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Modernisierung der US-Raketenabwehr
"Was Trump sich vorstellt, ist Illusion"

Präsident Trump plant, die US-Raketenabwehr zur modernsten der Welt zu machen. Dafür will er auch Drohnen im Weltall stationieren - teuer, aber technisch möglich, meint Abrüstungsexperte Jürgen Altmann. Vor atomarer Bedrohung könnten die USA sich damit aber nicht schützen, sagte er im Dlf.

Jürgen Altmann im Gespräch mit Christiane Knoll | 18.01.2019
    Test eines Geschosses des US-Raketenabwehrsystems THAAD in Südkorea.
    Test eines Geschosses des US-Raketenabwehrsystems THAAD in Südkorea (imago / UPI Photo)
    Christiane Knoll: Die Noten für die US-amerikanische Raketenabwehr sind miserabel und etwas anderes haben Kenner physikalischer Gesetzmäßigkeiten auch nicht erwartet. Bei den Tests konnte angeblich nur jede zweite Rakete abgefangen werden, im Ernstfall dürfte die Bilanz noch schlechter ausfallen.
    US-Präsident Donald Trump hatte also allen Grund, das nationale Raketenabwehrprogramm auf den Prüfstand zu stellen. Nur zieht er jetzt andere Schlussfolgerungen als die Kritiker sich das gewünscht hätten. Gestern hat das Weiße Haus die Pläne online gestellt und gelesen hat sie für uns Jürgen Altmann, Physiker und Abrüstungsexperte an der TU Dortmund. Ich habe vor der Sendung mit ihm gesprochen und ihn gefragt, wie er das Modernisierungsprojekt einschätzt.
    Jürgen Altmann: Das folgt der uralten Illusion, die schon vor 30 Jahren, 1983, der frühere US-Präsident Reagan gehabt hat, man könnte sich vor Raketen dadurch schützen, dass man dicht macht, dass man ein Schild errichtet. Das ist falsch und eine weitergehende Einsicht ist eigentlich nötig, wie damals nach dem Gespräch mit Gorbatschow bei Herrn Reagan sich auch ergeben hat.
    Raketenatrappen erkennt das Abwehrsystem nicht
    Knoll: Lassen Sie uns mit einem konkreten Beispiel und dem Ist-Zustand anfangen. Sagen wir Russland. Was könnten die USA mit dem heutigen System einer russischen Rakete entgegensetzen?
    Altmann: Naja, sie haben in Alaska über 20 Abfangraketen stationiert. Und wenn eine einzelne Rakete aus Russland käme, was ein völlig hypothetischer Fall ist, und sie alle 20 Abfangraketen dagegen schießen würden, dann hätten sie vielleicht zehn Prozent Chance, die zu treffen. Es gibt eben eine Menge von Gegenmaßnahmen, die ein Raketenland machen kann, die auch die USA auf ihren Raketen drin haben, um Raketenabwehr zu erschweren oder unmöglich zu machen. Und das hat Russland seit Jahrzehnten, insbesondere seitdem 2002 der Raketenabwehrbegrenzungsvertrag gekündigt worden ist von den USA und die angefangen haben, kleine Raketenabwehrsysteme aufzubauen - nicht nur in Alaska sondern auch in Europa - hatten die russischen Militärplaner natürlich jede Menge Grund, sich noch mehr darum zu kümmern, Raketenabwehrsysteme der USA zu überwinden.
    Knoll: Mit Hyperschallflugkörpern, die schneller sind als die Raketen?
    Altmann: Nein. Zunächst einmal einfach mit sogenannten Attrappen: mit kleinen leichten, aber aufblasbaren Ballons, die im Weltraum so aussehen, als ob es auch Raketengefechtsköpfe sind. Und eine Raketenabwehr hat eben normalerweise nur einen Kopf, den sie gegen einen anderen Kopf schießen kann. Die müssen sich treffen, um den zu zerstören. Und wenn da 100 solcher Attrappen ankommen und einer davon ist ein echter Gefechtskopf - wie soll das Raketenabwehrsystem wissen, welches der richtige ist. Das ist eine der möglichen Gegenmaßnahmen.
