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Möglicher Ermittlungsbeauftragter in der BND-Affäre
"Ein Instrument der Abschirmung "

Ein wie von der Bundesregierung geplanter Ermittlungsbeauftragter sei im Gesetz über Parlamentarische Untersuchungsausschüsse gar nicht vorgesehen, sagte der Staatsrechtler Christoph Möllers im Deutschlandfunk. Erhielte er die gewünschten Kompetenzen, könne man "das Ganze nicht mehr wirklich als parlamentarische Kontrolle bezeichnen".

Christoph Möllers im Gespräch mit Daniel Heinrich | 11.06.2015
    Der Rechtswissenschaftler Christoph Möllers spricht am 04.12.2013 in Osnabrück auf einer Pressekonferenz zum NPD-Verbotsverfahren
    Der Staatsrechtler Christoph Möllers (picture-alliance / dpa / Friso Gentsch)
    Daniel Heinrich: Es ist ja schon ein wenig vertrackt, diese Selektorenliste der NSA. Auf der einen Seite der Bundestag und sein Recht, zum einen die Regierung wie auch die Nachrichtendienste zu kontrollieren. Andererseits die außenpolitische Komponente. Vor allem das Verhältnis zu den USA steht auf dem Spiel und da muss Deutschland schon aus ureigenem, aus sicherheitspolitischen Interessen handeln. Nun scheint man im Kanzleramt eine Lösung gefunden zu haben. Ein Ermittlungsbeauftragter soll es richten. Kritiker sehen schon die Demokratie gefährdet.
    Am Telefon begrüße ich nun den Staatsrechtler Professor Christoph Möllers von der Humboldt-Universität in Berlin. Herr Möllers, die Opposition spricht hier schon von „Aushöhlung demokratischer Rechte", wenn ein solcher Ermittlungsbeauftragter eingesetzt würde. Wenn es so kommt, werden hier die Kontrollrechte des Bundestages ausgehöhlt?
    Christoph Möllers: Na ja. Ich meine, wir müssen erst mal, glaube ich, festhalten, dass das, was hier diskutiert wird, im Moment eigentlich gar kein Ermittlungsbeauftragter im Sinne des Gesetzes ist. Im Gesetz über Parlamentarische Untersuchungsausschüsse steht die Figur des Ermittlungsbeauftragten drin. Das ist jemand, der vom Untersuchungsausschuss selbst beauftragt wird, der dann eine Ermittlung durchführt und der dann alle Mitglieder des Ausschusses über die Ergebnisse der Ermittlungen informiert. Das ist einfach ein Instrument, mit dem sich die Parlamentarier in einem Untersuchungsausschuss informieren können. Worüber wir hier sprechen, ist ja was ganz anderes. Wir sprechen hier eigentlich erst mal über eine Person, die letztlich, so wie es aussieht, von der Bundesregierung bestimmt Dinge erforschen soll, über die die Parlamentarier dann ja auch nicht wirklich informiert werden. Deswegen ist die Bezeichnung schon falsch und das Ganze kann man wahrscheinlich dann auch nicht mehr wirklich als parlamentarische Kontrolle bezeichnen.
    Heinrich: Wie müsste denn aus Ihrer Sicht das Amt dieser Institution ausgestattet sein?
    Möllers: Erst mal stellt sich die Frage, warum man das eigentlich braucht, denn es geht ja erst mal darum, dass das Parlament von der Regierung Dinge wissen will und im Prinzip ja auch einen Anspruch darauf hat, diese Dinge zu erfahren. Man kann sagen, es gibt einen Vorbehalt der Geheimhaltung. Dieser Vorbehalt der Geheimhaltung ist erst mal rechtfertigungsbedürftig. Die Bundesregierung muss ja erklären, warum das geheim gehalten werden soll. Und in einem zweiten Schritt kann man darüber nachdenken, inwieweit diese Geheimhaltungspflichten vielleicht anders gewahrt werden können: Zum Beispiel dadurch, dass die Abgeordneten vertraulich informiert werden und sich verpflichten, diese Informationen nicht weiterzugeben. Das ist der normale parlamentarische Gang der Dinge.
    Was wir hier diskutieren ist unter einer falschen Bezeichnung. Das ist kein Ermittlungsbeauftragter, sondern im Prinzip so eine Art von Selbstkontrolle der Bundesregierung, in die der Bundestag irgendwie einbezogen werden soll. Aber es ist natürlich klar: Kontrolle heißt im Prinzip, dass derjenige, der kontrolliert, auch eine gewisse Verfügungsgewalt über das hat, was da kontrolliert wird, und auch irgendwie die Bedingungen der Kontrolle bestimmen kann. Und das, was wir hier sehen, ist eigentlich erst mal nur ein Instrument der Abschirmung der Bundesregierung vor parlamentarischer Kontrolle.
    "Die Fiktion einer Kontrolle, die nicht stattfindet"
    Heinrich: Die SPD denkt ja über einen zweiten Beauftragten nach, bestimmt von Linken und Grünen. Könnte das denn dazu beitragen, die Bedenken zu zerstreuen?
