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"Mit zu heißer Nadel gestrickt"

Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Stuttgart-Hohenheim, zeigt sich gegenüber dem neu ausgehandelten Rettungspaket für die "Hypo Real Estate" skeptisch. Es sei sehr schnell verabschiedet worden, daher werde man erst in den nächsten Tagen sehen, ob hierbei Fehler gemacht wurden und "ob es taugt, um die 'Hypo Real Estate' über die nächsten Monate zu bringen".

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Friedbert Meurer | 06.10.2008
    Friedbert Meurer: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Das lässt Berthold Brecht bekanntlich Mackie Messer fragen in der "Drei-Groschen-Oper". Eine Bank zu gründen, soll in Deutschland auch künftig straffrei bleiben. Über Strafen wurde überhaupt nicht diskutiert, gestern in Berlin bei den Verhandlungen, wohl aber über eine halbe Billion Euro Sparguthaben der Deutschen und über die Zukunft der DAX-geführten Bank "Hypo Real Estate".

    Letzten Sonntag erst war es, also jetzt vor acht Tagen. Da saßen der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zusammen, um das Rettungspaket, das erste für die HRE-Bank zu schnüren. Unter erheblichem Zeitdruck, denn die Börse in Tokyo wartete und Frankfurt dann auch und dann musste eben Klarheit her. Diese Klarheit hat nur bis zum Wochenende gehalten. Dann gab es wieder ein Krisentreffen. Weitere Milliarden mussten her und es gab wieder eine Entscheidung.

    Also Börsenverluste trotz des Rettungspakets für die "Hypo Real Estate". Es gibt Zweifel in der Branche, ob das alles so funktionieren wird. - Am Telefon begrüße ich Hans-Peter Burghof. Er ist Professor für Bankwirtschaft an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Guten Tag, Herr Burghof.

    Hans-Peter Burghof: Guten Tag!

    Meurer: Wie sehr taugt denn jetzt dieses neue zweite Paket für die "Hypo Real Estate", um diese Bank tatsächlich vor der Pleite zu retten?

    Burghof: Ich nehme an, das Paket ist gestern Nacht sehr, sehr schnell gestrickt worden, und man wird erst in den nächsten Tagen sehen, ob man da nicht irgendwo beim Schnellstricken eine Masche hat fallen lassen. Ich denke, das muss erst konkret ausformuliert werden. Dann schauen wir mal, was wir tatsächlich in den Händen halten, und ob das taugt, um die "Hypo Real Estate" zumindest mal über die nächsten Monate zu bringen.

    Meurer: Ist das der Fehler vor einer Woche gewesen, dass da schon zu schnell mit zu heißer Nadel gestrickt wurde?

    Burghof: Ja, man ist da halt im Konflikt. Einerseits muss man sehr schnell Lösungen kriegen, um die Kapitalmärkte nicht zu verunsichern, aber auch die Anleger in Deutschland, die Einleger in Deutschland nicht zu verunsichern. Andererseits muss man natürlich so eine ganze Bank auf die Waage stellen und gucken, was habe ich dort tatsächlich, und so eine Bank ist unendlich komplex.

    Meurer: Was die Bundesregierung, aber auch Bankenvertreter teilweise aufbringt, ist ja, dass es jetzt auf einmal aus der "Hypo Real Estate" hieß, wir brauchen noch mal 15 Milliarden Euro mehr. Wie kann es sein, dass man 15 Milliarden Euro übersieht?

    Burghof: Ja, da schütteln wir alle den Kopf. Der Finanzminister hat ja mehr oder weniger deutlich gemacht, dass er sich da vollkommen betrogen und angelogen fühlt, auch wenn er das etwas vornehmer ausgedrückt hat. Die Aussage der Bank ist dazu eher: Das ist halt erst in den letzten Tagen so rausgekommen, das hat sich entwickelt. Tatsächlich ist das ja letztlich eine Prognose. Wir machen eine Prognose darüber, wie viel Geld wir tatsächlich an den Kapitalmärkten refinanzieren können und wie viel wir auf anderen Wegen deswegen brauchen. Und Sie wissen: Jede Prognose kann falsch sein. Und das ist offenbar hier der Fall gewesen.

    Meurer: 15 Milliarden Euro sind ja wahrlich kein Pappenstiel. Wie kann man in der Prognose so daneben liegen? Sie glauben also, es war eine falsche Prognose und keine Lüge?

    Burghof: Ich weiß es schlichtweg nicht. Ich kann nicht hinter die Stirn des Vorstandsvorsitzenden der "Hypo Real Estate" gucken, was der wusste und was er nicht wusste. In normalen Zeiten sind 15 Milliarden Schätzfehler natürlich vollkommen undenkbar. Aber wir haben keine normalen Zeiten. Die Märkte verändern sich sehr, sehr schnell mit rasendem Tempo und da kann es schon mal passieren, dass man sich ganz heftig geschnitten hat mit so einer Prognose.

    Meurer: Wenn man betrachtet, wie jetzt die Einigung aussieht, dann fällt ja auf, dass die Bundesregierung nicht für mehr und weitere Milliarden Euro bürgen muss. Ist es tatsächlich so, dass die privaten Banken jetzt mehr Verantwortung übernehmen?

