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Mobben per Mausklick

Immer häufiger müssen sich Polizei und Schulen mit dem Thema Internetkriminalität beschäftigen. Eine Internetplattform fällt in diesem Zusammenhang besonders negativ auf.

Von Katja Bigalke | 24.03.2011
    In den letzten Wochen kam es gehäuft zu Fällen, die mit der Plattform "isharegossip" in Zusammenhang standen. Eine Seite, die deutschlandweit vor allem von Schülern genutzt wird, um anonym Beleidigungen über Mitschüler auszutauschen –

    Am Schadow Gymnasium in Berlin Zehlendorf läuft der Schulbetrieb eigentlich wieder wie immer. Der Unterricht findet statt, die Jugendlichen kommen ohne ihre Eltern zur Schule und vor der Tür steht auch keine Polizeistreife mehr. Das sah in der vergangenen Woche noch ganz anders aus:
    "Auf der Internetseite "isharegossip" hat es am Sonntag vor einer Woche abends einen Eintrag gegeben, der als Amokdrohung einzuschätzen war. Eine Drohung gegen die Schule, dass jemand hier zur Schule kommen will und er die Absicht hat Menschen umzubringen, die mögen sich also in Sicherheit bringen, sein Hass sei symbolisch gegen die Schule gerichtet."

    Die auf der Mobbing-Plattform verbreitete Nachricht habe sich wie ein Lauffeuer unter den Schülern verbreitet, sagt Schuldirektor Harald Mier. Mit der Folge: Obwohl die Polizei noch in der Nacht Entwarnung gab und die Ernsthaftigkeit des Eintrags verneinte, fiel der Unterricht am nächsten und auch am übernächsten Tag nach einer weiteren Androhung aus. Wegen Schülermangel.

    Erst nachdem sich der Eintrag tatsächlich als hohle Drohung herausstellte, normalisierte sich der Betrieb am Gymnasium wieder. Mier hat aus dem Fall eine recht lapidare Lehre gezogen:
    "Man muss damit leben, dass irgendwelche Einrichtungen durch solche Drohungen lahm gelegt werden können. Dass die Menschen Ängste haben. Auf der anderen Seite muss man auch einen Weg wieder zurück finden."

    Zum Weg zurück gehört am Schadow Gymnasium auch eine Diskussion über die Seite "isharegossip". Die Plattform, die den Usern absolute Anonymität zusichert und sie dazu ermuntert mal richtig über Mitschüler abzulästern, erfreut sich deutschlandweit einiger Beliebtheit. Gut 20.000 Besucher zählt die Seite täglich. In den Foren der einzelnen Schulen wird rege diskutiert zu Fragen wie wer das hässlichstes Mädchen der Schule ist oder wer die größte Schlampe.

    "Das ist rassistisch, sexistisch, beleidigend, menschenverachtend."

    Wichtig meint Mier sei hier erstmal Aufklärung: Dass die Schüler wissen, dass sie Anzeige erstatten können gegen die unbekannten Verleumder und dass natürlich auch Amokdrohungen, wie sie auch bei anderen Schulen über die Seite kommuniziert werden, strafrechtliche Konsequenzen haben. An Miers Schule bereitet die Oberstufe derzeit eine Kampagne gegen die Seite vor:

    "Es gibt jetzt an der Schule eine Aktion "We hate gossip" – da werden halt Unterschriften gesammelt von Leuten, die sich engagieren, dass das nicht benutzt wird."

    "Es gibt auch so ein Event bei Faceboook, da wollten möglichst viele Leute gleichzeitig was posten, damit dieser Server abstürzt."

    Und trotzdem kann sich kaum jemand ganz dem Einfluss der Seite entziehen. Da gibt es etwa die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe, der wichtigsten Nutzergruppe der Plattform, die es schlicht nicht schaffen, den gossip einfach zu ignorieren:

    "…weil ich auch wissen will, was da über meine Freundinnen steht, dass ich auch was dagegen sagen kann."

    "Über eine aus unserer Klasse wurde auch was geschrieben, die musste dann auch weinen und aus der Klasse gehen, ist schon scheiße."

    Und auch in der Oberstufe hat zumindest die Amokdrohung das Klima nachhaltig verändert:

    "Hier ist ja jetzt auch so ne Hexenjagd, wer war das jetzt - die Außenseiter, die werden jetzt mehr ausgeschlossen, weil man Angst hat."

    Dass die Internetplattform längst auch im realen Leben ihre Spuren hinterlässt, beweist auch der jüngste Fall in Berlin, wo ein 17-jähriger Schüler, dessen Freundin unter dem Cybermobbing auf "isharegossip" schwer zu leiden hatte, das Gespräch suchte mit den vermeintlichen Beleidigern. Die Konsequenz: Der Junge wurde brutal zusammengeschlagen und liegt nun mit schweren Verletzungen im Krankenhaus.

    Auch weil Straftaten wie diese passieren, versucht die Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität in Gießen seit Anfang des Jahres den Betreiber der Seite wegen Verleumdung, übler Nachrede und Volksverhetzung zur Verantwortung zu ziehen. Mehr als 50 Klagen von Betroffenen liegen dem Oberstaatsanwalt Günter Wittig allein aus dem Rhein-Main-Gebiet auf dem Tisch: Aber es ist gar nicht so leicht dem Betreiber, der einen Server in Schweden nutzt, auf die Spur zu kommen:

    "Die rechtlichen Möglichkeiten sind die wie bei allem anderen Fällen auch, nur hier gestalten sich die Ermittlungen sehr schwierig, die Betreiber sehr konspirativ vorgehen. Alles ist auf Verschleierung ihrer Aktivitäten angelegt. So werden ausschließlich Internetprovider genutzt, die keine Daten speichern."