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Monteverdis "Poppea" auf DVD
Sex, Mord und Intrigen

"Die Krönung der Poppea" ist die einzige vollständig erhaltene Oper Claudio Monteverdis und gehört heute zu seinen bekanntesten Werken. Zum 450. Geburtstag des Komponisten kommt das Intrigenspiel um Macht, Mord, Liebe und Eifersucht jetzt in drei sehr unterschiedlichen Versionen auf DVD heraus.

Von Elisabeth Richter | 07.06.2017
    Der italienische Komponist Claudio Monteverdi in einer zeitgenössischen Darstellung. Er wurde am 15. Mai 1567 in Cremona geboren und verstarb am 29. November 1643 in Venedig.
    Erster Meister der Oper: Claudio Monteverdi (picture-alliance / dpa )
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea, Schlussduett (Norwegen, 2010)
    Monteverdis 1642 in Venedig uraufgeführte Oper "Die Krönung der Poppea" ist – um es drastisch auszudrücken – eine harte "Sex and Crime Story" aus dem alten Rom. Nero und Poppea verfolgen skrupellos und machtorientiert ihre Interessen und haben am Ende eine stattliche Anzahl von Leichen in ihren sprichwörtlichen Kellern. Nero entsorgt seine Gattin Ottavia, Poppea ihren Verehrer Ottone, und Seneca wird zum Selbstmord gedrängt. Jeder verfolgt mehr oder weniger rücksichtslos seine Interessen. Hier werden Lust, Habgier, Ehrgeiz belohnt, und die Tugend hat das Nachsehen.
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea, Schlussduett (Norwegen, 2010)
    Es ist rätselhaft, warum der über 70-jährige Claudio Monteverdi, der sich im Alter zum Priester hatten weihen lassen, diese Geschichte über moralische Verwerflichkeit vertonte. Eine Erklärung kann sein, dass man 1642 in der Republik Venedig auf Zustände im autokratischen, unter päpstlicher Herrschaft stehenden und konkurrierenden Rom verweisen wollte. Jeder gebildete Opernbesucher verstand damals diese Negativ-Botschaft.
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea, Schlussduett (Norwegen, 2010)
    Blutspuren beim Liebesduett
    In der DVD-Edition "3x Poppea" zeichnet der norwegische Regisseur Ole Anders Tandberg in Oslo am deutlichsten die drastische Handlung nach. Seine "Krönung der Poppea" spielt in einer stilisierten, modernen schwarz-weiß-Ästhetik, vermutlich irgendwo im Himmel. Die Bühne ist eine große rechteckige, in der Mitte vertiefte Scheibe, die im dunklen Raum zu schweben scheint. Hier liegen am Ende Nero und Poppea selig nebeneinander und singen ihr Duett. Aber sternförmig von ihnen ausgehend ziehen sich die roten Blutspuren zu den Leichen um sie herum.
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea, Prolog Amor (Norwegen 2010)
    Vielleicht war alles nur ein perfides Spiel der Götter. Fortuna, Tugend und Amor sitzen am Rand der Scheibe und grinsen in sich hinein. Im Prolog der Oper streiten sich die drei, wer die Oberhand behalten wird. Amor prophezeit, dass er den Lauf der Welt bestimme. Regisseur Ole Anders Tandberg macht gleich deutlich, dass alles groteskes Spiel ist, sein Amor hat als Maskottchen einen Teddybär.
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea, Arie Poppea (Norwegen 2010)
    Gesungen und gespielt wird in der norwegischen Produktion hervorragend. Alle Rollen sind exzellent besetzt, eindrücklich der sinnliche, eher ins "Mezzo-Timbre" tendierende Sopran von Birgitte Christensen als Poppea und der flexible und aussdruckstarke Countertenor von Jacek Laszczkowski als Nero. Er zeichnet die Figur als einen immer an Abgrund des Wahnsinns agierenden Imperator, dem jegliches moralisches Gewissen fehlt.
