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Mitgliederbefragung beendet
Großer Aufwand um neuen SPD-Vorsitz

Der Aufwand, mit dem die SPD die Nahles-Nachfolge bestimmt ist gewaltig: Im ersten Anlauf ist jedoch unwahrscheinlich, dass eines der sechs Paare die notwendige absolute Mehrheit für den SPD-Vorsitz bekommen wird. Auf 23 Regionalkonferenzen haben sich die Bewerber überall in Deutschland vorgestellt.

Von Frank Capellan | 26.10.2019
Parteimitglieder der SPD gehen an einem beleuchteten Parteilogo vorbei
Die Parteimitglieder haben abgestimmt, das Interesse aber wohl eher "ernüchternd" (dpa-Zentralbild / Jan Woitas)
An Selbstbewusstsein jedenfalls mangelt es Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nicht. Beide haben keinen Zweifel daran, dass sie es sind, die in die Stichwahl um den SPD-Vorsitz kommen werden. Sie haben schon einmal ein Papier vorgelegt, als Grundlage für Verhandlungen mit der Union über einen neuen Koalitionsvertrag. Warum schon jetzt, bevor überhaupt klar ist, ob sie eine Chance haben weiterzukommen, wird Esken, Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg gefragt.
"Weil wir der Meinung sind, dass wir in die Stichwahl kommen, und ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn wir in die Stichwahl kommen, uns dann auch ernst nehmen wird und dass wir dann auch Gespräche führen können."
Saskia Esken (r.) und Norbert Walter-Borjans (l.) posieren nach einer Pressekonferenz zur Vorstellung ihrer Kandidatur für den SPD-Parteivorsitz. Die SPD startet in den Wettbewerb um den Parteivorsitz. Acht Kandidatenduos und ein Einzelbewerber stellen sich in 23 Regionalkonferenzen bis Mitte Oktober der Parteibasis und der Öffentlichkeit vor.
Saskia Esken (r.) und Norbert Walter-Borjans (l.) posieren nach einer Pressekonferenz zur Vorstellung ihrer Kandidatur für den SPD-Parteivorsitz. (picture alliance/Carsten Koall/dpa)
Esken und Walter-Borjans erhielten eine Favoritenrolle durch den Umstand, dass sich der Juso-Vorstand unter Kevin Kühnert für den ehemaligen Finanzminister aus NRW aussprach. Sollten die 80.000 Juso Mitglieder dieser Empfehlung folgen, wäre das eine Bank. Man will uns diskreditieren, meint Walter-Borjans mit Blick auf die Spekulation, er habe dem Juso-Vorsitzenden für dessen Unterstützung schon den Posten des Generalsekretärs versprochen: "Ganz klar: Das hat es an Gesprächen nicht gegeben!"
Drei SPD-Logos sind im Hintergrund eines Rednerpultes zu sehen.
Rennen um SPD-Vorsitz: Das sind die Kandidaten
Wer soll die SPD führen? Und wer will das überhaupt? Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles hatten SPD-Spitzenpolitiker reihenweise abgewunken. Dann wurde es eng auf dem Kandidaten-Karussell. Übrig geblieben sind sechs Bewerberpaare. Jetzt wird ausgezählt, das Ergebnis wird um 18 Uhr erwartet.
"Wir sind ein Laden!"
Im ersten Anlauf wird keines der sechs Paare die notwendige absolute Mehrheit bekommen, das scheint so gut wie sicher. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, der mit Kristina Kampmann ins Rennen geht, die beiden sind mit 49 und 39 Jahren die jüngsten Kandidaten, dürfte wohl Recht behalten.
"Ich halte grundsätzlich alles für möglich. Nur eines nicht: Dass ein Team auf über 50 Prozent im ersten Wahlgang kommt."
Heute Abend werden die beiden besten Duos übrig bleiben, dann dürfen die 430.000 SPD-Mitglieder noch einmal entscheiden. Am 29. November soll dann endgültig klar sein, wer die angeschlagenen Sozialdemokraten führt. Auf 23 Regionalkonferenzen haben sich die Bewerber überall in Deutschland vorgestellt.
"Alle, die da waren sind immer aus dem Saal gegangen und haben das Gefühl gehabt, wir sind nicht zufällig in einer Partei, wir gehören als Männer und Frauen zusammen. Wir sind ein Laden!"
So hat der Finanzminister das Schaulaufen empfunden. Olaf Scholz und seine Co-Kandidatin Klara Geywitz gehören zweifelsohne zu den Favoriten. Allerdings: Wäre bei den Regionalkonferenzen über sie abgestimmt worden, hätten sie einen schweren Stand gehabt. Scholz steht wie kein anderer im Feld für ein Weiter so, für den Verbleib in der Großen Koalition, für das Festhalten an der Schwarzen Null – das kam in den Sälen nicht wirklich gut an. In der geheimen Abstimmung aber könnte schon reichen, dass der Vizekanzler der Prominenteste ist.
Olaf Scholz und Klara Geywitz in der Bundespressekonferenz.
Olaf Scholz und Klara Geywitz in der Bundespressekonferenz (AFP / John MacDougall)
Dem Groko-Kämpfer gegenüber stehen Karl Lauterbach und Nina Scheer, die sofort aus dem Bündnis mit der Union aussteigen wollen – auch wegen der Klimabeschlüsse.
Scheer: "So können wir jedenfalls nicht weiter mitmachen und deswegen ist dieses Klimapaket in dieser Form ein weiterer Beleg dafür, dass die Politik in der Großen Koalition von uns so nicht weiter mitgetragen werden kann."
Bislang nur 30 Prozent der Befragten abgestimmt
Petra Köpping, sächsische Integrationsministerin und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sind zwar ebenfalls Groko-Skeptiker, halten aber nichts von der überstürzten Flucht aus der Regierungsverantwortung und präsentieren sich als besonders harmonisches Duo.
Pistorius: "Wir funktionieren als Team hervorragend, wir müssen uns selbst bei Interviews, die wir an verschiedenen Orten zur gleichen Zeit machen, nicht einmal abstimmen, so deckungsgleich sind die meisten Positionen."
Bleiben schließlich Gesine Schwan als ehemalige Bundespräsidentschaftskandidatin der SPD und Parteivize Ralf Stegner. Bei den Regionalkonferenzen haben sie viel Beifall bekommen, nicht zuletzt für eine humorvolle Präsentation sehr linker Positionen. Die Menschen müssen wieder wissen, was die SPD will, ist Stegners Credo.
"Wir reden auch noch darüber, dass wir eine Grundrente brauchen, die den Namen verdient, dass erkennbare Schritte in Richtung in Beseitigung der Kinderarmut gegangen werden, Verteilungsgerechtigkeit, und auch europäische Initiativen, die nicht in Richtung Aufrüstung gehen."
Der Aufwand, mit dem die SPD die Nahles-Nachfolge bestimmt ist gewaltig, das Interesse der Mitglieder ernüchternd. Zur Halbzeit der Befragung hatten nur 30 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, das die Beteiligung am Ende so gut sein könnte wie 2018 bei der Abstimmung über die Koalition mit der Union, als 76 Prozent der Mitglieder dabei waren, gilt als unwahrscheinlich.