Freitag, 19. April 2024

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Monsanto und die Folgen
Bei Bayer wächst die Verunsicherung

Im Zusammenhang mit dem Wirkstoff Glyphosat gibt es immer mehr Klagen gegen die Bayer-Tochter Monsanto. Die Übernahme von Monsanto im vorigen Jahr war spektakulär, auch wegen des enormen Kaufpreises. Der von Bayer veröffentlichte Halbjahresbericht ist von der Klagewelle in den USA geprägt.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 30.07.2019
Der Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat vom US-Konzern Monsanto
Der Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat von Monsanto (imago/Bildwerk)
Ann-Kathrin Büüsker: Vor gut einem Jahr hat Bayer den US-Saatgutkonzern Monsanto gekauft - für 63 Milliarden Dollar, die größte Übernahme, die je ein deutsches Unternehmen im Ausland gewagt hat. Heute nun hat Bayer neue Zahlen vorgelegt. Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion – wie fallen die aus?
Klemens Kindermann: Die fallen - noch - ganz gut aus. Das liegt daran, dass der Stichtag für die Monsanto-Übernahme der 7. Juni 2018 war. Das heißt: Vor dem 7. Juni war der Umsatz von Monsanto im letzten Jahr noch gar nicht in der Bayer-Bilanz, jetzt aber - 2019 - schon. Es wird für das laufende Jahr mit vier Prozent mehr Umsatz gerechnet, teilt Bayer soeben mit. Das sind dann 46 Milliarden Euro.
Aber es drohen dunkle Wolken, im wahrsten Sinne: Denn das Wetter macht Bayer zu schaffen. Es gibt gewaltige, beispiellose Überschwemmungen in den USA. Das verzögert die Aussaat und verringert die Anbauflächen. Vorstandschef Werner Baumann spricht heute Morgen von "extremen Wetterbedingungen in den USA". Bayer aber ist jetzt der weltgrößte Agrarchemiekonzern, dem Agrarmarkt in den USA quasi ausgeliefert – und das alles dank Monsanto.
Kein Aufatmen trotz geringerer Strafzahlung
Büüsker: Wegen Monsanto hat sich Bayer jede Menge Klagen eingehandelt. Zuletzt aber gab es eine gute Nachricht?
Kindermann: Ja. Bayer kommt in einem der wichtigen Prozesse um Krebsrisiken von Glyphosat-Produkten in den USA mit einer deutlich geringeren Strafzahlung davon. Die zuständige Richterin senkte den Schadenersatz für die an Krebs erkrankten Kläger von 2 Milliarden auf knapp 87 Millionen Dollar.
Aber Bayer kann keineswegs aufatmen. Denn die Richterin senkte zwar die Summe, strich aber nicht die Strafe. Und das war schon der dritte große Glyphosat-Prozess, den Bayer verloren hat. Heute morgen gab es auch die neue Zahl der Klagen gegen Bayer. Vielleicht die interessanteste Zahl: Es sind jetzt 18.400, 5.000 mehr als im April. Die Klageindustrie in den USA legt los.
Und die Frage ist, ob Bayer - ähnlich wie Volkswagen in der Dieselaffäre - es sich leisten kann, US-Sammelklagen durch teure Vergleiche zu beenden.
Einbruch beim Aktienkurs
Büüsker: Kann man heute schon sagen, die Übernahme von Monsanto war ein Fehler?
Kindermann: Ich habe mir noch einmal den Aktienkurs vom 7. Juni 2018 herausgesucht. Das war der Tag, als Bayer Eigentümer von Monsanto wurde. Da war eine Bayer-Aktie 98,94 Euro wert. Gestern Abend lautete der Schlusskurs: 59,33 Euro.
Das ist also - noch - nicht die Halbierung des Aktienkurses. Die könnte aber kommen, wenn es noch weitere Glyphosat-Verurteilungen gibt. Bayer war einmal zeitweise das wertvollste deutsche Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als 130 Milliarden Euro.

Büüsker: Wie ist die Stimmung unter den Beschäftigten von Bayer?

Kindermann: Bei den Führungskräften von Bayer deutlich schlechter. Die haben vor allem Probleme mit der Strategie, ergab eine Umfrage des Führungskräfteverbandes VAA.
Der Deutschlandfunk hatte aus Anlass des sich jährenden Monsanto-Kaufs im Juni mit Beschäftigten gesprochen: Und da sagte etwa Bayer-Betriebsrätin Andrea Eisfelder, Vorstandsmitglied im Belegschaftsteam im Betriebsrat:
"Die Umstrukturierungsmaßnahmen, die jetzt anstehen, sind so umfangreich, dass keiner genau weiß, ob er morgen noch auf seinem Platz arbeitet oder nicht. Und das ist natürlich etwas, was verunsichert, obwohl man im Hinterkopf hat, dass man da nicht gekündigt werden kann."
Kindermann: Monsanto und die Folgen - die Unsicherheit bei den Beschäftigten von Bayer wächst.