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Mit dem Schutzheiligen Sankt Georg zum Sieg

Die spanische Geschichte ist geprägt von Eroberungszügen der Mauren. Im kollektiven Gedächtnis ist vor allem die Rückeroberung verankert. So auch in Alcoy: 1276 konnten die tapferen Bürger ihre Stadt befreien - dank des Schutzheiligen Sankt Georg. Jedes Jahr wird das bei den Festspielen "Moros y Cristianos" gefeiert.

Von Priya Bathe | 22.04.2012
    Tausende Menschen stehen an den Straßenrändern, Bewohner werfen Konfetti von den Balkonen und jubeln den Spielmannszügen und Garden zu. Diese ziehen durch die historische Altstadt von Alcoy: Über enge Pflastersteingassen, eingerahmt von hohen sandfarbenen Altbauten, führt ihr steiler Weg auf die Plaza Espania – den zentralen Marktplatz der Stadt. Nun geht es im Carre an der Barockkirche Santa-Maria vorbei zum Rathaus. Bejubelt werden die Garden hier von Bürgermeister Jorge Sedano und seiner Frau.
    Die Teilnehmer tragen altertümliche Rüstungen, Visiere, Waffen und Schutzschilder, sie laufen in der Parade, sitzen hoch zu Ross oder auf festlich geschmückten Wagen.

    So feiern die kostümierten Bürger von Alcoy in der spanischen Stadt nahe Valencia das Fest "Moros y Cristianos" – Mauren und Christen.

    Drei Tage sind die Häuserfronten mit einer auffälligen Flagge geschmückt: rotes Kreuz auf weißem Grund. Juan Llompart, Bewohner Alcoys erklärt die Bedeutung:

    "Es ist zwar auch die Flagge Englands, aber die Flagge ist auch die des Schutzheiligen San Jorge, Sankt Georg. Die Flagge hängt heute von allen Balkonen Alcoys herab. 1276, genau 20 Jahre nach der Gründung von Alcoy fand hier die letzte Schlacht zwischen Christen und Mauren statt. Nach der Legende haben die Alcoyer dank Sankt Georg über die Mauren gesiegt."

    Die Legende besagt, dass den Christen bei der Rückeroberung ihrer Stadt in der höchsten Not der Heilige Sankt Georg auf den Festen der Burg erschien.

    Jedes Jahr wird Sankt Georg und der siegreichen Schlacht beim Fest "Moros y Cristianos" gedacht. 28 Garden, sogenannte Filas laufen in einer Parade in die Stadt ein. 14 Christen-Garden und 14 der Mauren. Jede von ihnen hat besondere Trachten. Juan Llompard:

    "Die Tracht bekommt man aus der Familie, vom Vater oder vom Onkel. Es ist üblich, dass man eine Tracht als Kind geschenkt bekommt. Meine ist beispielsweise 20 Jahre alt. Meine Tracht gehört zu der Garde der Gusmans. Die Tracht ist eine Mönchstracht. Die Gusmans waren Mönche, die in der Schlacht gegen die Mauren gekämpft haben, sie waren Kriegermönche."

    Juan trägt eine weiße Tunika, darüber eine graue Mönchskutte mit Kapuze. Die Kutte ist mit braunen, dreieckigen Ornamenten versehen, um die Taille trägt er einen breiten, braunen Gürtel. Seine Rüstung besteht aus Helm, Speer und Schild, um die Beine hat er Ledergamaschen. Auf seinen Schultern liegt ein roter Umhang. Allein dieser kostet fast 200 Euro, wie Juan erzählt, der Helm rund 400. Eine komplette Ausrüstung ist oft mehrere Tausend Euro wert.
    Juan ist seit dem frühen Morgen unterwegs. Die Tradition besagt, dass sich die Filamitglieder um genau 5:45 Uhr versammeln. Gemeinsam bereiten sie sich auf ihren Umzug vor: Mit Familienmitgliedern, Freunden und dem Kapitän der Garde beginnen sie den Tag mit einem Frühstück. Anschließend kommen die Gardemitglieder allein zusammen. Sie legen ihre Trachten an, satteln und zäumen ihre Pferde mit historischem Geschirr. Dann geht es zum Startpunkt der Parade. Jedes Jahr stellt eine der 14 Garden den Kapitän. Zu Beginn marschieren die Christen mit ihrem Anführer in die Stadt ein.

