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Mit geballter Faust in der Tasche

Ich habe eine gute Stelle, daher ist mein Ziel nicht ein Futtertrog. Mich hat dieses System gestört, das Lukaschenko aufgebaut hat, in dem alle Menschen unter Angst leben. Ich möchte nicht, dass im Land die ganze Macht in den Händen eines einzelnen Menschen liegt. Ich möchte eine demokratische Republik hier sehen mit einem arbeitsfähigen Parlament. Ich möchte, dass alle Führungskräfte frei arbeiten können, ohne Angst zu haben, jederzeit ins Gefängnis kommen zu können. Das ist das Wichtigste. Daher nehme ich an diesen Wahlen teil.

Jelena Sherzdeva | 08.09.2001
    Ich habe eine gute Stelle, daher ist mein Ziel nicht ein Futtertrog. Mich hat dieses System gestört, das Lukaschenko aufgebaut hat, in dem alle Menschen unter Angst leben. Ich möchte nicht, dass im Land die ganze Macht in den Händen eines einzelnen Menschen liegt. Ich möchte eine demokratische Republik hier sehen mit einem arbeitsfähigen Parlament. Ich möchte, dass alle Führungskräfte frei arbeiten können, ohne Angst zu haben, jederzeit ins Gefängnis kommen zu können. Das ist das Wichtigste. Daher nehme ich an diesen Wahlen teil.

    Wladimir Gontscharik ist der Vorsitzende der staatlichen Gewerkschaften in Weißrußland - oder wie das Land offiziell heißt "Belarus". Und: Er will Präsident werden. Am Sonntag wird der 61jährige als gemeinsamer Kandidat einer demokratischen Bewegung gegen den im In- und Ausland so umstrittenen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko antreten. "Nur gemeinsam können wir Lukaschenko besiegen”, lautet der Appell der oppositionellen Parteien in der Hauptstadt Minsk. Sie haben ihre Lehre gezogen aus dem Jahr 1994. Damals – als der frühere Kolchos Direktor Alexander Lukaschenko in Belarus an die Macht kam – hatten viele der heutigen Oppositionsführer für ihn gestimmt. So wie der Vorsitzende der Vereinigten Bürgerpartei, Anatolj Lebjedka, der sich nur zu gut an den Präsidentschaftswahlkampf vor sieben Jahren erinnert:

    Ich leide bis heute an dem sogenannten Syndrom des Jahres 1994. Ich möchte jetzt auf keinen Fall noch einmal die Fehler machen, die wir damals gemacht haben. Damals hatten wir keinen gemeinsamen Kandidaten, und das hat dazu geführt, dass sich die demokratischen Kräfte in drei Gruppen gespalten haben und jede Gruppe einen eigenen Wahlkampagne gemacht hat, gegen den Kommunisten Kebitsch. Das gesamte demokratische Potenzial des Landes wurde durch Drei geteilt. Und das hat uns einen schlechten Dienst erwiesen. 1994 stimmten viele meiner Parlamentskollegen für Lukaschenko - nicht, weil sie in ihm einen Demokraten gesehen haben, sondern weil wir keine Alternativen hatten. Und wir hatten gehofft, dass wir durch ihn ein demokratisches Land aufbauen können. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass dieser Mensch so machtsüchtig ist. Das konnte keiner vorhersagen.

    Es ist aber anders gekommen, als viele damals gedacht haben. Lukaschenko verschaffte sich 1996 durch ein massiv gefälschtes Referendum fast uneingeschränkte politische Macht. Er hob die Gewaltenteilung faktisch auf und löste das demokratisch gewählte Parlament auf. An seine Stelle trat eine Volksversammlung, deren Vertreter der Präsident persönlich aussuchte. Und die Lukaschenko-Kritiker, vor allem die frei gewählten Abgeordneten des aufgelösten Parlaments, befanden sich plötzlich außerhalb aller staatlichen Institutionen. Sie organisierten zwar Demonstrationen, blieben aber lange untereinander zerstritten und schafften es nicht, eine schlagkräftige demokratische Gegenbewegung zu Lukaschenko aufzubauen. Nikolaj Statkjewitsch, Chef der belorussischen Sozialdemokraten, weiß, dass das Bild der Opposition in der Öffentlichkeit dadurch sehr gelitten hat:

