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Monsanto-Übernahme
"Bayer oder Monsanto haben das Interesse, Produkte zu verkaufen"

Einzelne Saatgutkonzerne dürften nicht das Patent auf zentrale Ernährungs-Saatgutsorten haben, forderte Grünen-Politikerin Renate Künast im Dlf im Hinblick auf die Fusion des Chemiekonzerns Bayer mit Monsanto. Damit geriete die Landschaftwirtschaft weltweit in Abhängigkeit von diesen Patenten.

Renate Künast im Gespräch mit Jasper Barenberg | 07.06.2018
    23.03.2018, Berlin: Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Deutschen Bundestag
    Sieht die Politik gefordert, sich an die Grundstrukturen der Agrarindustrie heranzumachen: Renate Künast (dpa/picture alliance/Christophe Gateau)
    Jasper Barenberg: Heute nachmittag ist es endgültig soweit. Dann ist der Chemiekonzern Bayer am Ziel und alleiniger Eigentümer des US-Saatgutriesen Monsanto. Zwei Jahre lang hat das Unternehmen verhandelt. Kartellbehörden in rund 30 Ländern haben am Ende zugestimmt, unter Auflagen. Dass Bayer Monsanto schluckt und damit zum weltweit größten Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln aufsteigt, das ist vielen Kritikern ein Dorn im Auge. Für sie ist vor allem der US-Saatgutriese der Inbegriff für alles, was sie an der globalisierten industrialisierten Landwirtschaft ablehnen, etwa als Hersteller des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat und von gentechnisch veränderten Pflanzen. Bestätigt fühlen sich die Kritiker durch die Ankündigung von Bayer, den belasteten Namen Monsanto jetzt aufzugeben.
    Zu den schärfsten Gegnern gehört seit Langem die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast, von 2001 bis 2005 Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Sie ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen, Frau Künast.
    Renate Künast: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    "Genug Essen auf der Welt, es ist nur falsch verteilt"
    Barenberg: Bayer setzt ja darauf, mit weniger Ackerland, weniger Wasser und weniger Dünger mehr Ertrag zu erreichen. Was ist daran falsch?
    Künast: Diese Arbeitsthese stimmt, ehrlich gesagt, nicht ganz, Herr Barenberg, weil wenn wir uns angucken: Anders als bei dem natürlich am eigenen Geschäft interessierten Bayer/Monsanto, die natürlich ihre Produkte verkaufen wollen, sagen ja alle anderen, auch der Weltagrarbericht, der nicht ganz so berühmt wurde wie der Weltklimabericht, auch die UN sagt, dass der Zugang zu Land, Wasser und Saatgut das Entscheidende ist und nicht noch zusätzliche Produkte. Wir sehen ja, dass 80 Prozent der Welternährung auf dieser Welt nicht von Großen gemacht wird, sondern von kleinen bäuerlichen Betrieben, und da müssen wir zusehen, dass die Zugang haben und gut wirtschaften können. Bayer oder Monsanto haben natürlich das Interesse, ihre Produkte zu verkaufen.
    Barenberg: Frau Künast, wenn sie dabei helfen können, weniger Land zu verbrauchen, sage ich jetzt mal, um eine gute Ernte einzufahren, und dass dabei auch noch weniger Wasser nötig ist, in Zeiten von Dürre zumal, das ist doch eigentlich eine gute Entwicklung, ein gutes Angebot.
    Künast: Ja. Aber wissen Sie, der Punkt ist doch folgender. Man muss sich doch überlegen, ob diese armen Menschen wo auch immer auf dieser Welt eigentlich in der Lage sind, dieses Saatgut dann zu kaufen, oder ob nicht das in der Region vorhandene Saatgut, so wie wir bei Netzpolitik sagen Open-Source-Saatgut, ihnen viel weiter hilft. Man muss sich doch auch Regionen angucken, in denen man sich fragt, warum ist denn wenig Wasser da, weil wir eine Politik machen, die zu einem Klimawandel führt, oder weil wir in bestimmten Regionen Dinge anbauen, die im wahrsten Sinne des Wortes Wasser fressen, und dann fangen wir an, mit solchen Dingen gegenzusteuern, statt die Ursachen tatsächlich zu verändern.