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea, Arie Nero (Norwegen 2010)
    Stilkundige Interpretation
    Das Orchester der Norwegischen National Oper setzt unter Dirigent Alessandro de Marchi Monteverdis Musik sehr stilkundig um. Allerdings könnte man sich ein dynamisch feiner differenziertes Spektrum vorstellen. Es herrscht fast immer ein arg forcierter, ins Forte tendierender Ton vor, was auch der musikalischen Kurzweil nicht gut bekommt.
    Eine gänzlich andere Ästhetik musikalisch und inszenatorisch hat die fast 20 Jahre ältere Inszenierung bei den Schwetzinger Festspielen 1993. Nero wird hier sehr authentisch von dem Tenor Richard Croft gesungen. Schon dadurch erscheint er bodenständiger und viriler als in der norwegischen Produktion.
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea, Arie Nero (Schwetzingen 1993)
    Regisseur Michael Hampe erzählt die Geschichte viel realistischer, auch wenn sich die Handlung ebenfalls im Himmel, auf einer Weltkugel abspielt, hinter der sich der Bühnenraum zuweilen öffnet und weitere Räume freigibt. Hier tragen die Figuren römische Gewänder oder Uniformen. Die Ästhetik ist dunkel, die Handlung entfaltet sich geradlinig und wird kaum hinterfragt, es wird jedoch spannend schauspielerisch agiert.
    Musik: Monteverdi, Krönung der Poppea (Schwetzingen 1993)
    Musikalisch fällt die üppigere Instrumentierung durch den Dirigenten René Jacobs auf, der mit "Concerto Köln" Monteverdis Musik auch vielschichtiger, flexibler, schwingender und sensibler – allerdings manchmal weniger genau - als in der norwegischen Produktion vermittelt.
    Tanzstück mit "Poppea"-Fragmenten
    Merkwürdig ist, dass in Schwetzingen auf den Prolog der Oper und damit auf den Wettstreit der Götter, die die Geschicke der Menschen bestimmen, verzichtet wurde.
    Musik: Schumann, Vogel als Prophet (Stuttgart 2013)
    Was, so fragt man sich, hat Schumanns Klavierstück "Vogel als Prophet" mit Monteverdis "Poppea" zu tun? Schiebt man die DVD mit der Ballett-Produktion von Choreograph Christian Spuck in Stuttgart 2013 ins Laufwerk, ist das die erste Musik, die man hört.
    O-Ton Erzählerin, Bonsoir ... (Stuttgart 2013)
    Eine Tänzerin stellt anfangs die Figuren vor. Auf der fast leeren Bühne gibt es Tische, im Hintergrund eine Leinwand für Videos. Musik aus Monteverdis "Poppea" muss man hier mit der Lupe suchen. Der Komponist und Bandmusiker Martin Donner hat Monteverdi-Schnipsel verarbeitet und lässt sie häufig von einem DJ scratchen und verfremden. In dem Musikmix hört man auch andere Barockmusik, Schumann oder Poppiges. Alles kommt vom Band und ist wohl eher nichts für Monteverdi-Puristen.
    Musik: Arrangement, Pop (Stuttgart)
    Choreograph Christian Spuck versteht die Handlung als Inspiration, um sich mit seelischen Abgründen auseinander zu setzen. Hier gelingen bewegende Bilder, zum Beispiel wenn sich mehrere Tänzer verschlungen wie Laookon und seine Söhne im Todeskampf mit den Schlangen zusammen finden, und so zu einem schreienden Symbol für die bis ins Perverse gehenden Emotionen der Figuren werden. Die DVD-Edition "3x Poppea" bietet so wunderbar unterschiedliche Anregung sich mit einem bizarren Stoff der Operngeschichte zu beschäftigen.
    Claudio Monteverdi: 3x Poppea
    DVD 1: Norwegian National Opera – Regie Ole Anders Tandberg: Die Krönung der Poppea / The Coronation of Poppea
    DVD 2: Schwetzinger Festspiele 1993 – Regie Michael Hampe: Poppea
    DVD 3: Theaterhaus Stuttgart – Gauthier Dance – Choreografie von Christian Spuck: Poppea
    EuroArts 3 DVDs 0880242563187