    Möllers: Ich meine, man müsste erst mal wissen, wofür man den eigentlich braucht. Das ist ja erst mal ein Instrument, mit dem man bestimmte Formen von Informationen praktisch gewinnen kann. Ermittlungsbeauftragte dienen nicht dazu, Abgeordnete abzuschirmen gegen Informationen oder Informationen vor Abgeordneten abzuschirmen, sondern Ermittlungsbeauftragte dienen dazu, die Abgeordneten zu unterstützen. Das heißt, die Frage ist, was soll das eigentlich. Heißt das, dass die Abgeordneten darauf verzichten, etwas zu erfahren, oder heißt das, dass man hier so eine Institution einführt, die im Grunde parlamentarische Kontrolle fingiert? So ganz klar ist mir das nicht. Ich denke, ein richtiger Ermittlungsbeauftragter ist nach Gesetz jemand, der Ermittlungen anstellt und über das Ergebnis der Ermittlungen dann alle Abgeordneten im Ausschuss informiert. Alles andere ist noch mal eigentlich die Fiktion einer Kontrolle, die nicht stattfindet.
    Heinrich: Genauso wie Sie hat auch die Opposition Magenschmerzen bei der Vorstellung. Sie hat angekündigt, Verfassungsklage einzureichen. Hätte denn so eine Klage Aussicht auf Erfolg?
    Möllers: Ich denke, die entscheidende Frage verfassungsrechtlich wäre, ob die Argumente mit Blick auf Geheimhaltung, auch mit Blick auf unsere Beziehungen zu den USA dann ein verfassungsrechtlich valides Argument darstellen, den Abgeordneten bestimmte Dinge vorzuenthalten. Das kann sein, wobei ich schon sagen muss, dass das Gericht in aller Regel bisher so entschieden hat, dass dann zunächst mal die Abgeordneten geheim zu informieren sind. Dass die Abgeordneten überhaupt nichts erfahren, ist eigentlich eine Lösung, die nicht wirklich im Grundgesetz vorgesehen wird. Es wäre dann ja auch gar keine parlamentarische Kontrolle mehr vorhanden. Insofern glaube ich, dass die Erfolgsaussichten so einer Klage nicht gering sind. Aber mir scheint noch wichtiger als das Verfassungsrecht natürlich die Frage, wie sich die Abgeordneten selbst in ihrer Mehrheit und wie auch die Bundesregierung sich zu ihren eigenen Kontrollrechten verhalten. Darauf zu verzichten, scheint mir doch in dieser Konstellation demokratiepolitisch ziemlich bedenklich zu sein.
    "Einer, der Hilfsdienste für den Untersuchungsausschuss leistet"
    Heinrich: Sie haben die USA jetzt auch gerade schon angesprochen. Laut Völkerrecht darf Geheimdienstmaterial der USA nur mit deren ausdrücklicher Genehmigung an Personen weitergegeben werden, die nicht der Regierung angehören. Die Zustimmung liegt hier in diesem Fall nicht vor. Wäre denn die Ernennung eines solchen Beauftragten, wie auch immer sein Titel denn sein möge, völkerrechtswidrig?
    Möllers: Das weiß ich nicht, weil wir diese Abkommen ja erst mal nicht kennen. Ich habe sie jedenfalls nicht gesehen. Das sind ja auch Abkommen, die nicht publik gemacht werden. Wir müssen vielleicht erst mal umgekehrt feststellen, dass es ein bisschen problematisch ist, völkerrechtliche Verträge zu schließen, die die möglicherweise massenhafte Ausspionierung von deutschen Staatsangehörigen unter Unterstützung eines deutschen Nachrichtendienstes im Grunde von jeder Form von parlamentarischer Kontrolle freistellt. Solche völkerrechtlichen Verträge darf die Bundesregierung eigentlich nicht abschließen. Die sind verfassungsrechtlich sehr problematisch. Insofern ist das völkerrechtliche Argument erst mal natürlich nicht so richtig beeindruckend für einen Verfassungsrechtler, und was in diesen Abkommen steht, müssten wir uns ja auch noch mal genauer angucken. Tatsächlich würde ich vermuten, üben die USA erst mal politischen Druck aus, und das ist völlig unabhängig davon, was in irgendwelchen Verträgen steht.
    Heinrich: Wie würden Sie denn das Amt dieses Ermittlungsbeamten ausstatten?
    Möllers: Na ja, ich sage es noch mal: Das Amt ist im Grunde im Gesetz vorgesehen. Das steht in Paragraf zehn des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss-Gesetzes drin. Das ist jemand, der im Grunde Hilfsdienste für den Untersuchungsausschuss leistet, der in Behörden reingeht, Akten sichtet und so weiter und dann die Abgeordneten informiert, was er da herausgefunden hat. Das darf er in unabhängiger Art und Weise tun, er ist da nicht weiter Weisungen des Ausschusses unterworfen. Im Prinzip ist die Frage, ob man so ein Ermittlungsinstrument einsetzt, eine reine Frage von Praktikabilität. Die entscheidende Frage ist noch mal, erfahren die Abgeordneten, was da passiert ist, bekommen sie etwa die Selektorenliste zu sehen, und daran hängt das ganze verfassungsrechtliche Problem und daran hängt auch das demokratietheoretische Problem. Ob man sich dazu jetzt eines Ermittlers bedient oder nicht, ist völlig zweitrangig.
    Heinrich: Der Staatsrechtler Christoph Möllers von der Humboldt-Universität in Berlin. Herr Möllers, ich danke Ihnen für das Gespräch!
    Möllers: Ich danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.