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Mit französischer Leichtigkeit

"Unsere schönste Trennung" ist eine Achterbahnfahrt durch die Welt der Beziehungskisten und der ewigen Suche nach der wahren Liebe, eine Achterbahnfahrt mit Kick ins Märchenhafte. David Foenkinos´ Gespür für Peinlichkeiten, Groteskes und ironische Seitenblicke gibt seinem Roman Witz und Tempo.

Von Christoph Vormweg | 25.06.2010
    Die sprichwörtliche "französische Leichtigkeit": auch in der Literaturkritik gehört sie zu den gängigen Klischees. Bei den Romanen von David Foenkinos ist man geneigt, sie herbeizuzitieren. Allerdings ist die Leichtigkeit seiner Prosa eine mit Widerhäkchen.

    Ich sage bewusst Widerhäkchen und nicht Widerhaken. Denn die Irritationspotenziale seiner Geschichten von Liebe und Lust sind – bei aller Tragik - immer humorgetränkt. Der Leser soll bestens unterhalten werden und trotzdem nicht ganz ungeschoren davonkommen.

    "Ah, das Rezept meiner Schriftstellerküche! Also: Die Handlung ist entscheidend. Mit Psychologie will ich mich nicht belasten. Ich möchte, dass man die Figuren über ihr Agieren versteht. In 'Unsere schönste Trennung' geht es um ein Paar, das sich ständig streitet. Wie kann da eine Versöhnungsszene aussehen? Ein Beispiel. Als Fritz wieder einmal die Nase voll hat von seiner Verlobten Alice, holt er sie von der Uni ab, mit einem Schild um den Hals, auf dem steht: 'Du kannst mich mal!' Da kommt sie näher und sagt: 'Und du, du kannst mich auch mal.' Für mich ist das eine Liebesszene, die Definition der Liebe. Ich versuche, komische Szenen und Situationen zu finden, um Dinge zu definieren, die uns auf eine allgemeine Weise berühren.

    Existenzielle Schwere ist David Foenkinos ein Gräuel. Auch aus den Jammertälern der Liebe zieht er Pointen en masse. Schließlich heißt der Roman im französischen Original "Nos séparations", "Unsere Trennungen" – und nicht wie in der deutschen Übersetzung "Unsere schönste Trennung". Und sinnigerweise können auch Scherze das Unheil herauf beschwören. So hat Fritz, erzogen in einem linken 68er-Haushalt, monatelang darauf gewartet, endlich den gutbürgerlichen Eltern von Alice vorgestellt zu werden. Als es endlich so weit ist, sorgt er für einen Eklat: Auf die banale Frage, wie sie sich kennen gelernt haben, antwortet er mit dem banalen Scherz: im Swingerclub.

    "Ich denke, man sollte alle Bereiche des Spiels nutzen: Situationsspiele, Sprachspiele et cetera. Ich amüsiere mich gern mit der Sprache. Aber ich mag es auch, mit dem Leser zu spielen. Ich füge Anmerkungen ein, ich lasse in all meinen Büchern zwei Polen auftreten, es gibt Obsessionen, die immer wieder auftauchen. Zum Spiel mit der Sprache gehört für mich auch das Spiel mit intertextuellen Bezügen, das Spiel mit der ganzen Vorstellungswelt des Autors. Ich bemühe mich da um Kohärenz. Denn man hat einen bestimmten Typ von Humor. Was mich interessiert, ist, eine bestimmte Art und Weise zu haben, witzig zu sein. Und die Spiele mit der Sprache tragen dazu bei."

    Seinen ganz eigenen Humor hatte David Foenkinos schon in seinem preisgekrönten Roman "Das erotische Potential meiner Frau" gefunden. Die Rhythmen seiner Prosa hat er jedoch weiter perfektioniert: genauso wie seine Geduld beim Setzen der Pointen. Er ist ein Meister im Beobachten der kleinen Absurditäten im Beziehungsalltag. Und er versteht es, diese Absurditäten virtuos zu überdrehen - etwa die Vögelbeziehung, auf die sich Fritz nach der ersten großen Trennung von Alice einlässt: mit der Personalchefin des berühmten Verlagshauses Larousse, wo er Kurzbiografien für die Enzyklopädie beisteuert.

    Die Sexsucht dieser verheirateten Frau hat Fritz bei weitem unterschätzt. Denn nach der Versöhnung mit Alice zwingt sie ihn zu weiteren Treffen. Sie erpresst sogar die letzte Nacht vor der Hochzeit. Mehr noch: Sie lässt die Hochzeit platzen – womit wir bei "unserer schönsten Trennung" wären, die der Titel der deutschen Übersetzung herausstellt.

    "Melancholie, Nostalgie, Dinge, die schief laufen – so etwas interessiert mich. Deshalb mag ich Antihelden, die sich uns entziehen, vor allem Komödiantisches. Ich suche immer Stoffe, die Heiterkeit erzeugen, selbst traurige Dinge aus dem Leben. Ich brauche Szenen, die ich mit einer Art erheiternder Pirouette abschließen kann. Wenn man Bücher schreiben will, die sich dem Leben annähern, dann sind sie zwangsläufig tragikomisch."

    Komplizierte, chaotische, ja, anarchische Liebesbeziehungen: Das sind die Lieblingsstoffe von David Foenkinos. Seinem Ich-Erzähler Fritz folgt man da willig und kichernd auf alle Abwege. Denn nach der geplatzten Hochzeit regiert der pure Zufall. Warum er Krawattenverkäufer in der tiefsten Provinz wird, warum er sich in eine Schriftstellerin verliebt, über deren Allüren er sich wunderbar mokiert und mit der er aufgrund ihrer Schreibblockade einen Sohn namens "Roman" zeugt – das alles sei hier nicht verraten.

    In jedem Fall: die Geschichte der Trennungen von Fritz und Alice findet in der Zukunft, im Jahr 2011, ihre Fortsetzung. Mit anderen Worten: "Unsere schönste Trennung" ist eine Achterbahnfahrt durch die Welt der Beziehungskisten und der ewigen Suche nach der wahren Liebe, eine Achterbahnfahrt mit Kick ins Märchenhafte. David Foenkinos´ Gespür für Peinlichkeiten, Groteskes und ironische Seitenblicke gibt seinem Roman Witz und Tempo. Wir amüsieren uns - und sind doch immer wieder betroffen, ja getroffen. Denn jede erste große Liebe hat, egal wie sie endet, ihre eigene magische Langzeitwirkung.

    David Foenkinos: Unsere schönste Trennung.
    Roman. Aus dem Französischen von Christian Kolb.
    C.H.Beck Verlag, München 2010.
    208 Seiten, 17,95 Euro.