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Mit Doppelklapp zum Sieg

Technik. - Die Schlittschuhe auf zugefrorenen Seen dürften bald "out" sein, denn die Technik verabschiedet sich von der starren Kufe. Ein neues Konzept indes verhilft dem Läufer zu längerem Kontakt mit dem Eis und höherer Geschwindigkeit.

Von Volker Mrasek | 22.02.2006
    Es klingt so ein bisschen wie Kastagnetten ...

    "Am Start wird es dann so gehen, dass das Tack-Tack-Tack-Tack-Tack geht. Und dann bei den Langstrecken ist es dann Tack ... Tack ... Tack, also relativ langsam."

    Knut Morgenstern ist Eisschnellläufer im deutschen Nationalkader. Auch der Mann aus Chemnitz produziert dieses Getackere, wenn er auf Kufen über die Bahn flitzt. Pur hört man es besser: Da schlägt etwas aufeinander. Es sind der Absatz an der Ferse des Schlittschuhs und der hintere Teil der Kufe. Schuh und Laufschiene sind nämlich nicht fest miteinander verbunden beim heute üblichen Wettkampf-Modell. Die Ferse hebt bei jedem Schritt ab, die Kufe aber bleibt im Kontakt mit dem Eis. Eine Rückholfeder lässt die Kufe dann wieder zurückschnappen. So entsteht das Klack-Geräusch. Man spricht vom Schlittschuh mit Klappmechanismus:

    "Der normale Klappschlittschuh besteht aus einem Klappgelenk, was sich im Bereich der Zehspitze etwa befindet. Und somit kommt es beim Abdruckvorgang zu einem Öffnen des Schlittschuhs. Der Schlittschuh bleibt länger auf dem Eis, und es kann damit gegenüber einem Nicht-Klappschlittschuh eine größere Vortriebskraft erreicht werden."

    "Die werden sich das alles ganz genau angeguckt haben."

    Thomas Härtel hat sich das mit dem Klappschlittschuh tatsächlich sehr genau angeschaut ...

    "Und sie werden das anpassen."

    ... anpassen. Und weiterentwickeln! Härtel ist Ingenieur am Institut für Mechatronik in Chemnitz. Dort, an der Technischen Universität, gibt es auch Sportgerätetechniker. Gemeinsam arbeiten die Chemnitzer Forscher derzeit an einem neuen Eisschnelllauf-Schuh, von dem sie hoffen, dass er noch besser gleitet. Ein Modell mit einem zusätzlichen Gelenk. Es sitzt ganz vorne in der Schuhspitze, noch vor dem üblichen Klappgelenk zwischen Schuh und Kufe. Deswegen spricht man auch vom Doppel-Klapp-Schlittschuh.

    "Beim Doppelklappschlittschuh gibt’s ein zweiphasiges Aufklappen des Schuhs in der Abstoßphase. Zuerst öffnet sich das Schuhgelenk. Und dann kommt es zum Öffnen in dem Klappgelenk."

    "Das bringt natürlich schon mal Vorteile."

    "Also man kann länger auf dem Eis stehen und im Bereich der Zehen mehr Kraft übertragen."

    "Lange auf der Kufe stehen. Lange hinten abschieben."

    "Man muss sich das vorstellen wie beim Laufsport. Es gibt diese Plantarflexion in der Abdruckphase. Das ist eigentlich das Abstoßen im Großzehen-Grundgelenk, also die aktive Arbeit, wenn man sich mit den Zehen abdrückt. Und dieser Effekt soll durch den Doppelklappschlittschuh jetzt mit verwendet werden."

    "Denn das ist die Kunst: Ohne große Anstrengung hier schnell sein."

    Eigentlich hätte das Doppelklapp-Modell zu den Olympischen Winterspielen fertig sein sollen. Ausgiebig wurde es vom Chemnitzer Eisschnellläufer Knut Morgenstern getestet:

    "Und da kommt er angejagt, angeflogen."

    Doch Materialentwicklung und Praxiserprobung kosteten am Ende viel Zeit - mehr als auch Projektmitarbeiter Jens Heidenfelder von der Technischen Universität Chemnitz gedacht hatte. Zumal die Forscher nichts unversucht ließen. Zeitweilig experimentierte Heidenfelder sogar mit biegsamen Schuhsohlen anstelle von Metall-Gelenken ...

    "Das heißt es wurde mit kohlefaserverstärkten Kunststoffen gearbeitet, die also so beschaffen sind, dass sie in einem bestimmten Bereich bei Krafteinwirkung sich verformen und damit eine Art Gelenk simulieren können."

    Knut Morgenstern hat sich zwar am Ende nicht für Olympia qualifiziert. Sein Experimental-Schlittschuh aber ist in Italien dabei. Der deutsche Cheftrainer Helmut Kraus habe ein Paar des Prototyps mitgenommen, wie Thomas Härtel sagt:

    "Er will jetzt in diesem Zeitraum versuchen, selbst Trainingsrunden zu drehen, um das auch besser beschreiben zu können: Welche Änderungen wären jetzt noch sinnvoll? Und er will eigentlich auch die Weiterentwicklung des Doppelklappschlittschuhs dann forcieren."

    "Eine andere Art zu laufen. Da steckt mehr Power drin..."

    Vielleicht können deutsche Athleten ja dann wenigstens bei den nächsten Winterspielen sagen: Doppelt geklappt läuft besser ...

    "Das ist nicht nur so eben vorbeigekämpft. Das war ’ne Demonstration."