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Mögliches Überflugverbot
Warum Aeroflot am meisten leiden würde

Die Ukraine-Krise und damit verbundene Sanktionen haben längst starke Auswirkungen auf die russische Wirtschaft. Unter dem von Ministerpräsident Medwedew als Gegenmaßnahme angedrohten Überflugverbot für westliche Fluglinien würde jedoch auch die russische Luftfahrt leiden - allen voran die staatliche Aereoflot.

Von Thorsten Jabs | 09.09.2014
    Ein Flugzeugschlepper ist an einer Boeing 737-500 angedockt:
    Ein Flugzeugschlepper ist an einer Boeing 737-500 angedockt: Russland droht mit Überflugverbot (picture alliance/dpa/Arne Dedert)
    Ein Meisterstück am Aktienhimmel ist Aeroflot in diesem Jahr nicht gelungen – die Ukraine-Krise und die Drohungen von Sanktionen zeigen Wirkung. Seit Anfang des Jahres hat sich der Börsenkurs von rund 10 auf unter 5 Euro mehr als halbiert. Ende August meldete das Unternehmen für das erste Halbjahr 2014 einen Verlust von 40 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum stand noch ein Gewinn von 940.000 Euro unter dem Strich. Begründet wurden die roten Zahlen offiziell mit nachlassendem Wachstum und außergewöhnlichen Faktoren. Gemeint waren wohl die Ukraine-Krise und Sanktionen des Westens. Die Probleme bekam auch die Aeroflot-Tochter "Dolbrojet" zu spüren. Im August musste die Billigfluggesellschaft ihren Flugbetrieb wieder einstellen.
    Geschätzte 20.000 Euro Mehrkosten pro Flug
    Jetzt droht Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew mit Gegenmaßnahmen, falls die Europäische Union ihre Sanktionen verschärfen sollte. Denkbar sei ein Überflugverbot für westliche Fluggesellschaften. Dies könne zum Bankrott vieler Airlines führen, die schon jetzt ums Überleben kämpften, wenn sie die Strecke zwischen Europa und Asien nicht mehr über Russland abkürzen dürften, drohte Medwedew. Die russische Luftfahrtbehörde schätzt die Kosten, die die europäischen Fluggesellschaften dank dieser Routen beim Sprit sparen, auf mehr als 20.000 Euro pro Flug. Russische Experten gehen von Mehrkosten von 75 bis mehr als 150 Millionen Euro aus.
    Doch auf die Kehrseite solcher Gegenmaßnahmen ging Medwedew nicht ein. Die russische Luftfahrt wäre selbst betroffen – allen voran die staatliche Aeroflot. Denn sie profitiert am meisten von den Gebühren, die die Airlines für die Flüge über Russland zahlen müssen – von 200 bis 300 Euro Millionen Dollar jährlich ist die Rede. Den größten Teil leitet Russland, wie zu Sowjetzeiten, an Aeroflot weiter. Angesichts der erwähnten Halbjahresbilanz drohen noch härtere Zeiten, falls der Kreml seinen Kurs der Gegensanktionen fortsetzt. Seit 2009 stiegen die Passagierzahlen um 20 Prozent pro Jahr. Doch bei Aeroflot räumt man einen "Nachfrage-Absturz" ein. Die Kunden schränkten auch Reisen ein. Inzwischen geht man bei Aeroflot nur noch von einem Zuwachs von acht bis neun Prozent aus. Außerdem werde man Flugbestellungen womöglich aufschieben, hieß es. Auf eine Anfrage des Deutschlandradio-Studios Moskau wegen einer Stellungnahme hat Aeroflot bisher noch geantwortet. Bisher kann aber wohl auch das Unternehmen kaum absehen, wie sich die Sanktionsspirale weiter dreht.
    Aeroflot ist russisches Eigentum, Aeroflot verwirklicht unsere Träume, heißt es in einem fröhlichen Werbelied. Vielleicht stimmt es das Staatsunternehmen ja optimistisch, dass Dmitri Medwedew den einheimischen Firmen bereits zugesagt hat, sie im Falle von weiteren Sanktionen zu unterstützen.