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"Mit realen Gegebenheiten umgehen"

Die SPD-Spitze will Entscheidungen über mögliche Koalitionen mit der Linken ihren Landesverbänden überlassen. Das beschloss der Parteivorstand in Berlin. Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner sieht in dem Papier allerdings keine neue Kursbestimmung.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 25.02.2008
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon ist nun Ralf Stegner. Er ist der Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein und Chef der Landtagsfraktion. Guten Tag!

    Stegner: Schönen guten Tag!

    Heckmann: Herr Stegner, die SPD, die begeht Wortbruch.

    Stegner: Nein, das kann man überhaupt nicht sagen. Die SPD, die hat ihre Inhalte beschlossen auf dem Hamburger Parteitag, und mit denen haben wir Wahlkampf gemacht, und wir haben einen, wie ich finde, sehr erfolgreichen Wahlkampf gemacht. Wer hätte vor einem dreiviertel Jahr noch gesagt, dass wir zwei von drei Landesregierungen, die zur Wahl stehen, so in Gefahr bringen können und dass sowohl Herr Koch als auch Ole von Beust ihre absolute Mehrheit deutlich verlieren und dass es im Übrigen auch nicht für schwarz-gelbe Mehrheiten reicht.

    Heckmann: Aber die offizielle Linie, Herr Stegner, lautete immer, Zusammenarbeit mit der Linken in den neuen Bundesländern ja, in den alten Bundesländern nein. Und jetzt nach der Wahl in Hessen ist alles ganz anders?

    Stegner: Nein, das stimmt ja so gar nicht. Ich will ja gar nicht bestreiten, dass die Debatte in den letzten Tagen vor der Hamburger Wahl uns nicht besonders geholfen hat, und ich finde das war eine sehr noble Erklärung, die Kurt Beck gestern abgegeben hat. Auf der anderen Seite ist es der gleiche Kurt Beck, der dafür verantwortlich ist, dass in der SPD wieder mit Selbstbewusstsein und auch Kampfeslust für vernünftige Inhalte Wahlkampf betrieben wird und wir in die Lage kommen, dafür zu kämpfen, dass wir wieder gestaltenden Einfluss haben. Eines ist immer so gewesen, dass selbstbewusste Landesverbände am Ende selbst entscheiden, was in ihren Ländern richtig ist. Das tun sie nicht ohne Rücksichtnahme auf das, was das für den Bund bedeutet, aber sie entscheiden das schon selbst. Das gilt bei uns in Schleswig-Holstein, aber das gilt selbstverständlich auch in Hessen, in Hamburg und anderswo.

    Andrea Ypsilanti hat es immerhin mit ihrem Kurs, der ja sehr stark darauf setzt, Themen wie Bildungspolitik in den Vordergrund zu stellen, Mindestlöhne, eine vernünftige Umwelt- und Energiepolitik, eine soziale Politik für Kinder und Familien, hätte es fast geschafft, nicht nur stärkste Partei zu werden, sondern auch die Linkspartei rauszuhalten aus dem Landtag. Ein bisschen mehr Wahlbeteiligung, und die wären in Hessen nicht ins Parlament gekommen. Also man muss da vorsichtig sein mit den Analysen, und das laute Wortgeklingel, das wir von unserer Konkurrenz hören, darf ja auch nicht darüber hinwegtäuschen: Die gleiche Union, die sich jetzt hier aufspielt und von Konsequenzen für die Große Koalition redet, hat mit dem Extremisten Schill zusammen Herrn Beust überhaupt ins Amt gebracht.

    Heckmann: Wir wollen jetzt mal bei der SPD bleiben und der Zusammenarbeit mit der Linken. Ich meine diesen Kursschwenk, der jetzt vollzogen wird, den hätte man ja schließlich auch vor der Hessen-Wahl haben können?

    Stegner: Ich kann das in der Form gar nicht erkennen. Unsere Priorität ist, und das steht auch in dem Beschluss, den heute das Präsidium einstimmig beschlossen hat und der Vorstand auch beschließen wird, da wird noch beraten im Augenblick - geht doch in die Richtung zu sagen, wir wenden uns jetzt in allererster Linie mal an die FDP.

    Heckmann: Das ist die Priorität. Das ist richtig. Vorher wurde aber die Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen, und zwar war das eine Leitlinie, die Kurt Beck selbst ausgegeben hat.