    Prunkvoll in einer schwarz-weißen Tracht mit silbernem Helm und goldfarbener Lanze steht der Kapitän der Christen auf einer Löwenfigur in vier Meter Höhe. Der Löwe – ein Konstrukt aus Metall und Pappmaschee ist mit braunem und schwarzem Plüsch bezogen. Das zottelige Fell, die roten Augen und ein aufgerissenes Maul mit bleckenden Zähnen verleihen der imposanten Figur das Antlitz einer bösartigen Kreatur. Der Löwe ist so breit, dass er kaum durch die engen Gassen.

    Hinter dem Kapitän kommen die Gefolgsleute auf Pferden geritten, die Frauen- und Kindergarden, Ordensleute und Ochsen folgen. Überall werden sie mit der Flagge Sankt Georgs bejubelt.

    Rund 20.000 Besucher bestaunen das Spektakel von Alcoy. Für 10.000 gibt es Sitzplätze entlang der Paradestrecke. Viele kommen mehr als 70 Kilometer aus der Provinzhauptstadt Alicante angereist. Auch dort wird das historische Mauren- und Christenfest gefeiert.

    Besucher:
    "Mir gefallen diese Prozessionen sehr, ich gehe auch zu mir in den Stadtteil in Alicante zu der Prozession. Das ist ein Hobby von mir, so wie andere zum Stierkampf gehen, gehe ich zu den Moros y Cristianos."

    Besucherin:
    "Ich freue mich auf den Nachmittag, dann kommen die Mauren. Ein Freund meiner Mutter ist dort in einer Fila. Und mir gefallen die Kostüme und die Musik der maurischen Filas besser. Die Musik der Christen ist schnell, die der Mauren langsamer."


    Die Musik der maurischen Filas erinnert an orientalische Lieder und die maurischen Ursprünge Nordafrikas. Die Reiter sind schwarz geschminkt, tragen als Zeichen ihrer Herkunft den islamischen Halbmond. Viele haben einen Turban um den Kopf gewickelt, tragen Sultanhosen, kurze Westen und lange Bärte. Sie reiten auf Kamelen.

    Der Höhepunkt der Parade ist der Einmarsch des maurischen Führers. Erhaben sitzt er auf einem schwarzen Pferd. Er trägt eine tiefblaue Reitertracht mit arabischen Schriftzeichen. Die Schärpe ist mit dem islamischen Halbmond verziert. Dunkle Haut und ein Vollbart verleihen ihm ein Furcht einflößendes Aussehen.

    Der Geschichte nach siegten die Christen über die Mauren. Doch heute, während der Festspiele, geht es nicht um Sieg oder Niederlage. Es geht einzig und allein darum, die Eroberungs- und Rückeroberungsgeschichte so originalgetreu wie möglich darzustellen:

    Dazu werden nach der Parade Kämpfe zwischen Mauren und Christen nachgespielt. Bei allen Feierlichkeiten und Kampfdarbietungen steht der Schutzpatron der Stadt – der Heilige Sankt Georg - im Mittelpunkt des Geschehens. Ihm wird der zweite Tag der Fiesta gewidmet. In den frühen Morgenstunden und am Nachmittag feiern die Alcoyer ihm zu Ehren kirchliche Andachten und Prozessionen. Am finalen dritten Tag wird schließlich die nachgebaute Burg durch die Christen – Sankt Georg sei Dank - wieder zurückerobert. Obwohl die Mauren historisch gesehen die Verlierer waren, bereitet es niemandem Probleme, in einer maurischen Garde zu spielen. Die Teilnahme an der Fiesta sei eine Ehre, egal in welcher Garde. Bei den Schlachten gehe es keinesfalls darum, Kriege zu verherrlichen, sondern die siegreichen Kämpfer von damals für ihre Furchtlosigkeit zu ehren, sagt Juan Llompart:

    "Heute ist das ein freundschaftliches Spiel, es ist kein Krieg zwischen den Garden, den Filas. Es hat mehr etwas von einer Theateraufführung. Alcoy ist die wichtigste Stadt, in der das Fest der Christen und Mauren nach altem Brauch gefeiert wird."
    Der islamische Halbmond neben der Flagge Sankt Georgs.
    Der islamische Halbmond neben der Flagge Sankt Georgs. (Priya Bathe)
    Eine Reiterin der Christen beim Festspiel "Moros y Cristianos"
    Eine Reiterin der Christen beim Festspiel "Moros y Cristianos" (Priya Bathe)
    Maurische Reiter auf Kamelen in Alcoy
    Maurische Reiter auf Kamelen in Alcoy (Priya Bathe)