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Mit oder ohne Netz

"Integriert" wäre es dem Bahnchef am liebsten: Hartmut Mehdorn möchte die Deutsche Bahn AG an die Börse bringen, nicht aber ohne das dazugehörige Schienennetz. Darum rankt sich der Streit. Macht die Bahn mit dem Netz das, was die Politik sich vorstellt? Bleibt die Versorgung ausreichend, oder werden unprofitable Strecken stillgelegt?

Von Jörg Münchenberg | 24.09.2006
    "Wir haben alle Ziele übererfüllt. Wir haben noch viel Platz für Verbesserungen. Wir sind noch lange nicht fertig. Wir sind profitabel - das hätte uns keiner zugetraut. Wir haben die Verkehrsleistung gesteigert. Wir steigern Marktanteile. Wir sind mit unserer Strategie auf dem richtigen Weg. Also, wir fühlen uns also sehr okay."

    Hartmut Mehdorn lässt derzeit keine Gelegenheit aus, um für sein Unternehmen zu trommeln. Gegen alle Widerstände und Kritik hat der Bahn-Chef den einst behäbigen Koloss zu einem leistungsfähigen Konzern umgebaut: Die Pünktlichkeit der Züge wurde verbessert, auf den Fernstrecken fahren moderne ICE-Züge, und selbst im Nahverkehr kann die Bahn mit attraktiven Angeboten glänzen:

    "Wir haben viele Fortschritte gemacht mit unserer Kundenfreundlichkeit. Unsere Mitarbeiter sind nett in den Zügen, der Service klappt jetzt, die Bahnhöfe sind immer sauberer, unserer Buchungsangebot wird immer attraktiver."

    Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Mehdorn den Konzern neu ausgerichtet: Die Bahn ist zu einem der weltweit größten Transport- und Logistikkonzerne aufgestiegen - allein im ersten Halbjahr 2006 haben die Töchter Stinnes, Schenker und der US-Luftfahrtspezialist Bax die Hälfte des Umsatzes von rund 14,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Trotz ihrer Neustrukturierung Anfang der 90er Jahre in eine Aktiengesellschaft ist die Bahn jedoch eines geblieben: eine hundertprozentige Tochter des Bundes.

    Doch selbst Kritiker, und davon gibt es angesichts der oftmals ruppigen Auftritte Mehdorns in der Öffentlichkeit viele, zollen seiner Leistung durchaus Respekt. Winfried Herrmann, Abgeordneter der Grünen im Bundestag und zuständig für den Bereich Verkehr:

    "Also mit Sicherheit hat die Bahnreform zur Modernisierung des Unternehmens Deutsche Bahn beigetragen. Ich glaube auch, dass in der Summe die Qualität, die Technik und das Angebot besser geworden ist im Vergleich zur alten Bundesbahn und im Vergleich zur alten Reichsbahn. Allerdings muss man auch sagen, dass die Kehrseite dieser Modernisierung war und ist, dass man sich stark verschuldet hat."

    Vor allem die Erweiterung der Geschäftsbereiche um die Sparte Logistik hat enorm viel Geld gekostet: Derzeit lastet auf dem Unternehmen ein Schuldenberg von über 20 Milliarden Euro. Und auch beim Wettbewerb mit der Straße fällt die Bilanz eher bescheiden aus, betont der ehemalige Bahn-Vorstand und heutige Finanzsenator von Berlin, Thilo Sarrazin:

    "Marktanteilsgewinne sind im Personenverkehr überhaupt nicht eingetreten. Die Bahn hat exakt die Anteile am Markt wie im Jahr 1994. Im Schienenverkehr sind die Umsätze dramatisch gefallen – auch wegen des Wettbewerbsdrucks des Lkw. Der Transportanteil ist ganz leicht gestiegen, blieb aber in seinem Anstieg weit unter den Erwartungen."

    Doch die teuren Investitionen haben sich zumindest für die Bilanzen ausgezahlt. Im August konnte der Bahnvorstand in der Finanzmetropole Frankfurt gute Halbjahreszahlen vorlegen: Umsatz und Gewinn sind gestiegen. Die Botschaft hinter diesem Auftritt: Zwölf Jahre nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist die Bahn börsenreif – ein Ziel, für das Mehdorn seit Jahren vehement kämpft. Es soll der krönende Abschluss einer Karriere werden, die laut Vertrag 2008 enden wird.