    Trump hätte gerne eine Weltraumstreitkraft
    Knoll: Jetzt soll dieses System modernisiert werden. Sie haben sich das Papier gerade mal durchgelesen. Was genau ist angedacht, wie kann jetzt ergänzt werden?
    Altmann: Eine Idee ist, die auf 64 zu erweitern, die in Alaska stationierten Abfangraketen. Und das mag sein, dass das gegen kleine Angriffe von Ländern wie Iran oder Nordkorea gewisse Effekte hätte. Iran hat ja noch gar keine ballistischen Raketen, die so weit reichen - und erst recht keine Nuklearsprengköpfe. Also selbst mit 60 oder 64 Abfangflugkörpern gibt's natürlich keinerlei Chance, gegen einen massiven Angriff aus Russland irgendetwas auszurichten. Ansonsten sollen im Weltraum vor allen Dingen zusätzliche Sensoren aufgestellt werden, um noch besser mitzukriegen, ob irgendwo Raketen gestartet werden oder vielleicht auch diese etwas neuere Art Hyperschallmarschflugkörper und so etwas. Das ist das, was im Wesentlichen passiert.
    Wenn man Trump folgen würde - das klingt aber in dem Bericht des Verteidigungsministeriums sehr viel vorsichtiger - wenn man Trump folgen würde, dann würde der gerne auch im Weltraum Abwehrwaffen stationieren, die dann vielleicht auch Satelliten abschießen könnten von irgendeinem anderen Staat und so weiter. Also das ist dann die uralte und eigentlich damals auch schon gescheiterte Idee einer Weltraumstreitkraft, die im Weltraum die Dominanz hat und die Raketensprengköpfe gar nicht erst durchlassen würde und feindliche Satelliten bekämpfen könnte. Das wird sich eine andere große Weltraummacht wie zum Beispiel Russland nicht einfach so bieten lassen.
    Und das Schlimmste was dabei rauskommen kann ist, dass wir eben zwei Systeme von Weltraumstreitkräften haben, die sich auf relativ kurze Distanz - einige hundert Kilometer - immer wieder begegnen und dann relativ schnell - in Sekunden vielleicht sogar - sich gegenseitig beschießen könnten - was dann zu allen möglichen unklaren, automatisch sich hochschaukeln Ereignisse führen könnte. Es könnte also sein, dass man durch irgendeinen Computerfehler dann plötzlich in den Weltraumkrieg kommt. Und weil die Weltraumobjekte sehr wichtig sind auch für die Nuklearwaffen und überhaupt die Streitkräfte auf Erden, dass es dann in einen großen Krieg hineinrutschen könnte.
    Also Weltraumstreitkräfte sind sehr destabilisierend und deshalb war es eigentlich sehr vernünftig, da bisher ganz zurückhaltend zu sein. Und zum Glück ist das, was Trump sich da vorstellt - man weiß ja schon, dass der immer wieder mal vorprescht und Sachen sagt, die dann von seinen eigenen Militärs nicht unbedingt umgesetzt werden - also was Trump da sich vorstellt, das ist Illusion und mit Glück schafften es ja auch die Leute in seiner Administration, das wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
    Knoll: Sie sagen: Illusion. Ist es technisch nicht machbar? Ist es nicht finanzierbar?
    Altmann: Es würde sehr teuer und es wäre eben erst über Jahrzehnte aufzubauen. Aber technisch ist es denkbar. Es hat ja auch schon Satellitenwaffen gegeben und einige Tests zum Abschießen von Satelliten, so eine Handvoll. Aber die Idee, sich damit zu schützen vor Angriffen eines potenten anderen Staates, das ist die Illusion dabei.
    Die Langfassung der Sendung können Sie hier nachhören.