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Mit sparsamen Autos gegen die Benzinpreisspirale

Gegen die kontinuierlich steigenden Benzinpreise schlägt der Verkehrsclub Deutschland einen europaweiten CO2-Grenzwert für Autos vor. Damit sinke der Spritverbrauch deutlich - die fehlende Nachfrage werde den Preis stabilisieren oder sinken lassen.

Das Gespräch führte Jasper Barenberg | 22.08.2012
    Jürgen Liminski: Viele Autofahrer sind derzeit zurecht empört: Die Mineralölkonzerne haben pünktlich zum Ferienende und damit zu größerem Verkehrsaufkommen die Preise nach oben geschraubt, und zwar in Höhen, wie es der Bürger noch nicht kannte. Gibt es Preisabsprachen? Kann der Verbraucher etwas gegen die Willkür der Konzerne tun? – Mein Kollege Jasper Barenberg hat gestern Nacht mit dem Sprecher und stellvertretenden Geschäftsführer des Verkehrsclub Deutschland dazu ein Interview geführt und seine erste Frage lautete: Könnten wir uns die Klagen über Rekordpreise für Benzin sparen, weil eines mit Sicherheit nicht passieren wird, dass die Preise sinken?

    Gerd Lottsiepen: Die Preise werden auch noch mal wieder sinken. Was alle Experten eigentlich sagen, dass wir eine stabile Bewegung nach oben haben werden, aber es ist eine Zickzack-Kurve, mal rauf, mal runter. Langfristig muss man wissen, die Preise steigen, aber es wird natürlich noch mal wieder irgendwann Benzin für 1,60 Euro geben.

    Jasper Barenberg: Aber unterm Strich geht der Trend nach oben?

    Lottsiepen: Der Trend geht nach oben, ganz eindeutig.

    Barenberg: Die Mineralölwirtschaft macht ja auch dieser Tage wieder die hohe Nachfrage gerade in der Ferienzeit verantwortlich für die hohen Preise, die zuletzt gestiegenen Preise für Rohöl, auch den schwachen Euro und einige andere Faktoren. Wie glaubwürdig ist diese Argumentation aus Ihrer Sicht?

    Lottsiepen: Die Gründe werden ja immer wieder genannt, wenn die Preise gerade besonders hoch sind. Wir hatten die gleiche Debatte rund um Ostern. So wahnsinnig stark sind die Ausschläge eigentlich bei den Feiertagen gar nicht, weil ja dann auch viel Wirtschaftsverkehr entfällt. Da haben wir mehr private Nutzung, klar, aber weniger LKW sind an solchen Tagen unterwegs und das macht sich dann eigentlich auch bemerkbar. Ansonsten wird jede Krise, die irgendwo auf der Welt ist, auch von den Mineralölkonzernen als Grund genommen, weshalb die Preise steigen. Gerade wird die Nervosität um Syrien genannt. Der Dollar: Okay, der ist zurzeit relativ schwach im Vergleich zu den letzten zwei, drei Jahren, aber wir haben für den Dollar auch schon mal viel mehr gezahlt und da waren die Spritpreise trotzdem günstiger. Man kann diese Gründe alle nennen, aber letztendlich ist viel Spekulation im Markt. Da wird zurzeit sehr viel Geld verdient und ein Großteil des Preises ist tatsächlich Spekulation.

    Barenberg: Und in der Höhe ist der Preis jedenfalls wirtschaftlich nicht gerechtfertigt?

    Lottsiepen: Nein, der ist so, wie er jetzt ist, nicht gerechtfertigt, es sei denn, man sagt, es ist halt das Ziel und Streben eines jeden Unternehmens, so viel Geld wie möglich zu verdienen. Das machen die Mineralölkonzerne. Sie verhalten sich da durchaus systemkonform und realisieren halt immer, wenn es gefühlt eine Krise oder gefühlt eine Knappheit gibt, dann werden die Preise erhöht.

    Barenberg: Seit Jahren wird ja über Absprachen unter den großen Mineralölkonzernen diskutiert. Abzocke an der Zapfsäule - ist das Tatsache, oder ist das Legende?

    Lottsiepen: Die Mineralölkonzerne beobachten sich. Sie haben sehr verfeinerte Systeme inzwischen der gegenseitigen Beobachtung. Die treffen sich heute nicht mehr in dunklen Hinterzimmern und beraten bei Zigarrenrauch, wie sie jetzt möglichst viel vom Verbraucher reinholen können, sondern wenn es Absprachen gibt, dann gibt es solche, dann und dann du zuerst und ich folge. Aber das ist alles schwer nachzuweisen. Es gibt ja immer wieder auch vom Bundeskartellamt die Ansage, dass man dem stärker hinterherkontrollieren will, aber letztendlich passiert dann doch nichts, weil beweisen lässt sich das unheimlich schwer. Da gibt es heute so feine Methoden, wie will man das beweisen.

