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Mit Tierblut gegen die Pressefreiheit

Im südlichen Brandenburg liegt das Städtchen Spremberg, nach eigener Auskunft die Perle der Lausitz. Doch hier trügt, wie auch sonst so oft, die Idylle. Denn es gibt eine aktive Neonazi-Szene in der Stadt – und die hat nun die "Lausitzer Rundschau" ins Visier genommen.

Von Axel Flemming | 05.05.2012
    "Laienchöre wetteifern um den Wanderpokal des Bürgermeisters" oder "Siedlung der Vogelnamen feiert ihr Jubiläum" - solche Schlagzeilen bestimmen häufig die lokalen Aufmacher der Lausitzer Rundschau in Spremberg. Aber manchmal, wie am letzten Wochenende heißt es auch "Vermummte Neonazis am Bismarckturm". In dem Artikel geht es um die rechtsextreme Szene, die sich schon mal mit Fahnen, Fackeln und Transparenten in der Öffentlichkeit zeigt. Ein Thema für das Lokalblatt, aber auch Anlass für einen Anschlag auf das Redaktionsbüro. Auch die Polizei bewertet den Schriftzug "Lügenpresse halt die Fresse", ans Fenster in der Baderstraße gepinselt so; und vermutet schon in einer ersten Meldung einen politischen Hintergrund. Ines Filohn, Sprecherin der Polizeidirektion Süd:

    "Die Lausitzer Rundschau ist sehr kritisch, was Rechtsextremismus und andere kriminelleTendenzen sind, und berichtet auch sehr aktiv darüber. Und da vermuten wir den Hintergrund für diese Straftat."

    Auch der Verfassungsschutz spricht von einem Vergeltungsschlag. Bei dem blieb es nicht: Die Rechtsradikalen kamen in der Nacht zum Dienstag wieder, sie hängten dann Innereien von Tieren ans Schild der Redaktion. Sie fühlten sich sicher; das passt in das Bild, das der Artikel von Spremberg gezeichnet hat.

    Er zitiert Anett Müller vom Mobilen Beratungsteam aus Cottbus, das die Nazi-Szene untersucht mit den Worten: "In Spremberg treffen die Rechtsextremen nicht auf den Gegendruck, mit dem sie sich mittlerweile in anderen Orten konfrontiert sehen – vielmehr sind sie hier gut vernetzt."

    "Sie sind durchaus schlagkräftig, also das zeigt ganz einfach auch, dass sie Autos demolieren, Leute zusammenschlagen. Und in den vergangenen Jahren gab's ja immer wieder Zwischenfälle, gerade zu großen Festen, der Stadt. Die ist gewaltbereit die Szene, also ist nicht zu verachten."

    Allerdings, um nicht nur Schwarz-Weiß zu malen: Spremberg ist kein Nazi-Nest.
    Zu Demonstrationen der NPD beispielsweise gibt es auch Gegendemonstrationen, die sich klar artikulieren. Dennoch, die Lausitzer Rundschau berichtete mehrfach kritisch über die rechte Szene in Spremberg. "Eklig, anonym und feige", nennt Johannes M. Fischer, der Chefredakteur die Anschläge. In einem Kommentar am ersten Mai schreibt er:

    "Doch wer glaubt, die Redaktion der 'Rundschau' ließe sich von dummen Sprüchen oder ekligen Abfällen abschrecken, ist schief gewickelt."

    Dem RBB erklärt er:

    "Für uns ist das allerdings keine Bedrohung, die uns Angst macht, sondern das ist eine Bedrohung, die uns herausfordert noch intensiver zu recherchieren, noch akribischer, und noch stärker zu schreiben."
    Denn ein Angriff auf die Pressefreiheit, da ist auch die Politik gefragt.
    Sprembergs Bürgermeister Klaus-Peter Schulze (CDU) nennt die Anschläge eine "Sauerei". Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD), verurteilte die Übergriffe als "Signal armseliger Schwäche". Die Spremberger Landtagsabgeordnete der Linken Birgit Wöllert, sagt, das Problem sei in Spremberg nicht neu. Es zeige sich, dass man sich immer wieder neu mit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und nationalsozialistischem Gedankengut auseinandersetzen müsse.

    "Die heute auf der Straße sind, können schon die Kinder der Generation von 1991 und '90 sein, gerade 1991 mit dem Überfall auf das Asylbewerberheim in Schwarze Pumpe, wo sich als Reaktion der Runde Tisch gebildet hat, wo wir Gegenstrategien erarbeitet haben, und da müssen wir ständig dran bleiben."

    Am Donnerstag schließlich äußert sich auch die brandenburgische Staatskanzlei: "Die Übergriffe auf die 'Lausitzer Rundschau' sind ein Angriff auf die Grundfesten unserer Demokratie." erklärte der Regierungssprecher. Er lobt die eindeutige Haltung der "Lausitzer Rundschau" nach den Anschlägen. Das Agieren der Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen und der Leitung des Blattes verdient Respekt und Anerkennung. Chefredakteur Fischer:

    "Ich hab den Eindruck, dass die Kollegen sehr souverän mit dem Thema umgehen. Und insgesamt sind wir da sehr breit aufgestellt. Das sind viele Kollegen, die zu diesem Thema schreiben können und wollen und da auch engagiert sind. Ich hab den Eindruck, dass die sehr gut damit umgehen."

    Die Polizei überwacht das Gebäude in regelmäßigen Streifengängen, der polizeiliche Staatsschutz ermittelt.