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Moderne Kunst aus Afghanistan, Pakistan und dem Iran

Der Iran, Afghanistan und Pakistan werden aus hiesiger Sicht vor allem als Brutstätten islamischer Fundamentalisten und als Bedrohung für den Weltfrieden wahrgenommen. Dass aus diesen Ländern auch zeitgenössische Kunst kommt, zeigt die Ausstellung "Öst-Westlicher Diwan" in Venedig.

Von Rainer Berthold Schossig | 10.07.2009
    Diese Ausstellung ist versteckt in jenem entlegenen Viertel an den Fondamenta Nuove hinterm Getto, wo sich die Touristenströme verlaufen; sie will also entdeckt werden. Schauplatz ist die "Scuola della Misericordia", das Versammlungshaus einer Mönchsbruderschaft aus dem 16. Jahrhundert. Der grandiose Backsteinbau hat einen Hallen-Raum, der 21 mal 49 Meter misst, fast so viel wie der große Ratssaal im Dogenpalast. Dies mag eine Vorstellung geben von der Herausforderung, der sich die Exponate der zehn Künstler hier stellen müssen. Drei schwere stählerne Kronleuchter – Paraphrasen des indisch-pakistanischen Objekt-Künstlers Shezad Dawood auf die Ästhetik Bruce Naumans – mit farbig leuchtenden arabischen Neon-Schriftzeichen geleiten den Besucher in die obere Halle der Scuola und stimmen ein auf die Melange zwischen Ost und West, auf die man nun stößt.

    "Mir ist wichtig zu zeigen, dass die zeitgenössische Kunst dieser Region die Angebote der westlichen Moderne nicht einfach kopiert, sondern von eigenen Überlieferungen und Stilen ausgeht, als Teil ihrer nationalen Identität. Mich interessiert, wie die Künstler dieser Ländern auf ihre Traditionen reagieren und dabei gleichzeitig die Auseinandersetzungen und Ideen von heute spiegeln."

    Die Kuratorin Jemima Montagu hat mit sicherem Griff Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die bewusst zwischen historischen und aktuellen, muslimischen und internationalen Einflüssen Balance halten. Einige von ihnen leben inzwischen in London, New York oder Melbourne, die Mehrzahl aber ist ihrer Heimat in Islamabad, Kabul oder Teheran treu geblieben, wie die weit über 80 Jahre alte Iranerin Monir Sharoudy Farmanfarmaian. Sie arbeitet mit Spiegeln, die sie zu Paravents, Paradiesvögeln oder riesigen Vasen gleichsam zusammenklebt – phantastische Objekte, die zwischen Pfauenthron und Concept Art changieren. Ihr Landsmann Kosrow Hassanzadeh erinnert mit wild gemalten und collagierten Portraits von Helden aus alter und neuer Zeit an gemeinsame historische Prägungen und aktuelle Ressentiments.

    "Ja, diese drei Länder waren alle Teil des Persischen Reichs, über tausend Jahre lang. Und so teilen sie viele künstlerische Traditionen, wie Miniaturmalerei, Kalligrafie und ähnliche Stile islamischer Architektur. Es gibt viele – auch sprachliche Verbindungen. Heute kann man natürlich nicht darüber hinwegsehen, dass diese drei Länder im Westen als Quelle von Fundamentalismus und Islamismus betrachtet werden. Westliche Medien schüren viele Vorurteile über Afghanistan, Pakistan und Iran. Mir schien interessant, mit einer Ausstellung diesen Stereotypen zu widersprechen."

    Besonders frappierend sind jene Werke, die Abstraktion und Miniaturmalerei dergestalt engführen, dass man von weitem meint, mit westlicher Farbfeldmalerei konfrontiert zu sein, beim Nähertreten aber feinste Ornamentierungen erkennt, die sich – etwa bei der Pakistanerin Aisha Khalid – wie Korallenriffe zu monumentalen Formen organisieren. Virtuose Mimikry, versteckte Gesellschaftskritik oder ästhetisches Glasperlenspiel?

    "Ich glaube, dass alle hier ausgewählten Künstler in ihren Ländern relativ frei arbeiten. Aber es gibt viele Herausforderungen. Die Infrastruktur ist schlecht, im Iran gab es viel Zensur und in Afghanistan waren die Bedingungen für zeitgenössische Kunst sehr beschränkt. Wie soll man arbeiten in Ländern, wo es Krieg gibt und Bombenattentate?"

    Der britischen Kuratorin Memina Montagu ist ein Kunststück gelungen: eine ausgewogene, dabei immer wieder überraschende Mischung aktueller Kunst aus Afghanistan, Iran und Pakistan, bei deren Besichtigung man sich immer wieder bei Vorurteilen ertappt, die unseren Blick auf diese drei Länder trüben. Dass gerade Frauen dort mehr und mehr wahrgenommen werden, wie auch bei den Demonstrationen im Iran, ist bezeichnend:

    "In dieser Ausstellung sind fünf Frauen und fünf Männer, dies war keine direkte Absicht, es hat sich so ergeben. Aber es zeigt schon, dass es eine starke Präsenz von zeitgenössischen Künstlerinnen gibt in all diesen drei Ländern."