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Mode statt Massenware aus Portugal

Trotz Eurokrise sind die Exporte in Portugal um gut 13 Prozent gestiegen. Ein großer Anteil davon fällt auf die Textibranche. In rund 7000 Firmen, fast alle davon sind Kleinbetriebe oder Mittelständler, stehen die Nähmaschinen nicht mehr still. Die Branche hat sich quasi den Staub aus den Kleidern geschüttelt.

Von Jochen Faget | 07.08.2012
    Nähmaschinen surren und rattern, zweihundert Frauen sitzen in einer riesigen Produktionshalle an ihren Arbeitsplätzen. Ihre Kolleginnen schieben Wagen mit fertigen Badehosen und Bademänteln durch die Gänge - Richtung Lager nebenan. Draußen stehen Lastwagen, um die Ware nach ganz Europa zu liefern. Das Geschäft bei der nordportugiesischen Textilfirma Impetus brummt. Verkaufsdirektor Manuel Torres macht das glücklich:

    "Unsere Bestellungen sind gestiegen, die Exporte nehmen stark zu. Nicht nur bei uns, im gesamten Textilbereich. Die Aussichten sind wirklich gut."

    Die portugiesische Textilindustrie schien noch vor etwa zehn Jahren zum Tode verurteilt, jetzt erlebt sie eine neue Blüte - allerdings nicht mit den billigen Ramschprodukten von einst, sondern mit teurer Qualitätsware. Die Wäschefabrik Impetus ist ein Beispiel für den Wandel. Manuel Torres:

    "In den 90er-Jahren haben wir mit einer kleinen Kollektion für Spanien angefangen. Wegen des Erfolgs dort gründeten wir unsere eigene Marke. Seit dem wachsen wir ununterbrochen."

    Die Schneiderinnen an den Nähmaschinen sind gut ausgebildet worden, eine eigene Designabteilung entstand. Heute liefert das Unternehmen aus dem nordportugiesischen Provinzstädtchen Barqueiros Herrenunterwäsche und Bademoden nach Frankreich, Griechenland oder zum Beispiel Russland. Dass Portugal längst kein Billiglohnland mehr ist, ist kein entscheidendes Hindernis:

    "Wir haben schon ein gewisses Lohnniveau in Portugal erreicht, die Menschen haben einen gewissen Lebensstandard. Darum können wir nicht mehr über niedrige Löhne konkurrieren, sondern nur noch mit Qualität."

    Mode statt Massenware lautet darum das neue Motto der portugiesischen Textilindustrie. In Asien werden vor allem große Mengen produziert, die selten schnell auf den europäischen Markt kommen:

    "Normalerweise vergehen sechs Monate, bis eine Kollektion aus Asien Europa erreicht, das ist dann schon Mode von gestern, es kommen Ladenhüter an. Obendrein werden inzwischen wieder kleinere Mengen hergestellt. Mode ist ein schnelllebiges Geschäft."

    Textilien aus Portugal können hingegen innerhalb von 24 Stunden in allen Läden der EU sein. Die Marktnähe gleiche den Preisunterschied nicht mehr nur aus, versichert Manuel Torres. Darum lassen auch große europäische Marken, die nach Asien abgewandert waren, wieder in Portugal nähen:

    "Viele Firmen, die für weltbekannte Marken arbeiten, sind wieder sehr erfolgreich. Denn abgesehen vom Standortvorteil haben sie das Know-how und die Qualität, um auf dem europäischen Markt bestehen zu können."

    Was wiederum den Arbeitnehmern zugutekommt. Fast alle portugiesischen Textilfabriken sind im Norden angesiedelt, einer vorwiegend landwirtschaftlich ausgerichteten, strukturschwachen Region. Industriearbeitsplätze sind selten und begehrt, sagt die Näherin Sonia Araujo:

    "Ich bin glücklich, dass ich hier arbeiten kann und auch sehr stolz darauf. Wir werden gut bezahlt, es ist ein toller Job."

    Doch nicht nur die Näherin Sonia hat Grund zur Freude: Weil die portugiesischen Textilexporte so stark steigen, verringert sich auch das Handelsbilanzdefizit des Landes. Ein wenig Hoffnung in der großen Krise. Verkaufsdirektor Manuel Torres blickt ohnehin optimistisch nach vorne. Er sagt, es seien noch viele Märkte zu erobern.