Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Trump nach Lawrow-Besuch
"De facto eine gelähmte Ente"

US-Präsident Donald Trump habe mit der mutmaßlichen Weitergabe von geheimen Informationen an Russlands Außenminister das Verhältnis zu seinen Partnern in Europa strapaziert, sagte Politikexperte Christer Garrett im DLF. Immer mehr mehr Republikaner distanzierten sich von ihm. Damit werde es Trump künftig schwerer haben, Gesetze zu verabschieden.

Christer Garrett im Gespräch mit Martin Zagatta | 16.05.2017
    US-Präsident Donald J. Trump im Weissen Haus. Fototermin mit Kronprinz Muhammad bin Zayid Al Nuhayyan von Abu Dhabi. 15.5.2017.
    US-Präsident Donald J. Trump im Weissen Haus. (imago/Zuma)
    Martin Zagatta: Die Informationen sollen höchst geheim sein, so heißt es, und ausgerechnet die hat Donald Trump an den russischen Außenminister weitergegeben – nach einem Bericht der Washington Post.
    Mitgehört hat Christer Garrett, US-amerikanischer Politikwissenschaftler an der Uni in Leipzig. Guten Tag, Herr Garrett.
    "Es geht um Vertrauen, es geht um Zusammenarbeit, es geht um Verlässlichkeit"
    Christer Garrett: Guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Garrett, in dem Bericht unseres Korrespondenten hieß es, Trump werde ein politisch fragwürdiges Verhalten vorgeworfen, aber formalrechtlich habe er sich nicht schuldig gemacht. Wieso dann die ganze große Aufregung?
    Garrett: Na ja. Es hat damit zu tun, wie Ihr Korrespondent eben berichtet hat und hervorgehoben hat. Es geht um Netzwerke der Bundesnachrichtendienste, um kritische Informationen zusammenzubringen, und diese Netzwerke sind letztendlich menschenbasiert. Kurzum: Es geht um Vertrauen, es geht um Zusammenarbeit, es geht um Verlässlichkeit. Und keine Nation auf der Erde wird wirklich ihre Kapazitäten und Informationen zusammen in Gefahr bringen, um möglicherweise einen Präsidenten zu unterstützen. Wenn der Bericht stimmt und ich gehe davon aus, die Washington Post hat bestimmt sehr akribisch auch mit Juristen darüber gesprochen und sich alles bestätigen lassen, dann haben wir eine Situation mit großen Auswirkungen auf die Fähigkeiten der USA, genau diese Netzwerke intakt zu behalten und weiter zu bedienen.
    "Zwei der besten Zeitungen in den USA stehen zu ihrer Geschichte"
    Zagatta: Sie gehen tatsächlich davon aus, dass das alles so stimmt? Denn alle Beteiligten bestreiten das ja offenbar. Die Russen auch, das ist keine Überraschung. Aber auch, soweit man hört, nahezu alle, die bei diesem Gespräch dabei gewesen sind, bestreiten das.
    Garrett: Genau. Wir sehen in der Pressemitteilung zum Beispiel vom nationalen Sicherheitsberater, wie Ihr Korrespondent auch hervorgehoben hat, dass weder Methoden, noch Quellen benannt wurden. Aber darum geht es nicht. Es geht um Inhalte einer Stadt offensichtlich und einen Plan. Es könnte sich natürlich auch dementieren, aber inwieweit gerade in diesen Zeiten, wo wirklich der Ruf und die Wichtigkeit von einem hoch qualitativen Journalismus, sei es die Washington Post oder, wie berichtet, auch die New York Times, die diesen Bericht auch veröffentlicht hat, da haben wir auf alle Fälle zwei der besten Zeitungen in den USA, die schnell davon berichten, und die stehen zu ihrer Geschichte. Noch einmal: Ich gehe davon aus, die russischen Abteilungen von beiden Zeitungen haben alles sehr genau angeschaut und die Journalisten auch akribisch nachgefragt, haben Sie denn die nötigen Beweise dafür. Ich gehe davon aus, noch einmal. Von daher sehr seriöse Meldungen und ich gehe davon aus, dass die zum wichtigen Teil und zum großen Teil auch stimmen.
    "Der Vorwurf, der Präsident sei nicht wirklich unabhängig von Moskau"
    Zagatta: In Washington ist jetzt davon die Rede, das sei der schwerwiegendste Vorwurf gegen einen US-Präsidenten seit dem Watergate Skandal. Sehen Sie das auch so dramatisch?
