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Mit dem Virus leben: HIV und Aids

HIV-positiv - noch vor etwa 15 Jahren kam diese Diagnose dem Todesurteil gleich. Durch die sogenannte Kombinationstherapie hat sich das aber maßgeblich geändert. Auch wenn die Nebenwirkungen gravierend sein können, können Betroffene über Jahrzehnte fast ein normales Leben führen.

Von Barbara Weber | 20.07.2010
    "Jetzt mach' ich mal einen Kaffee, weil ich auch gerade erst eine Viertelstunde wach bin."

    "Ich bin auch nicht derjenige, der Morgens groß was isst, aber einen Kaffee brauche ich schon, um in die Gänge zu kommen."

    "Mein Name ist Stephan Gellrich. Ich bin 41 Jahre alt und wohne in Köln. Ich bin HIV– positiv seit 1996."

    "So, der muss jetzt ein paar Minuten ziehen. In der Zeit mach' ich mir aber doch ein Brot fürs Büro gleich, damit ich dann gleich was zu Essen habe und nehme aber meine Tabletten mal gerade vorher, weil sonst vergesse ich die gleich. Die muss ich immer morgens und abends nehmen, morgens drei, abends zwei. Und die nehme ich jetzt seit fünf, sechs Jahren. Das ist eine klassische Dreier-Kombination, die unterdrücken die Virusvermehrung, so dass die Prognose eigentlich, wenn man von den Nebenwirkungen her gut mit den Tabletten zurechtkommt, so ist, dass man da Jahre oder Jahrzehnte gut mit zurechtkommt."

    "Gleich werde ich dann zur Arbeit gehen. Jetzt haben wir acht, dann müssen wir um viertel nach acht hier los. An der Arbeit sind mir mehrere Sachen wichtig. Auf der einen Seite ist es das schnöde Geld verdienen. Man muss ja schließlich von irgendwas leben, um auch einen gewissen Lebensstandard halten zu können. Die andere Sache ist sicherlich, zumindest dass ich mittlerweile auf einem Arbeitsplatz gekommen bin, wo die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass ich HIV-positiv bin, was ich sehr beruhigend finde, dass das in dem Umfeld geht. Ich arbeite beim Landesverband der nordrhein-westfälischen Aids-Hilfen. Und natürlich entstehen über Arbeit auch freundschaftliche Kontakte. Also wenn man acht Stunden am Tag irgendwo ist, gehört das zum sozialen Umfeld mit dazu. Und sobald das weg ist, kenne ich das schon, dass viele Leute auch Probleme haben, weil sie ein bisschen vereinsamen."

    "So, dann können wir abschließen. Und einmal raus vor die Tür."

    "Das sind fünf Minuten zu Fuß. Es ist schon angenehm, dass Arbeit und Wohnen so dicht beieinander sind. Das finde ich schon gut."

    "Das ist schon sehr schön so. Also ich bin so ein bisschen Stadtkind. Ich komm' vom Land mehr oder weniger, aus dem Bergischen und kenn auch das andere Extrem und ich bin jetzt praktisch mitten in der Innenstadt, und ich muss schon sagen, dass ich zumindest im Moment nicht auf den Gedanken kommen werde, wieder aufs Land ziehen zu wollen, weil ich schon so manchmal denke, wenn man mal so älter wird und normal krank wird, ohne dass es was mit HIV zu tun hat oder halt eben doch, wenn es was mit HIV zu tun hat, wie dann die Versorgung aussehen soll, weil alle meine Freunde und Bekannte wohnen in der Innenstadt. Kein Mensch hat Lust zwanzig Kilometer bis nach Bergisch Gladbach zu fahren. Ich denke, da wäre man dann viel anonymisierter und angewiesen auf professionelle Hilfe, während ich glaube, dass wenn man quasi in seiner Umgebung in seinem Freundeskreis ist, dann auf diese Strukturen zurückgreifen kann. Das finde ich wichtig."

    "So, jetzt sind wir auch da. Wir scheinen die Ersten zu sein. Wir haben jetzt zwanzig vor neun. Um neun Uhr treffen wir uns alle zu einer Morgenrunde."

    "Mir ist wichtig, dass die politischen Verhältnisse, die wir in Deutschland haben, die ja doch mit starken Bemühungen für Antidiskriminierung und Gleichstellung geprägt sind, dass das so bleibt und dass das nicht rückläufig ist. Ich glaube schon, dass das in der Gesellschaft auch Spuren gibt, die Homosexualität, Positiv sein nicht in der Mitte der Gesellschaft verankert sehen wollen und hoffe sehr, dass diese Leute nicht zuviel Gehör finden beziehungsweise zuviel Stärke einnehmen in unserer Gesellschaft."

    "Jetzt ist Feierabend hier. Jetzt haben wir fünf Uhr und jetzt gehen wir nach Hause... Tschööö."

    "Ich habe 1996 mein positives Testergebnis bekommen, kurz bevor es im Herbst diese Welt-Aids-Konferenz gegeben hat, auf der diese sogenannte Dreierkombination vorgestellt worden ist, vorher gab's zwar Medikamente, die waren aber alle nicht sonderlich erfolgsversprechend. Insofern habe ich, wenn auch nur sehr kurz, noch die Zeit mitbekommen, wo ein positives Testergebnis mit der Prognose verbunden war, na ja, da hat man nur noch ein paar Jahre zu leben und dann ist es zu Ende. Ich war gerade 24, mittlerweile bin ich 41. Und letztes Jahr habe ich mich dann schweren Herzens, sprich, weil es dann doch irgendwie Geld kostet, noch für eine zusätzliche Altersvorsorge entschieden, wo ich lange Zeit nicht wusste, ob ich das machen soll, weil ich keine Ahnung hatte, ob ich denn 65 werde oder nicht."