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MoJoCon17
Smartphone - Retter des Journalismus?

Ist das Smartphone als Universaltool der Medien brauchbar für ernsthaften Journalismus? 600 MoJos – mobile Journalisten - sagen ja, bei der Konferenz MoJoCon. Und noch mehr: Das Smartphone könnte den Journalismus retten.

Von Kai Rüsberg | 08.05.2017
    360 Grad Foto von der MoJoCon (Mobile Journalism Conference) in Galway, Irland 2017
    360 Grad Foto von der MoJoCon (Mobile Journalism Conference) in Galway, Irland 2017 (Deutschlandfunk / Kai Rüsberg)
    Michael Rosenblum, TV Produzent in USA, gründete New York Times TV:
    "Das ist der Grund warum (der Journalismus) tot ist. Er ist tot, weil wir ihn umgebracht haben. Technologie erlaubt uns, die Medien zu demokratisieren. (Das Smartphone) ist ein unglaublich machtvolles Gerät. Der einzige Weg, dies zu erreichen ist, dass wir einen Schritt zurück treten und akzeptieren, dass jeder Mensch eine Stimme hat und gehört werden sollte."
    Mit dem Smartphone lassen sich hochwertige Fotos, Töne und Videos erstellen, wie es bislang nur mit teurer, professioneller Ausrüstung möglich war, heißt es hier. Sogar live auf Sendung gehen sei kinderleicht. Und die Sender nutzen es.
    "Das ist schon ein Teil der Gegenwart"
    Roland Warmbein, Radio Bremen:
    "Ist das Teil der Zukunft der Radio und Fernsehproduktion?"
    "Ja, absolut, es ist glaube ich nicht nur ein Teil der Zukunft, sondern das ist schon ein Teil der Gegenwart. Wir arbeiten teilweise schon mit mobilen Geräten, Journalismus war natürlich schon immer mobil - gemeint ist das Smartphone. Also wir arbeiten schon mit Smartphones eine ganze Weile und das wird mit Sicherheit in Zukunft noch zunehmen."
    "Wie ist denn die Qualität? Also früher hat man ja er gerade bei den ARD Anstalten sehr hohe technische Standards gehabt, da hat man nicht eigentlich gedacht, dass das mal möglich ist mit seinem Telefon zu filmen, oder?"
    "Ja, unsere Standards in der ARD haben sich nicht verändert, aber die Standards in der Telefonindustrie und Smartphone-Industrie sind hochgegangen. Sie haben jetzt die Möglichkeit mit handelsüblichen Geräten nahezu Studioqualität zu produzieren."
    "... um bestimmte Emotionen einzufangen"
    Im Einsatz sind sie bei der ARD, Privatsendern und Online-TV - nicht nur für schnelle Nachrichtenbilder. Vorteile bietet das Smartphone auch als unaufdringliches Produktionsmittel, bei denen große Kamerateams stören würden.
    Manuel Heckmair, RTL Journalistenschule:
    "Für ganz unterschiedliche Anwendungen. Ich persönlich komme eigentlich aus einer anderen Ecke, ich mach längere Magazinbeiträge, zwischen 12 und 15 Minuten. Und so habe ich auch angefangen, vor etwa fünf Jahren, im Smartphone zu drehen und habe dann eben so für mich verschiedene Anwendungen festgestellt, wo es tatsächlich Sinn macht im Smartphone zu drehen. Also natürlich wenn es schnell gehen muss, ja dann ist das Smartphone eine gute Wahl. Aber zum Teil auch, wenn man den Menschen in einer Form näher kommen will, als jetzt mit dem 3-Mann-Team. Also um bestimmte Emotionen einzufangen, ist tatsächlich manchmal besser, wenn man das Smartphone hinhält, als wenn man mit dem großen 3-Mann-Team steht und fragt: Wie geht's dir denn jetzt?"
    "Ist es beim Privatsender dann auch im Thema, dass man damit Kosten einsparen kann?"
    "Ich glaube gar nicht mal so sehr, es geht darum die Anwendungsmöglichkeiten zu finden, wo es Sinn macht."
