Umschwung so:

    "Für eine Boulevardzeitung sind natürlich Homestorys große Geschichten – und insofern sind sie positiv in der Regel, weil sie mit den Betroffenen gemacht werden. Das ändert aber nichts daran, dass im Falle eines Skandals dieselbe Zeitung diesen Skandal unnachgiebig verfolgt. Ich sehe da auch keinen Widerspruch, denn die Liebesbeziehung gibt es nicht. Sondern es gibt, wenn man so will, eine Arbeitsbeziehung, solange die Geschichten schön sind und eine kontroverse Beziehung, wenn die Geschichten unschön werden."

    Anders als Wulff konnte Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf seine guten Verbindungen zum Springer-Blatt bis zuletzt vertrauen. Auch über ihn und seine Gattin Stephanie, brachte die "Bild"-Zeitung wohlwollende Geschichten, stilisierte KT zum Messias der Politik. Selbst Qualitätsmedien wie "Der Spiegel" schrieben über die – Zitat – "fabelhaften Guttenbergs" und einen "Paarlauf ins Kanzleramt".

    "Ich wollte immer, sozusagen als Frau und Mutter, mir ein Bild von der Lage hier unten machen und sehen, was die Menschen hier unten Leisten."

    "Ich werde meine Frau selbstverständlich wieder zu den Soldaten mitnehmen, wenn wir das für richtig halten."

    Ende 2010 steht der damalige Verteidigungsminister in der Kritik, weil er seine Frau nach Afghanistan mitgenommen hat. Die "Bild"-Zeitung war mit auf der Reise und titelt unerschrocken: "Wir finden die gutt!" Und selbst im Copy-and-Paste-Skandal hält das Boulevardblatt neben der Wochenzeitung "Die Zeit" dem taumelnden Doktor die Stange.

    "Hier hat man versucht, tatsächlich eine Kampagne zu starten, an einem Politiker, den man mit hochgeschrieben hat, wider besseres Wissen festzuhalten","

    sagt der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Ebenso wie Michael Spreng glaubt er nicht, dass die "Bild" die Macht hat, einen Politiker ins Amt zu schreiben oder zu stürzen. Aber sie könne Stellungnahmen erzwingen und Kampagnen fahren. Vor allem deshalb, weil die Amtsträger selbst in der "Bild"-Zeitung das Angstmedium Nummer eins sehen und sich vorauseilend den Regeln des Boulevardjournalismus unterwerfen.

    ""Sie müssen allerdings wissen: Wenn Sie die Tür ein mal aufgemacht haben, bekommen Sie sie nicht mehr zu."

    Das musste auch Christian Wulff erfahren. Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte ihre Abschrift des vermeintlichen Drohtelefonats des Bundespräsidenten bei Diekmann und Springer-Vorstand Mathias Döpfner nicht selbst, sondern reichte das Dokument an die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und die "Süddeutsche Zeitung" weiter. Am Ende muss sich "Bild" die Hände nicht schmutziger machen als sie sind und überlässt die Publikation den anderen – und die hängen "am Tropf der Bild-Zeitung", klagt Michael Spreng:

    "Einerseits wurden sie instrumentalisiert, um die Affäre am kochen zu halten uns sie ins neue Jahr zu retten, auf der anderen Seite ist der Inhalt eines solchen Telefonates eine Top-Story. Also da ist ein sich selbst anschiebendes Medienkarussell entstanden, an dem sich seriöse Blätter bereitwillig beteiligt haben."

    Pörksen stimmt der pauschalen Kritik an dem Vorgehen der "Bild"-Zeitung nicht zu. Sie habe in der Kredit- und Medienaffäre auf eine smarte und professionelle Weise agiert.

    "Der Geniestreich der gegenwärtigen Berichterstattung ist, dass es der 'Bild'-Zeitung gelingt, eine Imagekampagne für das eigene Medium, zu kombinieren mit diversen Enthüllungsscoops und nebenbei noch die verschiedenen anderen Leitmedien und auch die Qualitätsmedien des Landes gleichsam in Außenredaktionen, des eigenen Mediums zu verwandeln. Dass man das Verhalten von Christian Wulff skandalisiert, ist vollkommen legitim. Es wäre fatal gewesen und umgekehrt ein Anlass für Kritik, wenn die 'Bild'-Zeitung die Veröffentlichung zurückgehalten hätte, um die Phase der Kungelei, des Kuschelns, der Absprachen auf der Hinterbühne fortzusetzen. Das wäre tatsächlich mediales Fehlverhalten."