    Barenberg: Insofern das Kartellamt ein zahnloser Tiger?

    Lottsiepen: Das Kartellamt ist tatsächlich ein zahnloser Tiger.

    Barenberg: Wie schwierig ist denn, so etwas nachzuweisen, oder warum ist das unmöglich?

    Lottsiepen: Ja wie wollen Sie das machen? Irgendwo gibt es vielleicht die Ansage, wenn Esso hochgeht, dann kommt kurz danach Aral, BP – das ist ja inzwischen der gleiche Konzern. Die müssen ja nur auf die großen Tafeln schauen. Die können das machen, indem sie ein bisschen weiter durchs Fernrohr schauen, aber heute ist ja längst alles im Computer hinterlegt, man kann es über Apps kontrollieren und dann sieht man, wenn der Wettbewerber erhöht, dann ziehe ich halt nach. Das machen sie dann ein paar Mal, und wenn sie dann sehen, oh, jetzt wird es knapp, jetzt kommen immer weniger Leute zur Tankstelle, dann gehen wir mal ein bisschen runter. Und dieses sich immer so folgen – sind das Absprachen oder nicht? Das ist alles unheimlich schwer zu entscheiden. Aber nachweisbar, dass die sich getroffen und verabredet haben, um den Kunden zu schaden, ist das kaum.

    Barenberg: Die Konzerne sagen ja, die vielen Preisänderungen zeigen doch, dass der Wettbewerb funktioniert.

    Lottsiepen: Ja, der Wettbewerb funktioniert prächtig nach oben. Immer dann, wenn es gilt, dass die Preise nach oben gedrückt werden sollen und dort Sondergewinne realisiert werden sollen, dann funktioniert der Wettbewerb. Man folgt sich dann halt. Folgen ist ja eine etwas merkwürdige Art von Wettbewerb. Richtig funktionieren würde der Wettbewerb ja dann, wenn der eine hochgeht, geht der andere runter, aber das ist relativ selten zu beobachten.

    Barenberg: Zu hohe Preise, sagen Sie, Herr Lottsiepen. Was könnte die Bundesregierung, was könnte der Gesetzgeber denn überhaupt tun, überhaupt durchgreifend tun?

    Lottsiepen: Das Wichtigste, was der Gesetzgeber tun könnte, ist nicht irgendeine Preiskontrolle oder Preisvorschrift. Das geht in unserem Rechts- und Wirtschaftssystem nicht. Wir sind da auch nicht alleine in Deutschland, sondern das muss man europaweit sehen. Das Wirkungsvollste, was tatsächlich getan werden kann, ist ein CO2-Grenzwert. Das ist gleichzeitig ein Verbrauchsgrenzwert. Dadurch würde dafür gesorgt, dass Neuwagen deutlich weniger Sprit verbrauchen. Zurzeit wird über den Grenzwert für das Jahr 2020 diskutiert. Dort hat die EU einen CO2-Grenzwert von 95 Gramm vorgeschlagen. Der CO2-Grenzwert hängt immer unmittelbar vom Verbrauch ab, weil CO2 ergibt sich nun mal aus dem verbrannten Sprit. Dadurch würde man tatsächlich, wenn man das ambitioniert macht – wir, die Umweltverbände, fordern einen Grenzwert von 80 Gramm -, dadurch würde man tatsächlich den Verbrauch deutlich reduzieren. Wir haben mal ausgerechnet, dass die energieeffizientesten Fahrzeuge, die heute auf dem Markt angeboten werden, im Vergleich zu herkömmlichen Neuwagen auf 100 Kilometer bei einem Spritpreis von zwei Euro, den wir ja bald haben werden, dann fünf Euro pro 100 Kilometer einsparen. Da kann jeder ausrechnen, was das für ihn bedeutet. Wenn so viel Sprit weniger nachgefragt wird, sinkt die Nachfrage, und sinkende Nachfrage bringt normalerweise stabile oder sinkende Preise.

    Liminski: Gerd Lottsiepen, Sprecher und stellvertretender Geschäftsführer vom Verkehrsclub Deutschland, gestern Abend hier im Deutschlandfunk im Gespräch mit meinem Kollegen Jasper Barenberg.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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