    Die Opposition ist in unserem Land sehr unpopulär. Sie war sehr zerstritten und hat es in diesen fünf Jahren nicht geschafft, einen Zugang zu den Menschen zu finden. Wir haben natürlich Straßenaktionen gemacht, und das hat dazu geführt, dass sich die Opposition sehr radikalisiert hat. Andererseits hatte die Opposition in dieser ganzen Zeit auch keinen Zugang zu den elektronischen Medien - und wir sind ja eine außerparlamentarische Opposition. Diese ganzen Jahre über hat die Mehrheit der Bevölkerung die Opposition nur im Zerrspiegel des offiziellen belorussischen Fernsehens gesehen. Daher sollte man keine großen Hoffnungen auf eine steigende Autorität der Opposition legen.

    Die Erkenntnis eigener taktischer Fehler führte im Vorfeld der jetzigen Präsidentschaftswahl zu einem neuen Bündnis der Lukaschenko-Kritiker. Im Frühjahr bestimmten alle Parteien - vom kommunistischen linken bis zum rechts-nationalen Spektrum – fünf mögliche Präsidentschaftskandidaten. Außer dem Vorsitzenden der oppositionellen Kommunisten, Sergej Kaljakin, gehörte keiner von ihnen irgend einer Partei an. Die Mindestzahl von 100.000 Stimmen, die das weißrussische Wahlgesetz vorsieht, damit jemand als Präsidentschaftskandidat registriert werden kann, schafften offiziell nur zwei der fünf Herausforderer: der frühere Bürgermeister des Grodnoer Gebiets, Semjon Domasch, und der Gewerkschaftsvorsitzende Wladimir Gontscharik.

    Die Opposition entschied sich schließlich für Gontscharik. Für viele - eine Enttäuschung. Der gelernte Ökonom kann auf die Vorzeigekarriere eines Apparatschiks zurückblicken: vom Sekretär eines Bezirkskomitees des Kommunistischen Jugendverbandes bis zum stellvertretenden Abteilungsleiter im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Weißrusslands. Sein zielstrebiger Werdegang wurde vom sowjetischen Staat mit den Medaillen "Für heldenmütige Arbeit" sowie dem "Orden der Volksfreundschaft" ausgezeichnet. Erst vor kurzem hat sich Gontscharik, der bereits 15 Jahre die staatlichen belorussischen Gewerkschaften leitet, der Opposition angenähert. Zuvor unterstützte er Machtinhaber Lukaschenko. Für den Sozialdemokraten Statkjevitsch - wie für viele seine Oppositions-Kollegen - ist Gontscharik trotzdem eine fast ideale Kompromissfigur:

    Der Kandidat sollte nicht aus den Reihen der Opposition kommen. Er sollte nicht nur die demokratische, sondern eine breite Mehrheit vertreten, die für Veränderungen im Land ist. Unser Kandidat sollte auch von Seiten der Bevölkerung unterstützt werden, aber auch von der Nomenklatura, vom Westen und von Russland. Uns war dabei besonders die Unterstützung der Nomenklatura wichtig. Wir haben keine Möglichkeit den Wahlprozess zu beeinflussen. Sie aber hat diese Möglichkeit.

    Die Opposition hat nun auf Wladimir Gontscharik gesetzt. Auch die Stimmen der Gewerkschaftsmitglieder sollen ihrem Chef zum Sieg verhelfen. Immerhin sind 4-einhalb Millionen Belorussen in diesem Verband - fast die Hälfte der Bevölkerung. Ob dieses Kalkül allerdings aufgeht, ist zumindest nach Ansicht von politischen Analytikern in Minsk zweifelhaft. Denn: Ein Machtfaktor, wie etwa in Westeuropa, sind die Gewerkschaften in der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus nicht. Swetlana Naumova, Direktorin des Forschungsinstitus für Politische Studien in Minsk, meint sogar:

    Es ist eine große Schwäche von Gontscharik, dass er die belorussischen Gewerkschaften leitet. Und zwar seit 15 Jahren. Denn die meisten Menschen betrachten die Gewerkschaften sehr misstrauisch. Die sowjetischen Gewerkschaften ließen sich mit jenen im Ausland nie vergleichen. Sie haben die Arbeiter nie unterstützt oder für sie gekämpft. Daher sind die mehr als vier Millionen Gewerkschafter keine geschlossene Gruppe, die bereit wäre, für ihren Chef zu stimmen. Noch mehr: Neun von zehn Mitglieder wissen nicht einmal, dass Gontscharik ihr Chef ist. Und das ist traurig.