    Stegner: Wir haben ja nun nicht beschlossen, dass es eine Koalition mit der Linkspartei irgendwo geben soll. Das können Sie in dem Papier nirgendwo finden. Sondern was wir gesagt haben: Wir wenden uns jetzt an die FDP, die ja gemerkt hat, dass sie mit ihrer absoluten Fixierung auf Schwarz-Gelb in Hamburg aus dem Parlament geflogen ist und es bundesweit ja auch nicht reicht. Ich verstehe die Partei da auch gar nicht. Die machen einen bundesweiten Antikommunistenwahlkampf, und am Ende sagen sie, außer mit der CDU geht es mit niemand. Ich setze darauf, dass gerade auch das Hamburger Wahlergebnis zum Nachdenken im Thomas-Dehler-Haus führen wird und die FDP darüber nachdenkt, ob es nicht doch klüger ist dann in dieser Situation, wo auch Herr von Beust gerne mit den Grünen zusammengehen möchte, es klug ist, zu sehen, dass man die Tatsache, dass Herr Koch fulminant abgewählt worden ist - und nennen Sie mir einen Regierungschef, der ein so niederschmetterndes Wahlergebnis erzielt hat wie Herr Koch - dass also die FDP mit sich reden lässt. Ich sehe also die Konstellation, die Sie jetzt hier ansprechen, noch überhaupt nicht. dass am Ende Landesverbände entscheiden, das war immer so, und das hat heute nicht nur das Präsidium, sondern auch der Vorstand noch mal bekräftigt.

    Heckmann: Das heißt also, wenn die FDP dabei bleibt, eben nicht mit der SPD gemeinsame Sache machen zu wollen, dann würden Sie es begrüßen, wenn sich Frau Ypsilanti auch mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen würde?

    Stegner: Ich gehöre zu denjenigen, die Frau Ypsilanti öffentlich keine Ratschläge geben, weil sie klug genug ist, selbst zu wissen, was sie tut.

    Heckmann: Aber Sie würden es auch nicht kritisieren hinterher?

    Stegner: Im Übrigen muss man ja eines sehen: Wir können uns ja nun nicht ein anderes Volk wählen. Ich wünsche mir kein Fünf-Parteien-System. Wir machen eine Politik, die dafür sorgt, dass die Linkspartei möglichst draußen bleibt. Sollte das aber anders sein, dann muss man doch mit realen Gegebenheiten umgehen. Was das dann bedeutet in Hessen, das werden die Kolleginnen und Kollegen vor Ort vernünftig entscheiden. Der Ball liegt jetzt erst mal bei der FDP, wenn ich das richtig sehe, und dann warten wir mal ab. Es kann nicht so sein, dass man sagt, das einzige was die SPD darf, ist Koalitionen als Juniorpartner in der Großen Koalition zu tun, und die CDU regiert ungerührt mit jemand wie dem Schill zusammen. Wir gucken uns das mal in Ruhe an. Ich könnte mir vorstellen, dass es durchaus einen Nachdenkprozess in der FDP gibt, und dann schauen wir mal, was in Wiesbaden dabei herauskommt.

    Heckmann: Also wir halten fest: Der neue Kurs der SPD lautet, eine Zusammenarbeit mit der Linken in den alten Bundesländern ist ab sofort möglich, allerdings nicht im Bund, nicht auf Bundesebene. Wie lange hält diese Leitlinie, bis kurz nach der Wahl 2009?

    Stegner: Man muss zunächst feststellen, dass es immer darum geht, dass man mit einem Programm vor den Wähler tritt und am Ende, wenn die Wähler entschieden haben - und die entscheiden, sonst niemand -, mit den Gegebenheiten umzugehen hat. Es ist doch völlig klar, dass diese sogenannte Linkspartei mit ihren Positionen zur Außen- und Sicherheitspolitik, zur internationalen Stabilität alles mögliche könnte, aber keine Verantwortung für dieses Land übernehmen. Das kann gar nicht in Betracht kommen. Und in den westlichen Ländern ist es weitgehend auch so. Da sind ja zum Teil DKPisten und Verrückte dabei. Sie haben in dem Interview mit mir nicht herausgehört, dass ich in irgendeiner Form dafür werbe, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Das haben wir auch nicht beschlossen, sondern was wir beschlossen haben ist, dass Entscheidungen in den Landesverbänden nach Wahlen getroffen werden müssen wie bisher auch. Das muss dort verantwortet werden und wird nicht von irgendjemand angeordnet und schon gleich gar nicht vom politischen Gegner oder Konkurrenten diktiert.

    Deswegen schauen wir uns jetzt mal ganz gelassen an, was die FDP tut. Ich bin sicher: Frau Ypsilanti wird mit der FDP dort noch mal reden, auch mit den Grünen, und es gibt eine Mehrheit jenseits von Herrn Koch und jenseits der Linkspartei in Hessen und es wäre die Verantwortung, das auch zu realisieren, der anderen Parteien.

    Heckmann: Ralf Stegner, der Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein. Schönen Dank.