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Modell mit Anlaufschwierigkeiten

Das Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Tübingen war bundesweit das erste, das den Studienbetrieb aufnahm. Doch der Start verlief ziemlich holprig. Es fehlte an geeigneten Professoren und Lehrmitteln. Ein Jahr nach der Eröffnung kämpft die Einrichtung immer noch mit Aufbauproblemen.

Von Thomas Wagner | 16.01.2013
    Zwei junge Frauen mit Kopftuch sitzen in einem nüchternen Seminarraum und üben das Lesen arabischer Texte. Sie sind Studentinnen der ersten Stunde im neuen Zentrum für islamische Theologie in Tübingen. Das Erlernen der arabischen Sprache ist ein wichtiger Baustein in ihrem Bachelorstudiengang; viele islamische Quellen gibt es nur auf Arabisch.

    Mit dem neuen Zentrum ging Universität Tübingen vor genau einem Jahr an den Start, noch vor den vergleichbaren Einrichtungen in Münster, Nürnberg-Erlangen und Frankfurt. Das Ziel: die Ausbildung von islamischen Theologen unter dem Dach einer regulären Hochschule und nicht unter der alleinigen Obhut der Moslemverbände in Deutschland.

    Dabei sollte das Modell eines aufgeklärten, zum interreligiösen Dialog bereiten Islam Pate stehen. Und: Das Zentrum für islamische Theologie sollte dem Berufswunsch der meisten Studierenden Rechnung tragen. Suhul Simsek, eine der 60 Bachelorstudierenden in Tübingen:

    "Ich möchte gerne auf Lehramt gehen, möchte Lehrerin werden. Also das Lehramt hat mich immer interessiert. Ich arbeite auch gerne mit Kindern zusammen, auch so, Hausaufgabenbetreuung. Islamunterricht zu erteilen, würde mir sehr gefallen."

    Doch genau die Ausbildung von islamischen Religionslehrern funktioniert in Tübingen noch nicht. Grund: Zu wenig Mittel, zu wenig Personal – ein Jahr nach der offiziellen Eröffnung hat das Zentrum immer noch mit Aufbauproblemen zu kämpfen. Die sollen aber in absehbarer Zeit gelöst werden, verspricht Professor Bernd Engler, Rektor der Universität Tübingen:

    "Das haben wir uns vorgenommen für das Studienjahr 201 3/2014, nämlich die Einführung eines Studiengangs Religionspädagogik, sprich: Lehramt islamische Theologie. Das ist genau die Zielrichtung, die die meisten Studieninteressierten zunächst einmal im Auge haben, weil sie mit Blick auf den Lehrberuf eine sehr gute Zukunftsperspektive haben."

    Beim Start vor einem Jahr ging das Tübinger Zentrum für Islamische Theologie mit gerade Mal einem einzigen regulären Professor an den Start. Mittlerweile lehren zwei reguläre und zwei Juniorprofessoren. Hinzu kommen ein Gastprofessor, ein Gastdozent und eine Handvoll wissenschaftlicher Mitarbeiter. Dies ist aber immer noch nicht genug, findet Juniorprofessor Erdal Toprakyaran, geschäftsführender Direktor des Tübinger Zentrums für Islamische Theologie:

    "Mit vier kann man ja auch kein komplettes theologisches Angebot machen. Also wir bräuchten mindestens sechs. Das wird schon ein, zwei Jahre noch dauern. Das ist ja auch eine Frage der finanziellen Situation."

    Erdal Toprakyaran glaubt allerdings, dass auf dem Weg zu mehr Personal für Lehre und Forschung auch mehr Geld bereitgestellt werden müsse. Hatte die Unileitung vor einem Jahr noch betont, wie schwierig es sei, fachlich geeignete Professoren mit ausreichend Deutschkenntnissen zu finden, so glaubt Erdal Toprakyaran heute, dass sich bei besserer finanzieller Ausstattung weitere qualifizierte Hochschullehrer für Tübingen begeistern ließen. Vorangekommen ist das neue Zentrum bei der Anbahnung internationaler Hochschulkontakte:

    "Wir schauen schon, dass das Universitäten sind mit hohem Ansehen, etwa die hohen theologischen Fakultäten Ankara oder mehrere in Istanbul oder Sarajewo oder die Al Ashram-Universität in Kairo."

    Selbst die theologische Fakultät einer iranischen Universität habe die Fühler ausgestreckt, um mit dem Tübinger Zentrum in Kontakt zu kommen. Das Tübinger Zentrum freut sich auch über solche Kontakte. Unirektor Bernd Engler betont allerdings, dass man sich am Leitbild einer freien, aufgeklärten und toleranten islamischen Theologie orientiere, sich aus dieser Grundhaltung heraus aber auch mit anderen Strömungen beschäftigen müsse.

    "Es darf, ja es muss auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit, nennen Sie sie Hardlinern geben, geben können. Nur in einem solchen Streitgespräch wird es uns gelingen, die unterschiedlichen Positionen im Blick zu haben, nicht zu lehren, auf keinen Fall."

    Ein Ziel hat das Tübinger Zentrum für islamische Theologie allerdings bereits nach einem Jahr erreicht. Die Förderung des interreligiösen Dialogs – ein Ziel, dass nach Aussagen der beiden Bachelorstudentinnen Ganze Birguil und Zuhal Simsek fest im Studienplan verankert ist:

    "Bei mir war das jetzt so, dass ich in der katholischen Fakultät ein Seminar besucht hat. Man konnte sich austauschen, voneinander lernen.- Und hier studieren jetzt auch welche aus der katholischen und der evangelischen Theologie. Es ist hier ja nicht Pflicht, dass man Moslem sein muss."