    Auch der Opposition in Minsk ist bewusst, dass die Bekanntheit von Gontscharik nicht weit über die staatlichen Amtsstuben hinaus geht. Dies aber in einem nur einen Monat dauernden aktiven Wahlkampf zu ändern, ist sehr schwierig. Nur mit einer aggressiven Wahlkampagne könne man in so einer kurzen Zeit Menschen abwerben, empfahlen Wahlberater.

    1994 gewann Lukaschenko die Wahl mit einem Antikorruptions-Programm. 2001 setzte die Opposition auf ein anderes Pferd: Gontscharik eröffnete seine Kampagne mit einem Brief an Lukaschenko, der durch sämtliche unabhängige Zeitungen ging. Darin teilte er dem Präsidenten mit, dass im Land eine Sondereinheit der Polizei - eine sogenannte "Todes- Schwadron" - Auftrags-Morde ausübt. So soll sie vor zwei Jahren den früheren Vizeregierungschef Viktor Gontschar und dessen Freund, den Geschäftsmann Anatolij Krassowskij, umgebracht haben. Nach den Informationen, die Gontscharik zugespielt wurden, geschahen die politischen Morde im Land auf Befehl von Innenminister Siwakow und dem ehemaligen Sicherheitschef Schejman. Dass die angeblichen Morde nicht ohne Lukaschenkos Wissen passierten, vermuten viele Oppositionelle.

    Auf seiner Wahlkampf-Tour durch die weißrussische Provinz machte Wladimir Gontscharik das Schicksal der Verschwundenen immer wieder zum Thema. Seine Botschaft lautete: Menschen, die offenbar ihre Gegner kaltblütig ermorden lassen, darf man nicht wiederwählen.

    Ich sage es noch mal: Wohin aus der Staatskasse die Millionen von Dollar verschwunden sind, müssen wir in Erfahrung bringen. Für Fehler in der Wirtschaft darf man Menschen nicht vor Gericht stellen. Aber sollte jemand Blut an seinen Händen haben ... werden wir das klären. Hat er keine Schuld daran, wird er die vom Gesetz vorgesehene Staatsrente beziehen.

    Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Soligorsk, einer Bergbaustadt 150 Kilometer südlich von Minsk. Gontscharik spricht im örtlichen Stadion, versucht, etwa 2.000 Kumpel aus den nahen Kali-Werken zu überzeugen, dass sieben Jahre Lukaschenko genug seien. Das Land brauche dringend wirtschaftliche Reformen, und Schluss müsse sein mit der internationalen Isolation des Landes. "Wir werden nicht Feinde, sondern Freunde suchen, im Osten wie auch im Westen", verkündet Wladimir Gontscharik. Und dann sagt er schließlich, worauf viele auch noch warten:

    Die letzte Information, die ich aus Moskau bekommen habe, ist folgende: Wir dürfen keinen groben Fehler machen. Zweitens: Russland wird neutral bleiben. Drittens: Meine Person kann Moskau annehmen, und im Falle eines Sieges stehen uns die Türen offen.

    Alle überzeugen kann der Gewerkschafter damit aber nicht. Hier in der belorussischen Provinz hat Lukaschenko seine meisten Anhänger. Doch selbst jene, die an diesem Abend so begeistert klatschen, sind eigentlich nicht wirklich für Gontscharik – sondern eher: gegen Lukaschenko. Grigorij Fjodorovitsch, ein Rentner bekennt sich zu seiner Entscheidung mit einer Prise Ironie:

    Sehen sie, Lukaschenko hat seine Versprechen nicht erfüllt. Wir sollten ihm noch Zeit geben, dass er sie erfüllt. Deshalb muss man wahrscheinlich diesen Lukaschenko unterstützen.

