Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Mit Magneten gegen die Sepsis

Medizin.- Eine Sepsis endet oft tödlich. Der Grund dafür liegt in einer falschen oder zu spät einsetzenden Therapie, die aber nicht den Ärzten anzulasten ist. Die Blutvergiftung ist nur schwer zu erkennen und auch moderne Laboruntersuchungen brauchen bis zu 48 Stunden, um einen Keim nachzuweisen.

Von Hartmut Schade | 24.01.2011
    Das Geheimnis bleibt unsichtbar. Das Röhrchen sieht aus wie jedes gewöhnliche Röhrchen zur Blutentnahme. Die nanometergroßen magnetischen Eisenoxid-Partikel in seinem Inneren sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen.

    "Die rührt man, bewegt man in dem Blut einige Minuten hin und her und durch Anhalten eines Magneten kann man die Bakterien samt magnetischer Partikel isolieren aus dem Blut",

    sagt Dr. Dirk Kuhlmeier von Leipziger Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie. Die rund 30 sepsisauslösenden Bakterien und die sieben Pilze sind von Natur aus nicht magnetisch. Es bedarf einiger Kniffe, damit sie an die Eisenteilchen andocken. Zunächst werden sie mit einem Kunststoff überzogen, dann kommt darüber eine sogenannte funktionelle Schicht.

    "Das können zum Beispiel Antikörper sein. Antikörper, die spezifisch dann wiederum Bakterien, zum Beispiel Coli-Bakterien binden können oder Staphylokokkus aureus. Verschiedene Erreger, die für die Sepsis relevant sind."

    So gefangen werden die Bakterien per Magnet durch eine Plastikkarte von Scheckkartenformat geleitet. In ihr sind zwölf Kammern. Winzige Kanäle verbinden sie. In den Kämmerchen werden die Keime aufgelöst. Dann wird ihre DNA mittels Polymerasekettenreaktion vervielfältigt.

    "Wir machen die Polymerasekettenreaktion am magnetischen Partikel, Wir koppeln kurze DNA-Sequenzen, die spezifisch sind für die Bakterien, die wir suchen oder Viren oder Pilze an die Magnetpartikel. Und an diesen magnetischen Partikeln läuft nun die Vervielfältigung der DNA-Sequenzen ab. So das man letztendlich in der Lage ist, aus einigen wenigen DNA-Kopien ganz viele zu machen. Und zwar so viele, dass man in der Lage ist, das zu analysieren."

    So kann eine Sepsis schon im Frühstadium erkannt werden. Dann, wenn nur wenige hundert Bakterien sich im Blut des Kranken befinden. Heute müssen diese Keime erst in Kulturen ein bis zwei Tage vermehrt werden, ehe sie identifiziert werden können. Das Magnetsystem funktioniert auch mit wenigen Keimen, weil diese sehr effizient aus der Blutprobe herausgeholt werden. Die Erbinformationen dann zu kopieren, dauert eine nur knappe halbe Stunde. Noch passiert dies alles in einer Kammer, egal ob die DNA von Viren, Pilzen oder Bakterien vervielfältigt werden muss. Das macht das Verfahren kompliziert. Wenn das System in zwei Jahren auf den Markt kommt, sollen die Blutproben auf einer Karte, aber in getrennten Kanäle analysiert werden, blickt Dirk Kuhlmeier voraus.

    "Man kann sich vorstellen, dass man das trennt nach gramnegativ, grampositiven Bakterien. So eine ganz klassische Einteilung von Bakterien. Nach Pilzen oder Viren zum Beispiel."

    Nach dem mehrfachen Kopieren der Erbinformation gleichen die Eisenkügelchen kleinen Igeln. Wie Stacheln stehen die DNA-Stränge von ihrer Oberfläche ab. So rutschen sie in die letzte Kammer auf der Plastikkarte. In ihr befindet sich ein Chip.

    "Auf diesem Sensorchip haben wir verschiedene Fängersequenzen vorgelegt, die ganz spezifisch sind für die sepsisrelevanten Erreger und sepsisrelevanten Resistenzen."

    Nach nur einer Stunde sehen die Mediziner, welches Bakterium, welches Virus oder welcher Pilz die Blutvergiftung auslöste. Und wichtiger noch: handelt es sich dabei um einen der gefürchteten resistenten Erreger, gegen den nur wenige Medikamente helfen oder kann noch ein gewöhnliches Antibiotikum eingesetzt werden. Die Ärzte können so schneller und präziser reagieren. Das lässt hoffen, das die Blutvergiftung ein wenig von ihrem Schrecken verliert.