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Mit einem Bein im Knast

Investigativer Journalismus wird immer wichtiger, doch die, die ihn betreiben, stehen oft mit einem Bein im Gefängnis. Jüngstes Beispiel hierfür ist ein gerade beendeter Prozess gegen zwei niederländische Journalisten vor dem Amtsgericht Eschweiler.

Von Klaus Deuse | 11.02.2012
    "Ich erzählte das meinen Freunden und meiner Familie. Und die sagten: Mensch, das ist ein schlechter Witz, das kann nicht sein."

    Deutsche Staatsanwälte machen allerdings keine Witze. Die Anklage gegen den niederländischen Fernsehjournalisten Jan Ponser und seinen Kollegen Jelle Visser vom öffentlich-rechtlichen Nachrichtenmagazin "Een Vandaag" lautete: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Bei erwiesener Schuld hätte den Angeklagten nach § 201 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren gedroht. Ein Vorgang, der nicht nur die breite Öffentlichkeit in den Niederlanden irritierte.

    Medien in aller Welt, bis hin zur "New York Times", berichteten ausführlich über die Hintergründe des Prozesses. Zur Last gelegt wurde den beiden Journalisten, den wegen Mordes an drei Niederländern verurteilten SS-Verbrecher Heinrich Boere ohne dessen Zustimmung interviewt und dabei mit versteckter Kamera gefilmt zu haben. Nach den Worten von Jelle Visser habe man von Boere wissen wolle, ob er seine Taten nun im hohen Alter bereue. Doch das sei nicht der Fall gewesen – und das habe man der Öffentlichkeit nicht verschweigen wollen.

    In den Niederlanden hatte der Presserat an der Veröffentlichung des Materials übrigens keinen Anstoß genommen. Der Prozess vor dem Amtsgericht Eschweiler kreiste für Jelle Visser letztlich um eine Kernfrage:

    "This is about the freedom of the press. That’s what it is all about.”"

    Nicht nur für Visser ging es um die Pressefreiheit. So erklärte Günter Wallraff gegenüber dem Medienmagazin "Zapp" des Norddeutschen Rundfunks:

    ""Ich fordere, dass es in bestimmten Situationen, wo ein gravierendes Unrecht, unter Umständen kriminelle Methoden Rechte von einzelnen überfahren, dass es da ne Möglichkeit gibt, so was auch öffentlich zu machen, sichtbar zu machen, ohne dass derjenige damit kriminalisiert wird. Das müsste von einem obersten Gericht neu überprüft werden."

    Auch für investigativen Journalismus in Deutschland. Das Gericht befand in dem nicht so prompt zu erwartenden Freispruch der holländischen Journalisten, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit habe schwerer gewogen als der Persönlichkeitsschutz Boeres. Oder wie es der beim Landgericht Aachen zuständige Pressereferent Dr. Georg Winkel im Juristendeutsch ausführt:

    "Zum einen konnte eine Tatbeteiligung des einen Angeklagten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Hinsichtlich des zweiten Angeklagten ist das Gericht davon ausgegangen, dass er einem sogenannten unvermeidlichen Verbotsirrtum unterlag, indem er nämlich subjektiv davon ausging, dass das vorliegende Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwogen habe."

    Der Deutsche Journalistenverband (DJV) begrüßte den Freispruch grundsätzlich. Allerdings vermisst Michael Konken, der DJV-Bundesversitzende, in der Urteilsbegründung klarstellende Worte des Gerichts wie:

    "Wir müssen solche Fälle in die Öffentlichkeit bringen. Und deswegen war es hier in dem Fall auch richtig, mal mitzuschneiden, weil das doch um die Gräueltaten des Naziregimes ging."

    Unabhängig von diesem Fall pocht Konken auf mehr Rechtssicherheit für Journalisten. So liege seit über einem Jahr im Bundestag ein Gesetz auf Eis, das den Informantenschutz absichern soll. Doch da, moniert Konken, tue sich die Politik ausgesprochen schwer.

    "Wir merken, glaube ich, dass der investigative Journalismus immer wichtiger wird für eine Demokratie, wo wir als Journalisten ja die Aufgabe für die Öffentlichkeit wahrnehmen, dass da diese Recherchen, diese Arbeit die wir machen, auch besser abgesichert wird. Im Rahmen des Grundgesetzes natürlich. Da sind Journalisten immer wieder bei investigativen Themen so mit einem Fuß fast auf der Anklagebank."

    Darüber lässt sich nach diesem Prozess in Deutschland gegen niederländische Journalisten trefflich nachdenken.