    Auch die Wahl des 26jährigen Finanzkaufmanns Alexander klingt eher wie eine Notentscheidung:

    Selbstverständlich werde ich für Wladimir Iwanowitsch Gontscharik stimmen. Ich kenne ihn zwar nicht sehr gut, werde aber trotzdem für ihn stimmen, nur um nicht zuzulassen, dass der heutige Präsident weitermacht. Denn diese sieben Jahre seiner Regierung haben das Land nicht nach vorne gebracht, sondern umgekehrt in den Ruin getrieben. Die Angestellten meiner Abteilung werden alle für Gontscharik stimmen. Wir sind bereit, für Jeden zu stimmen, nur nicht für den Präsidenten.

    Die vielfache Skepsis, die Gontscharik allerdings außerhalb der Hauptstadt Minsk entgegenschlägt, ist nicht verwunderlich. Lukaschenkos Propagandamaschine über die staatlichen Massenmedien bleibt nicht ohne Wirkung. Zwei Auftritte im Fernsehen zu je einer halben Stunde und das Recht, das Wahlprogramm in der staatlichen Presse zu veröffentlichen, haben im Wahlkampf auch seine Gegenkandidaten erhalten: Für die Opposition ist dies schon ein Luxus. Denn seit Jahren ist für sie der Zugang zu den staatlichen Medien versperrt. Die soziologische Gruppe "Nowak" hat jetzt errechnet, dass sich 91 Prozent der den Wahlen gewidmeten Sendezeit in den elektronischen Medien um Präsident Lukaschenko drehen. Täglich sind im Fernsehen seine Warnungen an die Bevölkerung zu hören:

    Sie müssen die heutige Situation objektiv betrachten. Ja, wir haben nicht so viel getan, wie wir wollten. Das konnten wir ja auch nicht, nachdem diese Leute, die heute ihren Präsidenten beschimpfen, damals die Sowjetunion aufgelöst und damit das Land in den Abgrund getrieben haben. Es sind einige Jahre vergangen, und diese Leute, die das Land ruiniert haben, wollen wieder an die Macht. Und versprechen euch goldene Berge. Aber die werden sie euch nicht geben.

    Die demokratische Bewegung in Belarus ist verantwortlich für die Auflösung der Sowjetunion und den Niedergang des Landes: In den Köpfen vieler Menschen bleiben solche Botschaften hängen - unabhängig von ihrem tatsächlichen Wahrheitsgehalt.

    Allerdings: Auch Alexander Lukaschenko steht heute längst nicht mehr auf so sicherem Boden wie noch vor sieben Jahren. Konnte er damals mit einer Zustimmung von 86 Prozent der Bevölkerung den Präsidentensessel besteigen, kann er heute nur noch mit der Hälfte der Stimmen rechnen. Und es sind mittlerweile nicht nur Lukaschenkos Gegner, sondern auch viele aus seinem eigenen Machtapparat bereit, gegen ihn zu stimmen. Das bestätigte auch Wladimir Gontscharik, der Lukaschenkos Apparat von innen kennt. Zu offenem Protest fehlt den Meisten jedoch der Mut, meint die Politologin Naumova:

    Die Haltung der Nomenklatura kann man mit dem Ausdruck "Die geballte Faust in der Tasche" umschreiben. Sie ist bereit zu protestieren, aber möglichst leise. Sie ist bereit zu Veränderungen, aber das Äußerste, zu dem die Nomenklatura heute fähig ist: Geheim und privat in der Wahlkabine voller Schadenfreude - Lukschenkos Namen von der Liste streichen.