    Barenberg: Aber das ist ja eine politische Aufgabe und keine Aufgabe für ein Unternehmen wie Bayer.
    Künast: Ja, guter Punkt, Herr Barenberg. Aber ich bin Politiker und Bayer ist Bayer. Wenn Bayer Geld verdienen will, sollen sie das tun und sollen sie das versuchen. Ich als Politikerin stelle aber fest, dass die Lösung bei immer mehr Agrarindustrie und Raubbau, bei Umfunktionalisieren von Ackerland, das nicht mehr für die menschliche Ernährung benutzt wird, sondern für Tierfutterzwecke benutzt wird, wo aus neun Kilo Soja-Eiweiß-Pflanzen, die direkt zur Ernährung dienen könnten, am Ende durch Verfütterung ein Kilo Rindfleisch wird im Norden dieses Globus. Ich muss mich doch an die Grundstrukturen heranmachen. Ich muss mir doch überlegen, ob ich will, dass Bauern abhängig werden von Saatgut, das sie kaufen müssen, statt ihr eigenes zu benutzen, und wir immer mehr in einen agrarindustriellen Bereich reingehen. Ich stelle fest: Es gibt genug Essen auf dieser Welt, es befindet sich nur am falschen Ort, es wird falsch verteilt. Warum soll ich dann mehr Abhängigkeit organisieren?
    Chemieeinsatz reduziert Artenvielfalt
    Barenberg: Aber nehmen Sie jetzt nicht tatsächlich Bayer oder auch Monsanto in Haftung für politische Fehler, die gemacht werden in Ländern?
    Künast: Na ja, in Haftung kann ich die gar nicht nehmen.
    Barenberg: Aber Sie machen sie verantwortlich dafür.
    Künast: Sagen wir mal so: Ich will diesen Weg nicht gehen. Ich will diesen Weg nicht gehen. Natürlich sind die Teil der Agrarindustrie. Auch Monsanto. Früher haben sie Kriegschemikalien hergestellt wie Agent Orange. Später haben sie daraus und aus anderen Sachen Chemikalien gemacht, die jede andere Pflanze vernichten als das von ihnen patentierte Saatgut an der Stelle. Ich stelle fest, wir müssen sowieso aus anderen Gründen auch den Chemieeinsatz massiv reduzieren. Warum? Weil er Artenvielfalt reduziert, weil Chemikalien auch für den Agrarbereich mit viel Energie hergestellt werden, steigert es den Energieverbrauch. Das sind alles Punkte, die anderen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, beim Klimaschutz, beim Erhalt der Arten, entgegensprechen. Das ganze Modell, da geht es nicht nur um Bayer und Monsanto. Die sind natürlich ein Sinnbild, weil sie zu dem Größten aufsteigen und für meine Begriffe in die falsche Richtung gehen. Aber wir müssen doch diese anderen Dinge machen. Wir können doch nicht eine Welt organisieren, wo wir dann in 50 Jahren bestimmte Arten gar nicht mehr haben und nur noch zur Verfügung haben von vier, fünf weltgroßen Chemie- und Saatgutkonzernen deren patentiertes Saatgut, das wir nur kaufen können. Jede Entwicklung auf der Basis ist auch wieder patentiert und Du musst als Landwirt Lizenzen dafür zahlen. Ich wäre ja als Politikerin verrückt, wenn ich helfen würde, eine solche Welt zu organisieren, in der wir immer abhängiger von einigen wenigen sind und andere Sorten verschwinden, die, zumal wenn da Krankheiten ausbrechen, in der Folge zu einem Desaster führen könnten.
