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Mitarbeiter-Überwachung
Warten auf ein neues Arbeitnehmerdatenschutzgesetz

Ausspähung von E-Mails, Protokolle über Krankenstände oder auch Videoüberwachungen. In vielen Unternehmen ist der Datenschutz von Mitarbeitern nicht ausreichend. Doch ein Gesetz, dass dieses unterbinden kann, lässt auf sich warten.

Von Manfred Kloiber | 02.10.2014
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    Mitarbeiter-Überwachung ist bei manchen Firmen eine neue Strategie in der Unternehmensführung (picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel)
    Frühjahr 2008 – Im Magazin "Stern" können die Deutschen lesen, wie Mitarbeiter des Lebensmitteldiscounter Lidl auf Schritt und Tritt kontrolliert wurden. Von Toiletten-Protokollen ist die Rede, von Vermerken über das Liebesleben der Angestellten und von Kameras nicht nur im Kassenbereich, sondern auch in Umkleideräumen und im Sanitärbereich. Die Geschäftsleitung gibt sich ahnungslos, versucht es, als Einzelfälle darzustellen.
    "Wir können im Moment nur so interpretieren, dass der ein oder andere in einem Übereifer Dinge notiert hat, die uns wirklich nicht interessieren und uns an der Stelle bei allen Mitarbeitern, die dort erwähnt sind, wirklich noch einmal entschuldigen."
    Gegen Lidl wird ein Bußgeld verhängt – etwas mehr als 1,4 Millionen Euro. Davon – so dokumentiert es die Wikipedia – 350.000 Euro wegen der Nichtbestellung betrieblicher Datenschutzbeauftragter. Nur ein Jahr später gerät Lidl erneut in die Schlagzeilen, weil Akten mit Krankheitsprotokollen über Mitarbeiter gefunden werden.
    Überwachung von Mitarbeiter-E-Mails
    Zwischenzeitlich erregt der Datenskandal bei der Deutschen Bahn Anfang 2009 die Gemüter. Der Email-Verkehr von rund 170.000 Mitarbeitern des Verkehrsunternehmens wurde systematisch überwacht, um Korruption und Geheimnisverrat aufzudecken. Auch der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn wiegelt erst mal ab:
    "Es handelt sich hier nicht um einen Datenskandal, sondern um eine Kampagne zur Veränderung der Unternehmensführung und der Unternehmenspolitik. Anders kann ich das nicht werten."
    Ende März 2009 tritt Mehdorn zurück – und auch die Deutsche Bahn AG muss zahlen – rund 1,1 Millionen Euro. Der Datenschutz für Arbeitnehmer ist in aller Munde. Gleichzeitig sorgt eine Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom AG für große Aufregung. Ein eigenes Gesetz über den Datenschutz für Beschäftigte liegt lange schon auf Eis – jetzt unternimmt die Bundesregierung einen neuen Anlauf. Doch auch der Entwurf des sozialdemokratischen Arbeitsministers Olaf Scholz verschwindet schnell wieder in der Versenkung - im Herbst 2009 wird gewählt.
    Gesetz beflügelt Videoüberwachung
    Und die neu eingesetzte CDU/FDP-Koalition verwirft das eigenständige Gesetz der Vorgänger-Regierung. Stattdessen legt das Bundesinnenministerium 2010 einen Referenten-Entwurf für Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz vor. Doch im Rückblick stellt der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar fest:
    "Teilweise ist das, was da vorgeschlagen wurde, mehr Überwachung ermöglichte als heute. Ich denke da an die Videoüberwachung, die sehr viel stärker stattfinden dürfte nach diesem Gesetzentwurf. Und deshalb haben ja auch die Gewerkschaften da sehr massiv kritisiert. Ich konnte das sehr gut verstehen. Ich hab diese Kritik zum großen Teil auch geteilt. Und die neue Koalition hat jetzt die Chance, das besser zu machen."
    Warten auf die EU
    Doch diese Chance nimmt auch die aktuelle Bundesregierung offenbar nicht wahr – denn bis heute gibt es keinen neuen Vorstoß für ein Beschäftigten-Datenschutzgesetz. Das liegt auch daran, dass in der Europäischen Union über eine neue Datenschutz-Grundverordnung verhandelt wird. Aber während die neuen EU-Regeln in Sachen Datenschutz gegenüber Internetkonzernen mit vielen positiven Details aufwarten, befürchten Kritiker wie der Berliner Datenschutz-Beauftragte Dr. Alexander Dix für Arbeitnehmer Verschlechterungen:
    "Der europäische Gesetzgeber traut sich offenbar noch nicht, eine wirkliche Harmonisierung des Beschäftigtendatenschutzes in Europa anzustoßen, weil die Rechtsordnungen in diesem Punkt noch zu unterschiedlich sind. Sondern, da ist eine Öffnungsklausel in der Datenschutz-Grundverordnung, die den Mitgliedsstaaten einen gewissen Freiraum lässt, aber sie an den Rechtsrahmen der Grundverordnung bindet. Und was das bedeutet, das ist im Einzelnen noch offen. Da droht durchaus eine Absenkung des Beschäftigten-Datenschutzes."