    "... schneller vor Ort berichten"
    Frank Lechtenberg, Professor für Crossmedia, Hochschule OWL:
    "Vorteil: Ich kann mehr anbieten, weil ich natürlich schneller vor Ort berichten kann. Beispiel London, da waren bei dem Anschlag mehrere Journalisten vor Ort, die dann direkt was raus senden konnten. Bis die EB-Teams da waren, war eigentlich das schon passiert."
    "Wir haben aber auch erlebt, dass diese Reporter sich dann in das Geschehen haben reinziehen lassen, vielleicht auch sogar Teil von solchen Terroranschlägen werden, weil sie es unkritisch verbreiten. Journalisten rennen hinter Polizisten her. Wissen gar nicht, was passiert. Oder wir hatten einen deutschen Reporter, der den Horror richtig mit gezeigt hatte. Liegen da auch Gefahren drin?"
    "Absolut, also dann gibt es diese Gladbeck-Gefahr, wenn ich das noch mal so sagen darf, dass halt Journalisten sich nicht als Beobachter und Berichterstatter verstehen, sondern selber - weil sie eben im Geschehen so involviert sind und vielleicht sogar Teil des Geschehens sind - nicht mehr ausblenden können und ihren Job nicht mehr machen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die journalistische Ausbildung der Leute, die das nutzen, eigentlich von der Qualität her noch höher angesiedelt sein muss, als es vielleicht bisher war."
    360 Grad Foto von der MoJoCon (Mobile Journalism Conference) in Galway, Irland 2017
    360 Grad Foto von der MoJoCon (Mobile Journalism Conference) in Galway, Irland 2017 (Deutschlandfunk / Kai Rüsberg)
    Snapchat - "... nur 10 Sekunden Zeit für jede Einstellung"
    Journalisten müssen umdenken: Das Smartphone wird selten quer wie TV, sondern hochkant genutzt. So sehen auch die neuen Medienangebote für Jugendliche aus. Hochkant heißt das Magazin der ARD bei Snapchat:
    Eva Schulz, ARD Jugendsender "Funk", Snapchatmagazin "Hochkant"
    "Ja mitten in Galway, Eva Schulz steht hier, die auf "Funk" im neuen Jugendsender sozusagen, den es nur im Internet gibt. Also kein Sender insofern.
    "Content-Netzwerk nennen wir es."
    "Okay, was machst du denn da? Fernsehen ist es auch nicht?"
    "Eben da wo die Jugend ist, im Internet, auf all diesen verschiedenen Kanälen, Facebook, Instagram, YouTube. Und ich habe mich persönlich mit Snapchat beschäftigt."
    "Snapchat ist auch schon mal was insofern ganz anderes, das macht man so hochkant, also da kann man nicht die üblichen Fernsehregeln nehmen und ist auch kurz?"
    "Ja, ich glaube, das Besondere bei Snapchat, was viele Kollegen abschreckt, ist, du hast nur 10 Sekunden Zeit für jede Einstellung – maximal. Du musst chronologisch erzählen und live. Das heißt, wenn ich eine Geschichte mache, dann muss ich jede Einstellung sofort posten und kann das nicht erst mal alles sammeln, nachträglich noch mal sichten und arrangieren. Ich muss sehr gut planen um, eine Story einfach live zu produzieren. Das heißt auch, dass die manchmal einfach schon halb online ist, während die andere Häfte noch im Entstehen ist."
    "..., wo es da eine Grenze gibt"
    Die Technik ist immer einsatzbereit - heißt auch, der Reporter ist immer im Einsatz. Mit den technischen Möglichkeiten steigen die Anforderungen der Redaktionen an die Reporter. Es fehlt die Zeit für Recherche und Reflektion.
    John Inge Johansen, Norwegisches Fernsehen NRK, Reporter auf den Lofoten
    "Und in meinen Rucksack habe ich mindestens vier Kameras, die ganze Zeit. Es ist ein VJ Camcorder, eine GoPro Kamera, ein iPhone und eine 360° Kamera. Und das wird erwartet, dass ich an alle Plattformen Material hochlade- nicht nur TV und Radio beliefere und online. Es wird aber erwartet auch auf Facebook und Instagram, Snapchat live. Und ich frage mich oft, wo es da eine Grenze gibt. Was möglich ist für einen Mensch, was ein einzelner Mensch liefern kann?"