    Burghof: Das muss man mal abwarten. Wenn man die genauen Details kennt, wird man darüber mehr wissen. Zum jetzigen Stand kann ich nicht wirklich viel dazu sagen, weil man abwarten muss, ob wirklich Banken irgendwo auf versteckten Wegen noch einen Vorteil aus der neuen Regelung gezogen haben.

    Ich würde mal vermuten, dass irgendwo die Bundesregierung ihnen auch ein bisschen entgegenkommen musste, damit sie zu einer Unterschrift zu bewegen waren. Aber das werden wir erst erfahren. Tatsächlich hat ja die Bundesregierung für diese Einigung sehr, sehr teuer bezahlt, aber an ganz anderer Stelle, nämlich mit dem Versprechen, alle Einlagen in Deutschland zu sichern, was ja überhaupt erst die Freiheit gab, gegenüber den Banken so hart zu verhandeln.

    Meurer: Warum ist das ein teueres Versprechen, über 500 Milliarden Euro an Sparguthaben zu garantieren?

    Burghof: Zunächst einmal ist es kein teueres Versprechen, solange die Banken tatsächlich nicht ausfallen. Wenn die Banken ausfallen, muss die Bundesregierung halt dann auch zu dem Versprechen stehen und dafür sorgen, dass die Sparer keinen Schaden erleiden. Je nachdem, wie viel Schaden wir tatsächlich in dem Banksystem haben, kann das erheblich teuerer werden, als man sich das heute vorstellt.

    Meurer: Welche Summe halten Sie da für möglich, die der Staat berappen muss?

    Burghof: Das wäre jetzt reine Spekulation. Dazu können wir gar nichts sagen. Das weiß man schlichtweg nicht.

    Meurer: Wie viel ist eine solche Garantie für den Sparer wert?

    Burghof: Es ist die beste Garantie, die wir in der gegenwärtigen Situation haben können, denn die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Wirtschaftskraft, mit ihrer Steuerkraft ist natürlich der beste Garant für die Stabilität des Bankensystems. Problem ist natürlich dabei, dass die Krise dadurch nicht unbedingt billiger zu bewältigen ist.

    Meurer: Welche Anlageformen fallen eigentlich unter die Garantie genau und welche nicht?

    Burghof: Dazu hat natürlich keiner irgendetwas Genaueres gesagt. Die kleine Zahl, die ursprünglich vom Finanzministerium genannt wurde, deutet darauf hin, dass nur sehr eingeschränkt Anlageformen tatsächlich davon betroffen sind, nämlich nur die klassischen Spareinlagen.

    Ich vermute aber nicht, dass das so gemeint ist, denn wenn man das tatsächlich so meinen würde, würde das ja unmittelbar zu gewaltigen Vermögensumschichtungen in eben diese Spareinlagen führen. Und das kann die Bundesregierung nicht wollen. Das heißt also, sie wird in der Praxis diese Garantie deutlich weiter fassen müssen, was natürlich auch heißt, dass dieser ursprüngliche Milliarden-Betrag von, ich glaube, 568 Milliarden, der vom Sprecher des Finanzministeriums genannt wurde, schon jetzt Makulatur ist. Den sollte man, glaube ich, gar nicht mehr diskutieren.

    Meurer: Auf welche Anlageform wird die Garantie also Ihrer Meinung nach noch übergreifen?

    Burghof: Ich denke, das wird übergreifen auf alle Anlageformen, wo die Banken haften, bis auf - da ist man inzwischen nun einer Meinung - Fonds und Zertifikate, wo die Bank ja nicht als Intermediär direkt auftritt, beziehungsweise wo von vornherein klar gesagt wurde, das hängt wirklich nur an der Bonität der Bank.

    Meurer: Was raten Sie dem Sparer, Herr Burghof? Soll er sein Geld abheben, in einen Strumpf stecken, zu Hause sicher deponieren, oder auf einem Sparkonto lassen?

    Burghof: Und wenn wir das alle tun, dann ist das Geld im Strumpf auch nichts mehr wert. Insofern ist das keine sinnvolle Strategie, das hilft uns nichts. Ich denke, es gilt das, was in guten Zeiten auch gilt. Sie müssen gut diversifiziert sein. Wenn Sie ein bisschen größeres Vermögen haben, müssen Sie in verschiedene Anlageformen investiert sein. Dann müssen Sie sehen, dass Sie auch bei verschiedenen Anbietern engagiert sind und dass nicht hinter all diesen Anlagen häufig der gleiche Anbieter steht. Das heißt also: gut streuen. Und so ganz nebenbei, was mir da auch einfällt: Wenn Sie eh mal eine größere Anschaffung machen wollten, machen Sie sie ein bisschen schneller. Das ist für die Wirtschaft gut und Sie sind dann noch ein bisschen besser diversifiziert.

    Meurer: Das war der Professor für Bankwirtschaft Hans-Peter Burghof von der Universität Stuttgart-Hohenheim. Schönen Dank.