    Zumindest über die Grundsatzentscheidung gibt es kaum Streit: Auch die Politik will nach der Post und der Deutschen Telekom den letzten großen, in Staatshand befindlichen Konzern privatisieren, auch zum Nutzen der Kunden, betont Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee:

    "Es ist schon eine ganz wichtige Entscheidung, manche sprechen von einer Jahrhundertentscheidung, ob es uns gelingt, die DB AG, die Deutsche Bahn AG so aufzustellen, dass sie wettbewerbsfähig ist. Es kommt ein internationaler Wettbewerb hinzu – am 1.1. nächsten Jahres fallen die Grenzen für den internationalen Güterverkehr, am 1.1.2010 die für den internationalen Personenverkehr. Und wenn wir da keine starke Bahn haben, dann hat dies auch erheblichen Einfluss auf die Qualität für die Reisenden."

    Das Ziel also ist klar gesteckt, nur über das wie und den Zeitplan eines Börsenganges wird seit Monaten erbittert gestritten. Es ist fast schon ein Glaubenskampf, der sich vor allem um eine zentrale Frage dreht: Soll die Bahn mit Netz privatisiert werden oder sollen Bahnhöfe und Trassen in Staatshand bleiben?

    Diese Weichenstellung aber wird weitreichende Folgen haben, denn sie entscheidet auch über den künftigen Wettbewerb auf der Schiene - darüber, wer künftig die Schienenwege an wen vermieten darf, wer sie pflegt und ausbaut. Auch deshalb sei der Entscheidungsprozess so mühselig, meint Finanzsenator Sarrazin:

    "Wir haben seit Jahrzehnten viele hundert Milliarden Euro und davor viele hundert Milliarden Mark in das System Schiene gesteckt, weil wir in Deutschland der Meinung sind, dass wir in Deutschland einen leistungsfähigen Schienenverkehr haben wollen. Und das Wichtigste ist, dass man für dieses Geld einen optimalen Gegenwert bekommt – in Form eines möglichst guten Angebots auf der Schiene und eines möglichst hohen Anteils der Schiene am Verkehr. Das ist das Wichtigste."

    Für Mehdorn ist die Sache klar: Warum zerschlagen, was erfolgreich ist? Die Bahn soll als so genannter integrierter Konzern an die Börse gebracht werden, also einschließlich der rund 5700 Bahnhöfe und des rund 34.000 Kilometer umfassenden Schienennetzes.

    Eine Privatisierung einschließlich der Geschäftsbereiche Personenverkehr und Güterverkehr mit dem Netz unter einem Dach sei auch für Investoren das attraktivste Angebot, bekräftigt der frühere bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu, heute im Bahnvorstand zuständig für die Beziehungen zur Politik:

    "Was sind die Finanzwirkungen beim Börsengang? Was sind die Auswirkungen bei der Trennung? Was ist die Haushaltsbelastung? Was ist die Auswirkung auf die Beschäftigungssituation? Was ist die Auswirkung auf die Wettbewerbssituation der Bahn AG international? Wann kann man den Börsengang realisieren, wenn man im integrierten Konzern das macht – nämlich sehr bald? Wann kann man ihn realisieren, wenn man den Konzern trennt – nämlich irgendwann? Das alles zusammengenommen wird am Schluss, glaube ich, den Ausschlag geben. Und da spricht im Ergebnis alles für den integrierten Konzern."

    Eine Position, die vor allem von den SPD-Ministern in der Großen Koalition unterstützt wird. Peer Steinbrück, der Finanzminister hofft auf höhere Einnahmen, wenn die Bahn komplett an die Börse gebracht wird. Die Rede ist von bis zu neun Milliarden Euro. Der Verkehrsminister wiederum will vor allem die Wettbewerbsfähigkeit stärken, einen nationalen Champion formen, der auch international mühelos mithalten kann.

