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Mit Minihelfern gegen Benzol

Biologie.- Das Helmholtzzentrum für Umweltforschung hat eine Art von Mikroorganismen entdeckt, die dabei helfen könnte, stark verdrecktes Grundwasser zu reinigen. Ein Pilotprojekt wurde am Chemiestandort Leuna in Sachsen Anhalt in Betrieb genommen. Dort befindet sich ein verschmutzter Unterwassersee, voll mit krebserregendem Benzol.

Von Annegret Faber | 16.01.2012
    Die Pilotanlage ist als solche kaum zu erkennen. Unauffällig liegt sie gleich neben der Straße, die um den 1300 Hektar großen Chemiestandort Leuna führt. Nicht Rohrschlangen, die sich um eine Grundwasserreinigungsanlagen winden, sind hier zu sehen, sondern drei tennisfeldgroße Teiche, die mit Sand, Steinchen und Kügelchen aus Blähton gefüllt sind.

    "Es sieht sehr unspektakulär aus. Eher wie ein Ensemble von drei Gartenteichen, die sich harmonisch in die Landschaft einfügen und im Frühjahr auch begrünt werden. Der Feinfilter ist ja mit Weiden bewachsen",

    erklärt Professor Holger Weiß, Abteilungsleiter für Grundwassersanierung am Helmholtzzentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig. Das erste Becken ist der sogenannte Grobfilter. Das Grundwasser plätschert durch viele kleine Röhrchen an die Oberfläche und versickert dort. Dann kommen zwei weitere Becken. 15.000 Mikrogramm Benzol und MTBE pro Liter sollen hier auf ein Mikrogramm reduziert werden. Das wäre Trinkwasserqualität.

    "Gerade dieses MTBE, dieser Ether, ist ganz hartnäckig im Grundwasser, sehr schwer mikrobiologisch abzubauen und deshalb ein Problemfall an vielen Raffineriestandorten in der Welt."

    Die Helmholzforscher setzen auf spezielle Bakterien: Mikroorganismen, die schon die ganze Zeit im Grundwasser waren. Tief unter der Erde fehlte ihnen jedoch Sauerstoff. Der wird zugeführt, indem das Wasser nach oben gepumpt wird. Die Bakterien beginnen aufzuleben, vermehren sich in den Sandschichten und fressen die giftigen Kohlenstoffverbindungen einfach auf.

    "Beim Benzol ist das Problem, die hohe Toxizität. Benzol ist Krebserregend und beim MTBE ist das Problem, dass die menschliche Nase sehr geruchsempfindlich gegenüber diesem Stoff ist. Der Stoff ist zwar nicht besonders giftig, toxisch, aber sehr geruchs- und geschmacksintensiv und man hat es eben nicht gerne, dass der Kaffee nach Terpentin schmeckt oder das Trinkwasser."

    MTBE wird seit den 1980er-Jahren dem Benzin zugesetzt, statt Blei, um die Klopffestigkeit zu erhöhen, erklärt Dr. Manfred von Afferden vom Helmholtzzentrum. Benzol ist ein Nebenprodukt bei der Verarbeitung von Rohöl zu Kraftstoff.

    "Das sind Schadstoffe, die früher mal durch Leckagen, Unfälle oder auch Benzol, während des Krieges Bomben, in den Untergrund gelangt sind. Und es gibt hier sogar Schadstoffe, die dann quasi in Phase, das heißt, wie reines Benzin auf dem Grundwasser schwimmen."

    Neben der Pilotanlage steht eine herkömmliche Grundwasserreinigungsanlage. Sie ähnelt einer kleinen Chemiefabrik. Funktioniert also wesentlich komplizierter. MTBE könne sie trotzdem nicht aus dem Wasser filtern, sagt Anlagenbauer Dr. Uwe Schenker. Eine umweltfreundliche und kostengünstige Alternative war also schon lange fällig.

    "Das Problem bei solchen technischen Anlagen ist, dass sie von der Herstellung sehr teuer und vom Betrieb auch sehr teuer sind. Während die Anlage, die wir jetzt hier gebaut haben, da steckt zwar auch sehr viel verfahrenstechnisches Know-how drin, aber sie ist deutlich robuster, anspruchsloser in der Wartung."

    Wenn sie läuft, läuft sie. Die Mikroorganismen erledigen die Arbeit. 185.000 Euro hat die Pilotanlage bisher gekostet. Geldgeber ist die Landesanstalt für Altlasten in Sachsen-Anhalt. 60.000 Liter Wasser filtert sie pro Tag. In einem Jahr soll die Anlage das Zehnfache leisten. 10 bis 50 Jahre wird sie arbeiten müssen, bis das Wasser unter Leuna sauber ist, schätzen die Wissenschaftler. Sachsen-Anhalts Umweltminister Aeikens, der die Anlage kürzlich einweihte, ist noch vorsichtiger.

    "Das wird sehr, sehr lange dauern und ist die Frage, ob man es überhaupt erreicht."

    Denn Grundwasser kann man nicht kontrollieren. Es fließt, breitet sich aus. Dennoch: Die Pilotanlage vom Helmholtz-Zentrum könnte eine neue Ära einleiten. Da das Grundwasser eine konstante Temperatur von 8 Grad hat, kann sie auch im Winter betrieben werden. Insofern scheint das Problem mit den Altlasten unter dem Chemiestandort Leuna langfristig lösbar zu sein.