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Mit Hilfe von Militär und Regimenter an die Macht

Katharina II, geborene Sofie von Anhalt-Zerbst, später bekannt als Katharina die Große, setzte sich in Russland für das höhere Bildungswesen ein, unterstützte die Erforschung des Landes bis weit hinauf unter den Polarkreis, und sie war eine geschickte Außenpolitikerin. Doch an die Macht gelang sie mittels eines Staatsstreichs - gegen ihren eigenen Mann, Zar Peter III.

Von Beatrix Novy | 09.07.2012
    Alexej Orlow erschien um sechs Uhr früh und weckte sie aus dem Schlaf. Als sie gehört hatte, dass keine Zeit mehr zu verlieren bleibe, erhob sie sich und fuhr in die Stadt.

    Kühl, undramatisch und in der dritten Person schrieb Katharina die Große in ihren Memoiren über den Tag, an dem sie ihrem Mann, Zar Peter, die Macht entwand. Man schrieb, nach dem gregorianischen Kalender, den 9. Juli 1762, als Peter III. den Thron aufgab.

    "Ich erkläre ohne Hass und ohne Zwang hiermit feierlich, nicht nur dem Russischen Reiche, sondern aller Welt , dass ich für mein ganzes Leben der Regierung über das Russische Reich entsage. "

    In Wirklichkeit war Peter III. gar nichts anderes übrig geblieben. Seine Frau Katharina hatte nach der bewährten Methode früherer Zarenthroneroberer die entscheidenden Militärs und Regimenter auf ihre Seite gebracht.

    Unter den Zurufen zahllosen Volkes gelangte die Kaiserin nach dem Winterpalast, wo der Synod, der Senat und alle hohen Würdenträger versammelt waren. Man setzte das Manifest und den Eid auf, und jedermann erkannte sie als Herrscherin an.

    Und wie immer gab es hinterher goldene Belohnungen für die Helfer. Aber der eifrigste Beförderer seines Untergangs war doch Peter selbst. Typisch, dass er, unbeherrscht wie immer, einen Monat zuvor seine Frau vor versammelter Tafel lauthals eine dumme Gans geschimpft hatte. Hocherfreut nutzte Katharina die Beleidigung - ein "vorzüglicher Anlass", den lang geplanten Umsturz ins Werk zu setzen.

    Hinter ihr lagen viele drückende Jahre als Kronprinzessin am Zarenhof, unter der Fuchtel einer launischen Herrscherin: der kinderlosen Zarin Elisabeth. Sie hatte die 15-jährige Katharina, Prinzessin von Anhalt-Zerbst, zwecks Regelung ihrer Nachfolgeprobleme nach Russland geholt. Und Katharina, sie hieß damals noch Sofie und wurde zu Hause "Fieke" genannt, war gar nicht abgeneigt, Elisabeths Neffen und Thronfolger zu heiraten.

    "Er sah aus wie ein Wurm, den ein Totengräber mit der Schaufel an die Erdoberfläche geworfen hat. Aber dieser Wurm war nun einmal der Enkel Peters des Großen und der Großneffe Karls XII. Deshalb gefiel er Fieke sehr. "

    Boshaft stellte der sowjetrussische Schriftsteller Anatoli Marienhof den legendären Ehrgeiz heraus, den die Prinzessin schon als halbes Kind an den Tag legte. Sie wollte die russische Krone, in Kauf dafür nahm sie einen Mann, der nicht dumm, aber offenbar verhaltensgestört war. Der jeden vor den Kopf stieß, trank wie ein Kosak und sein Bett zum Schlachtfeld für seine Zinnsoldaten machte. Dass Katharina ihr Bett anders nutzte, war ihm, wie jedermann, bekannt. Immerhin konnte es bei dem jungen Großfürstenpaar so unkompliziert zugehen, wie es einer von Katharinas Liebhabern 1758 beschrieb:

    "Ich kam abends an, gelangte über eine Geheimtreppe in das Zimmer der Großfürstin und fand hier den Großfürsten mit seiner Mätresse. Wir soupierten zusammen, und dann ging er mit seiner Mätresse fort, indem er zu uns sagte: "Nun, Kinder, ich glaube, ihr braucht mich nicht mehr!"
    So gut war die Stimmung zwischen den Eheleuten dann nicht mehr, als drei Jahre später, 1761, der Tod der Zarin Elisabeth endlich der Thron freimachte für Katharinas Mann, nunmehr Peter III. Dabei waren sie als aufgeweckte junge Leute ihrer Zeit politisch lange einer Meinung gewesen: entschlossen gegen russische Rückständigkeit, waren sie beide Fans der großen Geister der Aufklärung, Voltaire, Diderot, Rousseau. Aber nur Katharina konnte sich das weithin strahlende Image einer Philosophin und Staatsdenkerin aufbauen, Peter war an seiner sprunghaften Unberechenbarkeit gescheitert.

    Nach dem Staatsstreich hatte Katharina ihren Mann auf ein nettes Landgut bringen lassen - nur eine Woche später meldete einer seiner Bewacher:

    "Mütterchen, er weilt nicht mehr auf der Welt! Aber niemand hat das gedacht, und wie sollten wir auf den Gedanken kommen, die Hände gegen den Kaiser zu erheben! Aber, Kaiserin, das Unheil ist geschehen! Er kam bei Tisch mit Fürst Feodor in Streit; wir konnten sie nicht mehr auseinanderbringen, und schon war er nicht mehr."

    Katharina verzieh sie den unbedachten jungen Männern. Ihre nunmehr unangefochtene Herrschaft sollte 34 Jahre lang währen. Russland machte sie in dieser Zeit nach außen größer und mächtiger. Die Leibeigenen, deren Schicksal sie als aufgeklärte Kronprinzessin so bedauert hatte, standen am Ende ihrer Regierungszeit noch schlechter da als vorher.