    Ganz anders die Einschätzung im Parlament: Dort sind sich die Verkehrsexperten fraktionsübergreifend weitgehend einig. Die Bahn soll zwar privatisiert, aber das Netz beim Bund bleiben. Schließlich, so der verkehrspolitische Experte der SPD, Uwe Karl Beckmeyer, habe der Bund in der Vergangenheit sehr viel Geld investiert und auch künftig werde die Instandhaltung von Trassen und Weichen mit rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr eine Menge Geld kosten:

    "Ich will politisch gestalten können, auch diese integrierte Verkehrspolitik in der Zukunft, also auch auf der Schiene. Ich will wissen, was mit den 2,5 Milliarden, die mindestens in den nächsten zehn Jahren fließen sollen in Instandhaltung und Unterhaltung – was damit passiert, was damit Instandgehalten wird, wie der Netzzustand ist und damit auch wissen, wie intakt ist eigentlich meine Verkehrsinfrastruktur? Und nicht nur den Gesichtspunkt, nach welchen Gesichtspunkt ein privater Kapitalgeber interessiert ist, entsprechende Investitionen ins Netz zu geben."

    Tatsächlich sind Schienenwege ein ganz besonderes Eigentum. Sie müssen mit viel Geld gepflegt werden, andernfalls droht ein paar Jahre später die teure Quittung: Gleise brechen, Weichen rosten ein. Gefährliche Unfälle können die Folge sein, von massiven Verspätungen im Zugverkehr ganz zu schweigen.

    Angesichts der hohen Kosten hat deshalb der Staat hierzulande diese Aufgabe übernommen und nicht etwa private Investoren, zumal die Rendite des Netzes eher mager ist. Die Zuständigkeit der öffentlichen Hand für das Schienennetz ist sogar im Grundgesetz festgelegt – bei einem Börsengang der Bahn einschließlich Netz hätte dies weitreichende Folgen, betont der frühere Bahn-Manager Sarrazin, der auch deshalb nachhaltig für eine Abtrennung des Netzes vom Konzern plädiert:

    "Die Bahn mit Netz muss aus Verfassungsgründen mehrheitlich in Bundesbesitz bleiben. Wenn also der Bund sagen würde, dass er die Bahn mit Netz an die Börse bringt, dann verkauft er erstens eine Infrastruktur, die kontinuierlicher Subventionen bedarf und viele hundert Milliarden gekostet hat, für nichts an Private. Zur Hälfte gibt er ihnen darüber auch die Verfügung. Andererseits muss er dauerhaft praktisch auf ewig das Eigentum an den Gesellschaften behalten, an Aktivitäten, die überhaupt keine staatliche Aufgabe sind. Es ist keine staatliche Aufgabe, Kisten von hier nach Australien oder von China nach Deutschland zu transportieren. Die Logistik ist keine staatliche Aufgabe."

    Aber auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht spricht aus Expertensicht vieles für eine Trennung von Infrastruktur und Konzern. Das zeigten nicht zuletzt die schlechten Erfahrungen aus dem Strombereich.

    Solange die früheren Monopolisten auch Besitzer der Netze sind, solange werde es auch keinen funktionierenden Wettbewerb geben. Denn wer Netze und Züge besitzt, so der Abgeordnete der Grünen, Herrmann, der sei der Konkurrenz immer einen Schritt voraus:

    "Derjenige, der das Netz in der Hand hat, der hat natürlich Vorteile, weil er bestimmen kann, wie das Netz entwickelt wird, wo die Baustellen schneller abgeräumt werden, weil er bestimmen kann, wo Neubaustrecken zuerst gebaut werden. Nun sagen zwar die Kritiker, da muss ja das Parlament mitreden, aber wir wissen heute schon, dass die Aktiengesellschaft extrem schwierig ist, von der Politik kontrolliert zu werden."

    Freilich, Befürworter des integrierten Modells sehen dies anders und verweisen auf den steigenden Wettbewerb auf der Schiene. Inzwischen gebe es rund 300 Unternehmen am Markt, Tendenz weiter steigend, betont die Bahn. Auch Verkehrsminister Tiefensee hält die Befürchtungen der Kritiker für überzogen:

    "Wir stellen fest, eine Bundesnetzagentur wacht darüber, dass es einen so genannten diskriminierungsfreien Zugang auf das Netz gibt. Die ist viel entscheidender und wichtiger, die arbeitet seit dem 1. Januar 2006. Die Beschwerden der Wettbewerber gehen zurück. Das heißt niemand, beschwert sich mehr, dass er den entsprechenden Slot zu seiner richtigen Zeit kriegt oder dass er zuviel bezahlen müsste oder dass er die Weiche, die er hinein ins Werk braucht, um dort seinen Zug hineinzufahren, dass die nicht saniert wäre. Also diese Beschwerden gehen zurück."

