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Modelleben backstage

In dieser Woche ist Berlin wieder Treffpunkt der Eitelkeiten, denn es ist Fashion Week. Für viele Modedesigner ist der Auftritt das Highlight der Saison. Mit dabei, aber immer nur für kurze Zeit im Blick: die Models. Harte Arbeit und Stress, das prägt ihre Woche.

Von Sarah J. Tschernigow | 17.01.2013
    Eine Stunde vor der Show. Eine Backstage-Assistentin mit Knopf im Ohr sammelt die Models zusammen. Checkt, ob alle da sind. Wer noch geschminkt werden muss, wer Lockenwickler bekommt. Es ist ein durchorganisiertes Chaos, wie ein Ameisenhaufen.
    "Auf geht's! All Models now!"

    Bis zu hundert Helfer stemmen die Modenschau von Designerin Lena Hoschek: Friseure, Make-Up-Artisten, Manager. Dazwischen drängeln sich Fotografen, Journalisten, und natürlich die Models, rund 20. Pro Kopf sind 10, 15 Minuten Zeit zum Stylen. Zuspätkommen ist das Schlimmste.

    Signe Kayer hat es gerade so pünktlich geschafft. Sie war vor einer Stunde noch bei einem anderen Casting am anderen Ende der Stadt. So ist es, wenn man davon leben möchte. Die Gehälter für eine Show inklusive Proben liegen zwischen null und 500 Euro brutto. Meine erste Erkenntnis: Modeln hat bei den wenigsten mit Luxus zu tun und ist verdammt stressig.

    "Joa, jetzt morgens ist es noch relativ entspannt. Am im Laufe des Tages. Je mehr Verspätungen man hat, desto später wird die letzte Show, ist schon stressig."

    "Wenn du so einen richtig stressigen Fashion-Week-Tag hast, wie viele Termine hast du da? Wie viel bist du da unterwegs?"
    "Also bei der letzten Fashion Week hatte ich drei Shows am Tag und dazwischen noch Fittings und Castings. Also man rennt schon die ganze Zeit durch die Gegend. "
    "Und hat wahrscheinlich noch keinen eigenen Chauffeur... "
    "Nee, leider nicht. Aber ich bin mit einem eigenen Auto da und muss nicht mit der Bahn fahren. "

    Die Hamburgerin bleibt ruhig und lächelt, auch als drei Stylisten gleichzeitig an ihr rumzerren. Zwei Friseure flechten ihr die Haare, gleichzeitig kümmert sich Make-Up-Chef Boris Entrup um Signes Gesicht.

    "Wir brauchen erst mal eine perfekte Haut. Keine Sommersprosse, kein Leberfleck, keine Poren, sondern eine richtig perfekte Haut. Darauf kommt ein punkiger Eyeliner, dazu rote, krasse, fatale red Lippen. Das ist dann der Look - komplett."

    "Sag mal, stört dich das nicht, du wirst so reduziert auf dein Äußeres. Es geht ja nicht um dich, deinen Charakter und wie es dir so geht?"

    "Ja gut, man weiß, dass es nicht persönlich gegen einen geht. Aber hier bei der Fashion Week zum Beispiel: Ich kenn die Leute, hab immer einen netten Schnack. Hier fühle ich mich nicht, als ob ich reduziert werde auf Körper und Haare."

    "Was machst du, während du hier sitzt? Telefonierst du nach Hause, oder isst du was?"

    "Also eigentlich überlege ich, wie die nächsten Termine sind und wie ich da hin komme."

    "Alle Models zur Probe bitte! Rehearsal! With shoes."

    Zwanzig Minuten vor der Show. Der Ton wird rauer. Bevor die Gäste am Catwalk Platz nehmen, müssen alle Models einmal mit den Schuhen Probe laufen. Signe hat Glück. Ihre Schuhe passen. Das ist nicht selbstverständlich. In der Regel gibt es zu einem Kleid, ein Paar Schuhe.

    "Ich hatte mal einen Job. Ich hab Größe 41 und musste 39 tragen, den ganzen Tag! Das war echt Horror. Aber bei der Fashion Week sind es zwei Minuten. Bei Shows ist es ganz angenehm, wenn die Schuhe enger sind. dann ist die Gefahr nicht so groß, dass man sie verliert."

    "Bitte den Catwalk freihalten. Dann gehen wir jetzt in die Probe."

    "Ich hab jetzt schon das Gefühl, dass der Ton etwas ruppiger wird..."

    "Ja, der Ton wird rauer. Das ist ganz gut, wenn die Leute lauter werden, damit man sie hört."

    Das Model kann aber auch wirklich allem etwas Positives abgewinnen. – Meine zweite Erkenntnis: Models müssen hart im Nehmen sein. Außerdem trinken sie keinen Champagner, sondern Kaffee aus Pappbechern, wenn überhaupt.

    Die Show beginnt. Model Signe läuft perfekt, grazil und wunderschön über den Catwalk. Die Kleider sehen super aus an ihrem schlanken 1 Meter 84 langen Körper. Ich denke mir: Modelsein hat doch etwas: im Rampenlicht stehen, in teuren, fantastischen Outfits bewundert werden, viel auf Reisen sein, interessante Menschen kennen lernen.

    Aber der Moment auf dem Laufsteg, mit vielen Ohs und Ahs, ist kurz. Auch nach der Show bleibt keine Minute zum Luftholen oder gar Genießen.

    "Man muss ja sofort gleich wieder wegrennen, Klamotten ausziehen, neue an und gleich wieder nach vorne. Man ist noch total auf 180 irgendwie, wenn man direkt rauskommt. Ich muss mich ganz schnell umziehen und gleich zum nächsten Termin."

    Die Crew hat zehn Minuten, um alles einzupacken und Platz zu machen für die nächste Show. Model Signe werden die Haarteile und –spangen entfernt, dabei hat sie schon ihre Jacke an. Kurzer Blick aufs Telefon, dann verschwindet sie durch den Seiteneingang. Ein Brötchen hat Signe Kayer nicht mehr abbekommen - die sind schon alle weg.