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Mobile World Congress
Freie Handy-Betriebssysteme boomen

Bei Smartphones dominiert mittlerweile das Google-Betriebssystem Android, gefolgt von Apple. Doch die freien Entwickler schlafen nicht. Bereits im vergangenen Jahr gab es auf dem Mobile World Congress in Barcelona einen regelrechten Hype um das freie Betriebssystem Firefox OS. Die Jagd auf die Platzhirsche Apple und Google scheint eröffnet.

Von Samuel Jackisch | 24.02.2014
    Freie Betriebssysteme, die durch Offenheit mehr Transparenz und Sicherheit versprechen - und dabei wenig kosten. Bei der Mozilla-Stiftung liegt diese Idee schon seit Jahren auf dem Tisch, doch für ihr schlankes, günstiges und angeblich weniger sicherheitsanfälliges Betriebssystem Firefox OS fehlten dem Unternehmen bisher die großen Telefon-Hersteller und Netzbetreiber für den Massenmarkt. Diese Rolle will jetzt die Deutsche Telekom verstärkt übernehmen und eine breite Palette von Firefox-Handys für Einsteiger vertreiben. In Deutschland und Polen waren Geräte mit Firefox OS bisher schon im kleineren Rahmen zu haben, jetzt kommen noch Tschechien und einige Balkanstaaten dazu, sagt Christoph Schmitz, der bei der Telekom für das Projekt verantwortlich ist.
    "Wir haben mit sehr preisgünstigen Smartphones angefangen, die wir all den Kunden anbieten, die zum ersten Mal auf der Suche nach einem Smartphone sind und auf der Suche nach einem preisgünstigen Angebot. Wir stellen aber fest, dass neben diesen Kunden auch einige Enthusiasten sind, die Firefox schon am PC besonders mögen und dieses Angebot besonders nutzen."
    Neue Märkte in Schwellenländern erobern
    Und die bekommen jetzt mehr Auswahl: Sieben neue Firefox-Geräte hat Mozilla in Barcelona präsentiert – hergestellt von Alcatel, ZTE und Huawei – auch ein 7-Zoll-Tablet ist dabei. Echte High-End-Geräte fehlen aber, und das ist offenbar Absicht: Die Hersteller alternativer, simpler Betriebssysteme zielen lieber auf neue Märkte in Schwellenländern. Dort wolle Mozilla in Zukunft sogar ein 25-Dollar-Smartphone anbieten, verspricht Firefox-Entwickler Andreas Gal.
    "Das zielt auf Teile der Welt, wo Leute sich heute nur ein Flip-Phone oder so ein "Candybar-Phone" mit einer Zahlentastatur leisten können. Das ist momentan die Konkurrenz, die man in diesem Preissegment bekommen kann. Und mit diesem ersten $25-Smartphone öffnen wir eine ganz neue Welt von Möglichkeiten für Südost-Asien oder Südamerika."
    Die alte Welt dagegen ist schwer zu erobern: Auf über 90% aller Smartphones weltweit läuft derzeit entweder Googles Betriebssystem Android oder iOS von Apple. Diesen Markt umzukrempeln ist schwierig. Zu groß ist der technische Vorsprung von Android, Apple und Microsofts Windows Mobile, zu breit ist das Angebot an Funktionen und Apps für die Nutzer. Wirklich innovative Anwendungen werden heutzutage immer noch noch nur für Android oder Apple geschrieben. Selbst Basisfunktionen wie das Drehen des Bildschirminhalts wenn man das Smartphone kippt, schafft das aktuelle Firefox-System nicht - das muss auch Andreas Gal einräumen.
    "Wir sehen wirklich Android und iOS nicht als Konkurrenz. Der Vergleich mit iOS zum Beispiel ist wirklich uninteressant. In der Zukunft, in ein paar Jahren, werden wir sicher auch diese höher-preisigen Geräte herstellen. Momentan ist der Fokus aber auf dem Einstiegsbereich, weil die Möglichkeiten dort größer sind und sehr viel mehr Leute diese preisgünstigen Telefone suchen."
    Sicherheit als Verkaufsargument
    Neben dem Preis wird hierzulande auch "Sicherheit" ein immer wichtigeres Verkaufsargument: Sowohl Android als auch Apples iOS stehen im Verdacht, mehr Nutzerdaten an ihre Hersteller zurückzuschicken, als den Anwendern bewusst ist. Genau überprüfen kann das niemand - der Quellcode der Software ist nicht vollständig offengelegt.
    Im Jahr eins nach den weltweiten Abhör-Skandalen werden auf dem Mobile World Congress deshalb nicht nur Nischenprodukte vorgestellt, wie das angeblich abhörsichere, auf Android basierende „Private OS“. Auch Firefox OS bietet seinen Nutzern zum Beispiel an, die eigenen Positionsdaten zu verwischen und daten-sammelwütige Apps an die Kette zu nehmen. Für ein abhörsicheres Firmenhandy mit Firefox OS, über das im Vorfeld spekuliert wurde, sei es aber noch zu früh, sagt Christoph Schmitz von der Telekom.
    "Wir stellen allerdings fest, dass wir noch nicht das optimale Angebot haben an dieser Stelle. Wenn die Angebotsvielfalt etwas größer ist, auch mehr Gerätekategorien unterstützt werden, werden wir sicherlich die Möglichkeit haben auch im Businessumfeld Firefox OS anbieten zu können. Aber im Moment fokussieren wir uns wirklich auf den Privat- und Endkunden, mit den genannten Themen, die dem Endkunden helfen."
    Jagd auf Platzhirsche eröffnet
    Linux-basierte Betriebssysteme wie Tizen oder Ubuntu Touch sehen ebenfalls ihre Chance gekommen, auch wenn echte High-end-Smartphones noch fehlen. Der Branchenverband BITKOM sieht dennoch Chancen für die kleinen Entwickler, auch außerhalb von Schwellenländern, sagt Geschäftsführer Bernhard Rohleder.
    "Auch Apple war mal ein Unternehmen mit ganz kleinen Marktanteilen. Aber mit vielen Fans, die motiviert werden konnten dem Unternehmen erstens die Treue zu halten und es zweitens groß zu machen - die "Apostel" waren. Und wenn das gelingt, ist durchaus auch eine Chance da, für ein viertes oder ein fünftes Betriebssystem."
    Das sehen offenbar auch die Mobilfunkanbieter so: Neben der Telekom sollen inzwischen auch O2 und Vodafone bereits konkrete Pläne haben, Handys mit Firefox-System zu vertreiben. Die Jagd auf die Platzhirsche Apple und Google ist eröffnet.