    Die Bundesnetzagentur selbst, die neuerdings neben den Energie- und Telekommunikationsmärkten auch für die Bahn zuständig ist, hält sich aus dem Streit über den richtigen Ansatz bei der Privatisierung heraus. Beide Wege, also Börsengang mit oder ohne Netz seien vorstellbar, erklärt Behördenchef Matthias Kurth diplomatisch. Bislang kümmern sich 20 Mitarbeiter um diese neue Aufgabe, jetzt sollen noch einmal 20 dazukommen, um den Wettbewerb auch auf der Schiene voranzubringen:

    "Beim Personennahverkehr werden zum Beispiel ganze Regionen, ganze Länder oder Teile von Ländern als Gebiete ausgeschrieben. Das ist ganz erfolgreich: Bei den Neuausschreibungen haben die Wettbewerber zum Teil schon einen Erfolg von 50 Prozent. Beim Güterverkehr läuft das auch, und zwar der Wettbewerberanteil alternativer Bahnen, also nicht der DB AG oder Raillion, liegt bei 15 Prozent, auch mit wachsender Tendenz. Also wir haben sehr viele Bahnen und alternative Angebote, die auf dem deutschen Schienennetz fahren. Im Fernverkehr ist es noch etwas weniger, denn das liegt in der Natur der Sache."

    Bislang fällt die Bilanz auch seitens der Regulierungsbehörde zufriedenstellend aus: Die Datenanfragen würden beantwortet, erklärt Kurth. Dennoch soll nach der einjährigen Gewöhnungsphase die Preisaufsicht im kommenden Jahr deutlich verschärft werden; selbst eine Ausweitung der Kontrollkompetenzen der Bundesnetzagentur wird inzwischen ernsthaft diskutiert.

    Die Kritiker der integrierten Lösung beeindruckt dies jedoch herzlich wenig, denn der Grundkonflikt bleibe erhalten. Wer das Netz einschließlich Bahnen besitze, verfüge auch über die notwendigen Mittel, um sich unliebsame Konkurrenz vom Leib zu halten. Schon jetzt hat der mögliche Börsengang der Bahn viel Geld gekostet: Umfangreiche Gutachten sind in Auftrag gegeben worden, um die möglichen Folgen für Verkehr und Wettbewerb sowie die finanziellen Auswirkungen zu beleuchten - zuletzt durch das umfangreiche Exposé der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton Anfang dieses Jahres.

    Die meisten Modelle und Untermodelle sind jedoch verworfen worden. Auch der jüngste Kompromissvorschlag des Verkehrsministers dürfte kaum mehrheitsfähig sein. Tiefensee hatte vorgeschlagen, die Bahn samt Netz zu privatisieren, dem Bund jedoch - sozusagen als Sicherung - eine Rückholoption einzuräumen. Kaum praktikabel und bei den Investoren nicht durchzusetzen, lautet dazu die einhellige Meinung bei den Abgeordneten.

    Dort wird deshalb eine andere Variante favorisiert: Demnach soll die Bahn ohne Netz an die Börse fahren, die Infrastruktur fällt zurück an den Bund und wird dort von einer neuen Vermögensgesellschaft verwaltet. Der Bahn wird jedoch ein besonderes Bewirtschaftsungs- oder Betreiberrecht eingeräumt. Eine Position, wie sie inzwischen auch von CDU und CSU weitgehend mitgetragen wird. Klaus Lippold, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages:

    "Wir haben ursprünglich das Trennungsmodell favorisiert. Im Wege des Kompromisses - man muss aufeinander zugehen - haben wir gesagt, gut, nehmen wir ein Eigentumsmodell, aber ein Eigentumsmodell, das auch gegenüber der Europäischen Union Bestand haben hat und das heißt also eine Eigenständigkeit des Netzes innerhalb des Besitzes des Bundes."

