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Mit dem Willen zum Neustart

Vom 6. bis 8. Juli besucht US-Präsident Barack Obama Moskau. Es ist der erste offizielle Staatsbesuch Obamas beim russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew. Versuchen wollen beide einen Neustart ihrer Beziehungen, die infolge des Kriegs zwischen Russland und Georgien um Südossetien einen Tiefpunkt erreicht hatten. Doch es gibt viele Themen, die die Agenda zum Stocken bringen könnten.

Von Mareike Aden | 06.07.2009
    Hamburger, Pommes und Milchshakes - im Restaurant "Starlite-Diner" im Zentrum von Moskau genießen an diesem Mittag vor allem Geschäftsleute ein typisch amerikanisches Essen. Die meisten sind Russen und kommen täglich hierher. Sie alle haben über die russischen Medien von dem bevorstehenden Obama-Besuch in ihrer Stadt gehört - und hoffen auf den viel zitierten Neustart in den Beziehungen ihres Landes und den USA.

    "Es wäre gut, wenn die Konkurrenz unserer beiden Länder einen kreativen Charakter bekommen würde und nicht so zerstörerisch wäre wie bisher. Beide Länder haben sich oft nicht korrekt verhalten."

    "Unsere Beziehungen zu den USA können und müssen sich auf jeden Fall noch verbessern. Auch um eine neue Möglichkeit zu finden, die Krise in unserem Land zu bekämpfen."

    'Auf jeden Fall gefällt mir Obama schon mal besser als Bush. Ich habe schon bemerkt, dass seit Obamas Wahl die Beziehungen zu den USA ein wenig wärmer geworden sind."

    Tatsächlich haben sich die US-Administration und die russische Führung in den vergangenen Monaten sehr bemüht, ihren Willen zum Neuanfang zu zeigen: Die Außenminister Sergej Lawrow und Hillary Clinton drückten sogar einen symbolischen Startknopf. Der Neustart - auf Russisch "peresagruska" - wird in Russland meist zuversichtlich diskutiert. Viktor Miesin, Professor für Internationale Beziehungen an der Moskauer Elite-Universität MGIMO hält das für falsch.

    "Der Begriff Neustart ist meiner Meinung nach sehr unglücklich gewählt, denn laut Computertechnologie bedeutet ein Neustart ja immer die Rückkehr zu einem alten System und alten Positionen. Aber Russland und die USA dürfen nicht zurück in die Vergangenheit - wir brauchen neue Positionen und Ansätze."

    Die im Mai begonnenen Verhandlungen zur atomaren Abrüstung sind ein erster Schritt und werden nun von Medwedew und Obama persönlich weitergeführt: Russland und Amerika wollen ein neues Abkommen, das die Zahl von Atomwaffen begrenzt. Doch darauf wird Russland sich wohl nur einlassen, wenn Obama die Pläne für den in Osteuropa geplanten Raketenabwehrschild wesentlich verändert. Offiziell ist das System gegen den Iran gerichtet, doch schon der ehemalige Präsident Wladimir Putin machte deutlich, dass Russland es als Bedrohung für die eigene Landessicherheit sieht. Medwedew hat Obama kürzlich einen Gegenvorschlag für einen gemeinsamen Abwehrschild gemacht. Dmitrij Trenin, Direktor des Moskauer Carnegie-Zentrums:

    "Ein neues Atomabrüstungsabkommen würde die Stimmung zwischen den USA und Russland verbessern - mehr aber auch nicht. Ein wirklicher Erfolg wäre es, wenn man sich nicht nur auf Veränderungen der bisherigen Raketenabwehrpläne einigen könnte, sondern auf ein ganz neues gemeinsames Raketenabwehrsystem - zum Beispiel unter Beteiligung der EU. Das wäre ein großes Zeichen von gegenseitigem Vertrauen. Aber auf dem Weg dorthin gibt es auf beiden Seiten viele Schwierigkeiten, sowohl politischer als auch psychologischer Natur."

    Das Misstrauen sitzt vor allem auf russischer Seite tief: Man wirft der US-Administration vor, dass sie zu Unrecht Einfluss auf ehemaligem Sowjetgebiet nimmt, indem sie die NATO immer weiter nach Osten ausdehnt und Länder wie die Ukraine und Georgien unterstützt. Dass Obama nun angekündigt hat, während seines Besuches ausgerechnet der russischen Oppositionszeitung "Nowaja Gazeta" ein Interview zu geben, dürfte in gewissen Kreisen der Kremlmacht bestehende Vorurteile bestätigen, so Trenin.

    "Es gibt einflussreiche Personen in der russischen Führung, die der Meinung sind, dass die USA einen Geheimplan verfolgen mit einem einzigen Ziel. Und das heißt: Russland zerstören. Diese Menschen werden Medwedew vor jeglichen Absprachen mit Obama warnen, da sie glauben, dass die US-Führung Russland dann von innen infiltrieren könnte."

    Die Mehrheit der russischen Bevölkerung teilt diese Ängste zwar nicht. Aber statt Obama-Begeisterung herrscht eher Pragmatismus, so wie bei Marina Schulgina, die im Starlight Diner gerade Erdbeereis isst.

    "Zwei so große Länder müssen eine gemeinsame Sprache finden und ihre beiden Führer haben keine Wahl: Sie müssen sich verstehen."