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Mit Hypnose gegen die Zahnarzt-Angst

Wohl kaum jemand hat ein gutes Gefühl, wenn es zum Zahnarzt geht. Aber es gibt Menschen, die finden überhaupt nicht den Weg in die Zahnarztpraxis. Sie bekommen ihre Angst vor einer Behandlung nicht in den Griff. Inzwischen gibt es Zahnarztpraxen, die sich auf solche Patienten spezialisiert haben. Eine wirksame Technik, um Ängste abzubauen, ist die Hypnose. Das belegen aktuelle Studien.

Von William Vorsatz | 13.09.2005
    Der imposante Mann aus Berlin ist Ende vierzig. Er wirkt kaum wie jemand, der unter einer Zahnarztphobie leiden könnte. Und doch, seine Angst hinderte ihn Jahre lang daran, zum Zahnarzt zu gehen. Dann hat Jürgen Bornemann einen Hypnosezahnarzt gefunden.

    " Ick bin eigentlich hingegangen, nur weil ick Angst hatte. Und mit dem Hintergedanken: das klappt sowieso nicht. Weil ich eigentlich ein sehr realistischer Mensch bin und sage, das wird sowie so nichts, aber was soll’s, probieren kannst du es ja mal, und habe das dann auch probiert, und dann hatten wir so ein Gespräch und dann sagt er, ja das könnte eigentlich mit uns beiden klappen und wir sollten das mal machen. "

    Der behandelnde Zahnarzt entscheidet sich für die klassische Hypnose. Bornemann erinnert sich:

    "Dann haben wir eine erste Sitzung gemacht, und da lag ich dann und war immer der Meinung, ich hätte alles gehört, was er sagt, und dann bin ich wach geworden und hab ihm gesagt, also das hat keinen Sinn mit uns, Sie können mich nicht hypnotisieren, das geht nicht. Nee, sagt er, haben Sie Recht. Was meinen Sie denn, wie lange Sie gelegen haben hier? Ich sag, 10 Minuten, da war es über eine Stunde. "

    Nach dieser Hypnose war die Angst weg. Kein Einzelfall. Erstmals haben Forscher 1500 Zahnärzte befragt, die mit Hypnose arbeiten. Schon nach der ersten Sitzung geht die Furcht bei sieben von zehn Patienten deutlich zurück. Spätere Wiederholungen verstärken den Erfolg. Der Mund-, Gesichts-, und Kieferchirurg Dirk Hermis hat im Rahmen seiner Habilitation einige klinische Studien geleitet. So kann er belegen, dass Hypnosen auch bei Kiefer-Operationen mit lokaler Betäubung Angst lindernd wirken:

    "Das heißt, da konnten wir also auch kontrolliert unter randomisierten Bedingungen nachweisen, das Hypnose wirklich einen ausgeprägten Effekt während einer solchen Behandlung, während der Patient wach ist, hat, der Patient hat davon profitiert, nicht nur kurz, sondern zeitlich überdauernd profitiert, und die Chirurgen hatten deutlich verbesserte Behandlungsbedingungen, "

    Die Patienten litten danach sogar unter weniger Schmerzen. Kieferchirurg Hermis kann belegen: Am besten wirkt die aktive Hypnose. Hier wird der Patient direkt vom behandelnden Arzt angesprochen.
    Albrecht Schmierer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnäztliche Hypnose e.V., bittet seine Patienten, sich an schöne Erlebnisse aus der letzten Zeit zu erinnern.

    "Irgendeine Begegnung, ein Urlaub, ein gutes Essen, irgendwas, was Ihnen richtig Spaß gemacht hat? "

    Eine Patientin erinnert sich in diesem Moment beispielsweise an eine schöne neue Liebesbeziehung, an Kerzen und warme Sommernächte:

    "Und dann bitte ich Sie jetzt, dass Sie die Worte "Liebe", "Kerzenschein" und "Sommernacht" im Kreis rum denken. Sich darauf konzentrieren, die drei Worte wirklich im Kreis rum zu denken, und während Sie das tun, überprüfen Sie mal, ob Sie den typischen Duft jetzt schon wahr nehmen können, der da dazu gehört. "

    Wohligkeit und Entspannung macht sich breit, die Patientin kann sich in ihre innere Welt zurück ziehen und ihr Gebiss derweil dem Zahnarzt überlassen. Trotzdem behalten Patienten in Hypnose die volle Kontrolle über sich und die Behandlung.

    Eine andere Variante der Hypnotisierung sind fertige CDs, die den Angstpatienten vor und bei der Behandlung per Kopfhörer eingespielt werden.

    Nicht ganz so wirksam, aber eine preiswerte Variante. Denn dort kommen auf den Patienten keine zusätzlichen Kosten zu. Anders bei der direkten Hypnose. Hier gibt es keine festgelegten Sätze. Die Erstbehandlung kostet in der Regel zwischen 100 und 150 Euro. Es gibt aber auch Zahnärzte, die bieten ihre Hypnosen kostenlos an: um Patienten an sich zu binden. Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose e.V. müssen eine einjährige Zusatzausbildung absolvieren. Danach hypnotisieren sie manchmal jedoch nicht nur die Angst vor der Zahnarztpraxis weg, wie der Patient Jürgen Bornemann erfahren hat:

    "Als Nebeneffekt, was er da noch gemacht hat, ist, ich hatte seit vierzig Jahren keinen Fisch mehr gegessen, weil mir als Kind mal ne Grete im Hals stecken geblieben ist, und seit dem esse ich wieder Fisch. Es ist nicht mein Lieblingsgericht, aber ich gehe vernünftig damit um, ich kann Fisch kosten, sonst früher, wenn ich es gerochen habe, meinen Frau durfte nicht mal Fisch braten in der Küche, jetzt gehe ich vernünftig damit um und ich esse gerne Krustentiere, Schalentiere, ist jetzt ganz hervorragend, und das ist noch rausgekommen dabei. "