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Mit Giften belastetet alte Dämmplatten
Die Entsorgungspreise sind explodiert

Dämmmaterialien aus Styropor waren lange quasi der Standard, wenn es um die Isolierung von Bauten ging. Und bislang konnten die Platten auch einfach entsorgt werden, selbst jene, die mit dem giftigen Flammschutzmittel HBCD behandelt wurden. Aber seit 1. Oktober gilt eine Gesetzesänderung, die schon zum Stopp von Sanierungsprojekten geführt hat.

Von Tonia Koch | 13.10.2016
    Ein Arbeiter sitzt auf einem Bau-Gerüst und montiert Styropor-Platten an einer Hausfassade.
    Ein Haus wird mit Styropor-Platten gedämmt. Die Entsorgung kann unter Umständen zum Problem werden. (Armin Weigel / dpa)
    Das Problem, sagt Dachdeckermeister Gerhard Güth, sei nicht irgendeins. Quasi jede Flachdachsanierung ob von privat genutzten Häusern, Fabrikhallen oder von öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder Sporthallen sei davon betroffen. Denn Styropor-Dämmplatten seien über Jahrzehnte verbaut worden. Und wenn auch nicht alle, so seien doch viele mit dem giftigen Flammschutzmittel HBCD behandelt gewesen.
    "Es ist schlicht so, dass der Referenzdämmstoff im Flachdach nicht mehr entsorgt werden kann und da er auch nicht gelagert werden kann auch eigentlich nicht ausgebaut werden kann. Es gibt tatsächlich Sanierungsprojekte im Bereich Abdichtungssanierung, sprich Flachdach, die gestoppt werden müssen."
    Die Klassifizierung der giftigen Dämmstoffe als gefährlicher Abfall hatte zur Folge, dass ab Inkrafttreten der Verordnung ab dem 1. Oktober die bewährten Entsorgungswege nicht mehr funktionierten. Da nur wenige spezialisierte Anlagen Sondermüll verbrennen dürfen, seien die Entsorgungskosten enorm gestiegen. Ausgehend von 180 Euro pro Tonne gemischter Bauabfälle seien die Preise für die Entsorgung HBCD belasteter Styroporplatten binnen einer Woche förmlich explodiert. "Wenn wir von 8.000 Euro pro Tonne sprechen, dann ist jedem klar, dass das Irrsinn ist."
    Die Bundesländer suchen nach Lösungen
    Die Bundesländer haben das entstandene Entsorgungschaos selbst verursacht und suchen inzwischen nach Lösungen. Das Saarland hat angekündigt, dass es mehr oder minder zur bewährten Praxis zurückkehren möchte: Bauabfälle wie bisher auch nicht nach Stoffgruppen getrennt, sondern in gemischter Form zu verbrennen. Heinrich Becker vom saarländischen Umweltministerium. "Der Abfall, wie er an den Baustellen im Saarland oder zu Hause anfällt, muss in seiner Zusammensetzung so sein, dass diese belasteten Bestandteile weniger als fünf Gewichtsprozent ausmachen an dem Gesamtbereich, das ist auf’s Volumen gerechnet ein bisschen weniger als die Hälfte. Das wird auch kontrolliert an den Annahmestellen."
    Damit werde verhindert, dass die Dämmstoffe den wenigen spezialisierten Müllverbrennungsanlagen angedient werden müssen. Ohnehin sei es nicht sinnvoll, die zwar leichten aber voluminösen giftigen Dämmplatten hunderte von Kilometern durch die Republik zu karren. Andere Bundesländer stellen ebenfalls Überlegungen in diese Richtung an. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat die Bundesländer bereits wiederholt aufgefordert, zur alten Regelung zurückzukehren. Die Länder seien übers Ziel hinausgeschossen. "Aus meiner Sicht ist es in der Tat so, die Länder haben durch den Bundesrat den Verordnungsentwurf, den wir gemacht hatten, noch einmal verschärft, die aus unserer Sicht nicht zwingend notwendig gewesen wäre, um die EU-Richtlinie umzusetzen. Denn wir sehen keinerlei Gefahr für Leib und Leben und für die Gesundheit der Menschen, wenn so wie bisher diese Kunststoffe zusammen mit anderen entsorgt würden, das hat auch bisher niemandem geschadet und wir sehen nicht ein, warum das jetzt so sein soll."
    Um das Flammschutzmittel HBCD vollständig zu zerstören, sind keine besonderen Müllöfen erforderlich, darauf weist das Umweltbundesamt hin. Auf eine weltweite Verbostliste ist der Stoff vor drei Jahren gekommen, weil das langlebige Gift sich in Organismen anreichern kann und gesundheitliche Schäden hervorrufen kann. Seit 2014 wird es daher in Deutschland nicht mehr eingesetzt. Ob und wann die Länder eine Bundesratsinitiative starten, um auch formal den alten Zustand wieder herzustellen, steht noch nicht fest.