    Die Details dieses so genannten kleinen Eigentumsmodells stehen jedoch noch aus – gerade sie aber werden darüber entscheiden, wie viel Wettbewerb es auf der Schiene geben wird. Soll die Bahn etwa ein besonderes Bewirtschaftungsrecht, ein so genanntes Nießbrauchsrecht erhalten wie von Tiefensee gefordert? Die Details würden noch geprüft, sagt dazu der Verkehrsexperte der SPD, Uwe Karl Beckmayer:

    "Eine solche Bundeseigentumsgesellschaft, Bundeseigentumsnetzgesellschaft oder wie sie auch immer heißen mag, wird die Rechte für den Bund im Grunde wahrnehmen gegenüber der Deutschen Bahn, die Kontrolle. Was ich mir wünschen würde als Parlamentarier ist auch, dass wir einen jährlichen Netzzustandsbericht und was ist mit dem Geld, passiert, was der Haushalt abgeliefert hat, die 2,5 Milliarden, dass wir einen solchen Bericht im Parlament bekämen. Und das würde dann quasi über eine solche Gesellschaft laufen. Aber man muss sich dies nicht als einen riesigen aufgeblähten Apparat vorstellen, sondern das wird eine ganz kleine, hocheffiziente Angelegenheit sein."

    Bei einer rechtlichen Trennung zwischen Konzern und Infrastruktur gibt es ohnehin noch viel zu tun: die umfangreichen Vermögenswerte der Bahn, etwa die Grundstücke müssen den einzelnen Konzerntöchtern klar zugeordnet werden. Zudem soll es mit der Bahn eine so genannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung geben. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich nichts anderes als ein Vertrag mit einer teilprivatisierten Bahn, der die Pflichten des Unternehmens genau festgelegt - etwa wie die Investitionszuschüsse des Bundes verwendet werden müssen.

    Eines dürfe jedoch durch das kleine Eigentumsmodell nicht geschehen, warnt Unionsverkehrsexperte Lippold in Richtung SPD: eine Privatisierung der Bahn einschließlich Netz quasi durch die Hintertür:

    "Die Punkte, die verankert werden, müssen dann hinterher auch ein wirkliches Eigentumsmodell mit Eigentum des Netzes in der Hand des Bundes widerspiegeln. Es muss eine Lösung sein, die Weiterentwicklungen möglich macht und nicht irreversibel ist. Also ein Nießbrauchsrecht auf 99 Jahre oder ein Pachtvertrag auf 99 Jahre - selbst 30 Jahre wären zuviel – kann dabei nicht in Betracht kommen."

    Noch in diesem Herbst sollen zumindest die Eckpunkte feststehen, festgezurrt werden – inzwischen aber ist die Stimmung bei den Entscheidungsträgern extrem gereizt. Von einem Machtkampf zwischen Parlament und Regierung ist die Rede, außerdem üben die Bahn sowie die Eisenbahnergewerkschaft Transnet enormen Druck aus, um am Ende vielleicht doch noch den gesamten Konzern an die Börse zu bringen.

    Just am kommenden Donnerstag, an dem die so genannte Lenkungsgruppe mit Vertretern von Parlament und Regierung erneut nach einem Kompromiss suchen will, hat Transnet Streiks angekündigt, nachdem erst vor wenigen Tagen die Tarifverhandlungen über einen neuen Beschäftigungssicherungspakt mit der Bahnspitze gescheitert sind. Die Streikdrohung zeige bereits Wirkung, beklagt Bahnexperte und SPD-Mitglied Sarrazin:

    "Die SPD-Führung sieht sich verpflichtet, sich nicht mit Transnet zu verärgern. Und die Eisenbahnergewerkschaft will natürlich wie immer die Gewerkschaften, dass der Konzern groß bleibt und integriert bleibt. Und ich fühle mich da immer an die Debatte erinnert in den 80er Jahren um die Aufteilung der Post. Und ich finde es bedauerlich, dass sich die SPD-Führung hier im Augenblick ohne tiefere inhaltliche Befassung von der Transnet einfach in Geiselhaft nehmen lässt."

    Letztlich also ist der Ausgang der letzten großen Privatisierung hierzulande weiter offen. Und selbst wenn die Grundsatzeinigung in diesem Herbst noch gelingen sollte - viele wichtige Detailfragen werden vorerst weiter offen bleiben. Letztlich auch die, wann die Bahn an die Börse fahren wird. Das auch von Mehdorn favorisierte Jahr 2008, so ist inzwischen bei den meisten Abgeordneten zu hören, dürfte kaum noch zu halten sein.