    Gentechnik "nach wenigen Jahren miserable Erträge"
    Barenberg: Frau Künast, Sie haben es selber ja angesprochen, angedeutet: Die Weltbevölkerung wächst schnell. Die Anbauflächen insgesamt dagegen schrumpfen. Der Klimawandel verschärft ja noch viele Probleme. Geht es bei all diesen Herausforderungen insgesamt global betrachtet ohne technische Innovation, für die ein Unternehmen wie Bayer steht?
    Künast: Einmal sage ich, die Frage lautet ja, wie ernährt sich die Welt, nicht welche Brosamen werfen wir ab, sondern die Welt und andere Länder selber haben ja auch die Möglichkeit, sich selber frei zu entwickeln. Es gibt in Indien einen Staat, Sikkim, die haben sich jetzt umgestellt auf 100 Prozent ökologische Landwirtschaft, weil sie sagen, das ist für ihr Klima, für ihre Fragen, wie unabhängig sind sie, für ihre Artenvielfalt und so weiter viel besser an der Stelle und bringt übrigens nachhaltig gute Erträge. Wir wissen ja bei dieser Gentechnik zum Beispiel auch, dass sie nach wenigen Jahren miserable Erträge kriegt, weil sie gar nicht so toll ist, wie sie verspricht. Wir wissen seit einiger Zeit bei dem Golden Rice, der angeblich viel Vitamin A hat, dass das schlicht nicht stimmt, sondern die alten Reissorten am Ende genauso gut sind. Bei manchen Innovationen müssen wir uns fragen, ist das nicht alles eine Blase, eine wirkliche Blase aus der Industrie, die damit Geld verdient.
    Barenberg: Aber das klang jetzt ein wenig so, Frau Künast, als würden Sie sagen, technische Innovationen, für die Bayer steht, können schon und müssen am Ende jedenfalls ein Teil der Ernährungswirklichkeit und der Wirklichkeit in der Landwirtschaft sein?
    Künast: Innovation ist ja immer gut. Innovation ist als allererstes gut, wenn sie uns hilft rauszufinden, gibt es nicht das Saatgut schon längst. Zum Beispiel auch salzresistentes und trockenheitsresistentes Saatgut, gibt es das nicht schon längst. Da muss man gucken. Da würde ich auch sagen, da muss Bayer auch helfen, muss aber auch auf der Seite derer sein, die nicht einfach nur Geld daraus machen. Natürlich wollen wir Innovation, aber diese Innovation muss zu allen anderen Zielen passen. Das heißt für mich, es soll nicht so sein, dass vier, fünf Saatgutkonzerne auf der Welt das Patent auf die zentralen Ernährungssaatgutsorten haben und damit alle abhängig machen davon. Es soll nicht sein, dass die Artenvielfalt massiv reduziert wird. Da geht es nicht nur um Insekten und Vögel, sondern auch um das Saatgut und die Pflanzen. Dann bleibt aber immer noch viel für Innovation, und zwar kombiniert durchaus zum Beispiel mit Digital Farming, wo man sehr präzise auch weiß, was bringt man wo aus, auch sehr präzise Umweltschutzregeln einhalten kann, auf die wir ja alle angewiesen sind, weil natürlich die Bauern auch leiden, wenn bestimmte Insekten, die ja manchmal vielleicht Schädlinge sogar auffressen, wenn die in der Natur nicht mehr vorhanden sind. Die können wir ja nicht abschaffen, um danach Chemieeinsatz als Innovation zu loben. Das wäre ja ein bisschen spaltungsirre.
    Barenberg: Frau Künast, wir müssen langsam zum Punkt kommen, denn die Nachrichten warten. – Das war die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast zur Kritik an den Produkten von Monsanto. Monsanto wird heute vollständig in Besitz von Bayer in Leverkusen übergehen. Danke für Ihre Zeit und das Interview heute Morgen.
    Künast: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.