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Mit Mathe gegen Kriminalität

Kriminalitätsbekämpfung.- Los Angeles ist bekannt für seine hohe Kriminalitätsrate. Es ist also kein Zufall, dass ausgerechnet dort ein Team aus Mathematikern, Anthropologen und Kriminologen ein neues mathematisches Modell zur Vorhersage der Kriminalitätsentwicklung erarbeitet hat.

Von Tomma Schröder | 22.02.2010
    "Vor einigen Jahren wurde bei mir eingebrochen. Und da war die Alarmanlage am Haus nicht sichtbar, obwohl es eine gab. Aber gleich nach dem Einbruch habe ich dafür gesorgt, dass es viele Hinweise auf die Alarmanlage um mein Haus herum gibt."

    Wahrscheinlich würden viele Menschen so handeln wie Andrea Bertozzi. Doch während sich die meisten allein aufgrund der schlechten Erfahrung besser schützen würden, weiß die Mathematikprofessorin aus Los Angeles auch um die Gefahr, die direkt nach einem Einbruch besteht. Der Anthropologe Jeffrey Brantingham, der gemeinsam mit Andrea Bertozzi an mathematischen Modellen zur Ausbreitung von Kriminalität arbeitet, beschreibt diese Gefahr so:

    "Wenn Sie erst einmal etwas über das Haus gelernt haben, zum Beispiel: Oh Mann, es war wirklich leicht, in dieses Haus zu kommen. Oder: Da war etwas in dem Haus, das ich diesmal nicht mitnehmen konnte. Dann lernen sie diese Informationen und benutzen sie, um an diesen Orten wieder zuzuschlagen."

    Diese und andere Gesetzmäßigkeiten nutzt Andrea Bertozzi, um die Entwicklung von sogenannten Kriminalitäts-Hotspots mithilfe von mathematischen Modellen vorherzusagen.

    "Wir haben ein abstraktes Modell, das gleichförmige Häuser und Wohnungen in ein Netz einfügt. Die Kriminellen bewegen sich in diesem Netz. Und die einzelnen Wohnungen und Häuser haben eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für einen Einbruch. Und diese Wahrscheinlichkeit steigt dort an, wo gerade eingebrochen wurde."

    Doch nicht nur begangene Taten, auch das Aussehen von Häusern, Straßenzügen, die Überwachung durch die Polizei spielt dabei eine Rolle. Mithilfe dieser Parameter ist es Andrea Bertozzi und ihrem Team gelungen, die Orte, an denen im San Fernando Valley in Los Angeles innerhalb eines Jahres eingebrochen wird, ziemlich exakt vorherzusagen. Doch das reichte den Forschern aus Kalifornien nicht. Indem sie diese Hotspots, also Brennpunkte, in zwei verschiedene Typen unterscheiden, wollen sie der Polizei nun auch vorhersagen, bei welchen Brennpunkten sie einschreiten soll und bei welchen sich das nicht lohnt.

    Denn mit ihren Modellen kann Andrea Bertozzi vorhersagen, welcher der zunächst unscheinbaren Brennpunkte sich zu einem großen Hotspot entwickelt. Subkritische Hotspots nennt Bertozzi sie. Entlehnt ist dieser Begriff aus der nicht linearen Mathematik, in der er einen instabilen Zustand beschreibt, im Gegensatz zum superkritischen, stabilen Zustand. Was abstrakt klingt, könnte für die Polizei sehr konkret werden, wie Bertozzi betont.

    "Die personellen Ressourcen der Polizei sind begrenzt. Wenn es mehrere Brennpunkte gibt, wird sie also nicht überall hingehen können. Und das Interessante ist, dass unser Modell zeigt: Wenn es einen superkritischen Brennpunkt gibt und die Polizei dort hineingeht, wird sie diesen Brennpunkt nur in eine andere Gegend verlagern. Wenn es sich aber um einen subkritischen Brennpunkt handelt, dann kann er unterdrückt werden, so dass er verschwindet."

    Obwohl die Modelle von Bertozzi und ihren Kollegen noch von gleichförmigen, vereinfachten Umgebungen ausgehen, sind sich die Wissenschaftler sicher, dass sie damit für die Kriminalitätsbekämpfung wichtige Arbeit leisten könnten. Die Anwendung der Modelle durch die Polizei in Los Angeles soll folgen. Und die Forscher schauen sogar schon weiter. Zurzeit arbeite sie an mathematischen Modellen, die sich mit den Aufständen im Irak beschäftigen, so Andrea Bertozzi.