Mittwoch, 24. April 2024

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Mit Steuer- und Handelspolitik gegen die Klimaerwärmung: wirtschaftsfeindlich und protektionistisch?

Weil die Industrie mehr Treibhausgase freigesetzt hat als geplant, will Bundesumweltminister Sigmar Gabriel jetzt Druck machen. Gabriel bekam gestern Unterstützung vom französischen Premierminister de Villepin, der die Einführung einer Kohlesteuer sowie höhere Abgaben auf Industrieemissionen und auf Fluglärm ankündigte.

Moderation: Jule Reimer | 14.11.2006
    Jule Reimer: Weil die Industrie mehr Treibhausgase freigesetzt hat als geplant, will Bundesumweltminister Sigmar Gabriel jetzt Druck machen: auf die Stromerzeuger, indem er mit geringeren Ausgaben von Verschmutzungsrechten droht, auf die Autobauer, indem die KfZ-Steuer nicht mehr vom Hubraum, sondern von den Schadstoffen im Auspuffgas abhängig sein soll. Prompt drohte die Energiewirtschaft indirekt mit einem Investitionsstopp zurück: die Versorger könnten unter diesen Bedingungen nicht über 2012 hinaus planen. Gabriel bekam gestern Unterstützung vom französischen Premierminister de Villepin. Der kündigte für Frankreich die Einführung einer Kohlesteuer sowie höhere Abgaben auf Industrieemissionen und auf Fluglärm an.

    An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich begrüße ich jetzt Renate Schubert, Professorin für Volkswirtschaft und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der deutschen Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen.

    Sind dies nur Möchtegern-Ankündigungen von Politikern, die vor der Wirtschaft dann wieder einknicken?

    Renate Schubert: Hallo, Frau Reimer. Natürlich kann man das nicht ausschließen und natürlich kennen wir das von Politikern, dass sie so ein bisschen die Trommel für sich und ihre Regierung rühren müssen. Aber ich habe so allmählich so den Eindruck, dass zunehmend der Anteil des ernst gemeinten doch etwas größer wird und dass wir vielleicht nicht so eine Enttäuschung wie wir es mit Herrn Trittin damals hatten - natürlich nicht unbedingt verursacht durch ihn, aber durch die ganze Regierung- doch die nationalen Allokationspläne für Emissionsrechte so aussahen, dass eben die Industrie an vielen Stellen sehr stark geschont wurde. Ich hoffe also, dass diesmal ein bisschen mehr dabei ist.

    Reimer: Was müsste denn weiterhin in Deutschland geschehen, in Sachen Steuerpolitik, Finanzpolitik, um das Klima stärker zu schützen?

    Schubert: Ja, es muss einfach so sein, dass diejenigen Autos, Flugzeuge, was auch immer das sein mag, die umweltfreundlich sind, bevorzugt werden, steuerlich, gegenüber anderen, bzw. dass die, die Emissionsschleudern alter Art sind, dass die benachteiligt werden und konkret muss das heißen, dass tatsächlich Autos stärker als bisher nach Emissionen besteuert werden, also die Autofahrer müssen sich da glaube ich, auf ein bisschen mehr gegenwind gefasst machen. Es muss auch das Flugbenzin beispielsweise nicht mehr steuerbefreit sein, wie bisher und hier gibt es auch inzwischen einen Vorstoß auf der EU-Ebene mal wieder, zu versuchen, die Emissionen aus dem Luftverkehr in den Emissionshandel mit einzubeziehen und interessanterweise scheinen so allmählich die Fluggesellschaften auch an diesem Strange mitzuziehen, weil sie den Eindruck haben, wenn wir uns auf den Emissionshandel einlassen, dann können wir eine Besteuerung vermeiden und das schätzen die Gesellschaften doch dann als einen gewissen Vorteil für sich ein.

    Reimer: Gehen wir mal aufs internationale Parkett: De Villepin hat ja gleichzeitig erklärt, die Europäische Union müsse auch international gegen Umweltdumping vorgehen, zum Beispiel mit einer CO2-Stuer auf Handelswaren, die aus Ländern stammen, die nicht einem Kioto-Nachfolgeabkommen beigetreten wären. Der EU-Handelskommissar
    Mandelson hat sich bereits ähnlich geäußert. Allerdings will er klimaschützende Staaten durch Zollerleichterungen begünstigen, also genau umgekehrt. Ist das alles protektionistischer Unfug oder kann das ein sinnvoller Ansatz sein?

    Schubert: Ja, ich denke grundsätzlich kann das schon ein sinnvoller Ansatz sein. Es ist ja gemünzt, vor allem in Richtung USA natürlich und hier ist einfach die Idee einerseits den politischen Druck zu erhöhen, dass die Amerikaner eben doch dem Kioto-Protokoll beitreten und bei Folgemaßnahmen dann auch stärker beteiligt sind als bisher, zum anderen ist es natürlich auch so, dass man tatsächlich sehen muss, wenn die EU jetzt eine strengere Umweltpolitik macht, die USA das aber nicht tun, dann hat also der Reno der in Frankreich produziert wird also künftig wirklich einen Kostennachteil gegenüber dem amerikanischen Auto und dann durch einen Zoll diesen Nachteil auszugleichen, dass macht eigentlich grundsätzlich schon Sinn.

    Reimer: Aber das wäre doch bei der Welthandelsorganisation wahrscheinlich gar nicht durchsetzbar. Es müssen ja alle gleich behandelt werden…

    Schubert: Genau. Im Sinne der Gleichbehandlung würde das natürlich vor allem auch bedeuten, dass auch Produkte aus Ländern die gar nicht zum Kioto-Protokoll gehören oder gehören können nach dem gegenwärtigen Stand, also insbesondere auch alle Arten von Entwicklungsländern, eben von den gleichen Zöllen dann belastet werden und deswegen ist natürlich der Vorschlag von Mendelson sehr interessant, der sagt, da müssen umweltschädliche Produkte nicht zusätzlich belastet werden, sondern eben für diejenigen, die umweltfreundlich produziert werden, könnte man sich eine stärkere Zollreduktion oder eine schnellere Zollreduktion vorstellen, als das so im Moment mal geplant ist. Also das scheint mir der interessantere Vorschlag zu sein, der eben dann auch diese negativen Effekte für Entwicklungsländer vermeiden würde.

    Reimer: Könnte das einen richtigen Handelskrieg mit den USA auslösen? Ist das nicht auch gefährlich?

    Schubert: Ja könnte natürlich schon, aber ich denke, dass sich die gegenwärtige politische Lage in den USA ja doch so verändert hat, dass es vielleicht auch gar nicht so einen Hammer mehr braucht, zu sagen also wenn ihr jetzt nicht allmählich mal mitmacht bei den starken Emissionsreduktionen, dann werden wir euere Produkte zunehmend mit Einfuhrzöllen belegen. Also ich hoffe eigentlich und gehe davon aus, dass das politische Klima sich doch dahingehend geändert hat, dass es viel einfacher sein wird, als es auch schon war, die USA da künftig mit ins Boot zu bekommen und dass man sich dann Handelskrieg und ähnliches sparen kann.