    Offener Protest kommt heute vor allem von Großstädtern und Jugendlichen. So hat sich in Minsk eine neue Jugendgruppe gebildet, die sich "Subr" - zu deutsch: "Bison" nennt. Einer der Leiter der Jugendbewegung, Januk Latuschka, rief in der vergangenen Woche seine Mitstreiter auf, am Sonntag für Gontscharik zu stimmen. "Mir gefällt Wladimir Gontscharik ebenso wenig wie euch, wählt ihn aber trotzdem. Denn damit stimmen wir nicht für eine konkrete Person, sondern für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wir stimmen damit gegen Lukaschenko und für Veränderungen". Für Hans Georg Wieck, der seit mehr als drei Jahren die Beratungsgruppe der OSZE in Minsk leitet, sind solche Aufrufe symptomatisch für die gesellschaftlichen Veränderungen, die in den vergangenen Jahren in Belarus zu beobachten waren:

    Etwas anderes ist eingetreten: Und zwar, dass die zivile Gesellschaft demokratischer und Demokratie-bewusster geworden ist in der Auseinandersetzung mit dem autoritären, von der Verfassung so vorgegebenen System. Und heute gibt es eine breite Koalition für einen Kandidaten. Und das ist alles nur möglich, weil es sich im Gesamtbewusstsein des Landes, der Bevölkerung, eine stärkere Hinwendung zu liberal-demokratischen Ideen, pluralischen gesellschaftlichen Ideen gibt.

    Laut letzten Umfragen kann Wladimir Gontscharik sicher mit 20 Prozent der Stimmen rechnen, Lukaschenko immer noch mit 44 Prozent. Ein Viertel der Weißrussen hat sich offenbar immer noch nicht entschieden. Wer ihre Stimmen erhält, wird sich erst an den Wahlurnen zeigen. Rein rechnerisch könnte es sogar zu einem zweiten Wahlgang, zu einer Stichwahl, kommen. Dies allerdings schließen politische Beobachter in Minsk schon jetzt eher aus. Denn, dass die Wahlen fair und demokratisch verlaufen werden ist unwahrscheinlich. Massive Wahlmanipulationen werden erwartet. Der Leiter der Wahlbeobachtungsmission der OSZE in Belarus, Hrair Balian, fasst seine Beobachtungen so zusammen:

    Dies ist eine der schwierigsten Wahlbeobachtungen, mit der wir es je zu tun hatten. Den internationalen und den lokalen Wahlbeobachtern ist nicht erlaubt, die Wahlurnen und die Stimmzettel eines Wahllokals am Sonntagabend auf ihrem Weg über die Zwischenstationen bis hin zur Zentralen Wahlkommission zu begleiten. Dies ist ein wesentlicher Mangel an Transparenz, denn alles kann während dieser Zeit passieren.

    Den vorläufigen Schätzungen zufolge werden etwa 80 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gehen. Nach sieben Jahren der autoritären Regierung von Lukaschenko wollen sowohl seine Anhänger als auch seine Gegener endlich am politischen Leben des Landes teilhaben. Nicht zuletzt wegen der zu erwartenden Manipulationen glaubt in Belarus jedoch keiner so richtig daran, dass der Sonntag einen Machtwechsel mit sich bringen könnte. Die Politologin Swetlana Na-umowa resigniert eigentlich schon jetzt:

    Den Sieg von Lukschenko zweifele ich kaum an - leider. Aber es bleibt eine sehr wichtige Frage: Von welcher Qualität wird dieser Sieg sein? Eine totale Zustimmung wird Lukaschenko heute auf keinen Fall mehr bekommen. Fällt aber der offizielle Sieg trotzdem hoch aus, muss man schauen, in welchem Umfang diese Ergebnisse manipuliert worden sind. Denn, wenn nach der Wahl klar werden sollte, dass im Land ein breiter Widerstand existiert, es ein bestimmtes Oppositions-Potential gegen den Präsidenten in breiten Bevölkerungsschichten gibt, dann wird Lukaschenko damit in den nächsten Jahren konfrontiert sein. Ich denke, er wird gezwungen sein, die Wirtschaft des Landes zu öffnen. Politische Veränderungen schließe ich allerdings weitgehend aus. Einige Analytiker meinen, wenn Lukschenko siegt, wird er die fünf Jahre nicht durchhalten können. Denn die Ressourcen des Regimes haben sich jetzt schon fast erschöpft. Sie prognostizieren, dass Lukaschenko so oder so in zwei Jahren wird gehen müssen. Aber das will ich doch erst mal sehen.

    010908