    Garrett: Das ist schwierig einzuschätzen. Letztendlich reden wir über 40 Jahre Geschichte der USA. Auf alle Fälle kommt es zu einer Zeit mit der Geschichte des FBI-Direktors Comey in der jüngsten Zeit, und dazu schwebt auch in Washington DC und international der Vorwurf oder die Geschichte, der Präsident sei nicht wirklich unabhängig von Moskau und von Russland. Diese Schlagzeile wird dieses Misstrauen gegenüber dem Präsidenten vertiefen, auch innerhalb seiner Partei. Man sieht das aus den Meldungen von Senatoren aus dem Senat und aus dem Haus der Repräsentanten von Mitgliedern des Hauses der Repräsentanten. Seine eigene Partei distanziert sich immer häufiger vom Präsidenten. Und wie eben die geteilte Macht in den USA ist: Ein Präsident ohne Unterstützung seiner Partei im Kongress ist sehr früh in seiner Amtsperiode nicht offiziell, aber de facto eine gelähmte Ente. Er kann keine Gesetze verabschieden dann und er hat kaum seine Agenda wirklich umgesetzt bisher gesetzesmäßig. Von daher: Dieser Tag wird den Präsidenten, davon gehe ich aus, weiter schwächen und seine Fähigkeiten, wirklich Bundespolitik zu gestalten.
    Nur mit seiner Stammklientel könne Trump Bundespolitik nicht gestalten
    Zagatta: Sehen Sie diese Gefahr denn tatsächlich? Denn Trump hat ja in der Vergangenheit einiges unternommen, was bei uns nach unseren Kriterien nur noch Kopfschütteln hervorruft, und dann heißt es in Umfragen, seine Anhänger stehen nach wie vor zu ihm. Eine Mehrheit wahrscheinlich oder eine knappe Mehrheit in Amerika denkt so ähnlich noch über ihn wie bei der Wahl.
    Garrett: Ja, seine Stammklientel. Da haben Sie natürlich vollkommen Recht, Herr Zagatta. Aber insgesamt seine Umfragewerte in den USA sind so niedrig wie bei keinem anderen Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg in dieser Phase seiner Amtszeit. Das amerikanische Volk distanziert sich vom Präsidenten zurzeit insgesamt, wenn man so will. Sein Stammklientel, so um die 35 Prozent der Amerikaner stehen hinter ihm noch, aber das ist nicht ausreichend, um Bundespolitik zu gestalten, ganz besonders nicht im Kongress, wo letztendlich seine Partei aus dem ganzen Land und aus unterschiedlichen Wahlkreisen herkommen. Von daher ist es ein ganz großes Problem für ihn.
    Und noch einmal, was Verlässlichkeit mit heiklen Informationen betrifft: Wenn er wirklich bereit ist, diese preiszugeben oder anzugeben mit seiner Macht und mit Quellen, ist das ein sehr ernsthaftes Problem für ihn. Letztlich auch für einen amerikanischen Präsidenten zählt der Ruf entscheidend, um Politik zu gestalten, sei es innenpolitisch oder sei es außenpolitisch. Von daher: Diese Schlagzeile hat viel damit zu tun, nicht nur eine Information preiszugeben, sondern insgesamt, wie ein Weißes Haus agiert und mit heiklen Themen umgeht. Von daher: Diese Geschichte braucht unbedingt und hat bekommen einen größeren Kontext.
    "Vielleicht ist es ein geostrategischer Zug"
    Zagatta: Aber kann er da jetzt nicht ganz leicht argumentieren? Er hat im Wahlkampf gesagt, ich will ein besseres Verhältnis mit Putin, mit Moskau, und da geht es ja jetzt um Informationen über einen gemeinsamen Feind, über die Terrororganisation Islamischer Staat. Warum sollte ich da nicht sehr offen sein? Wir sind ja an einem neuen Verhältnis oder an einem besseren Verhältnis in der Weltpolitik interessiert. Das könnte er doch jetzt sehr leicht auf diese Schiene drehen.
    Garrett: So kann er das natürlich, aber ich sehe da drei Möglichkeiten. Entweder das hat ein bisschen mit seiner Persönlichkeit zu tun. Das sehen wir aus der Geschichte, ein bisschen zu protzen mit Informationen und mit Macht. Er ist nicht der einzige Präsident, der da so agiert. Zweitens: Aus Versehen hat er einfach einen Fehler begangen. Oder drittens, wie Sie sagen, er verschiebt die Weichen der amerikanischen Geostrategie in Richtung Moskau und teilt diese sehr heiklen Informationen mit Moskau, um vielleicht ein neues Kapitel aufzuschlagen. Aber das muss man dann auch in einem anderen Kontext sehen. Das hieße, er hat diese Informationen Moskau vor vielleicht Berlin, Paris, London mitgeteilt. Und wenn es um Europa geht, Laptops in Flugzeugen möglicherweise, wie berichtet worden ist von Ihrem Korrespondenten in Washington DC, das wirft gleichzeitig sehr heikle Fragen auf, zum Beispiel das Netzwerk Fünf Augen unter angloamerikanischen Ländern, die sehr eng miteinander kooperieren, und so weiter und so fort. Von daher ist es vielleicht ein geostrategischer Zug, aber dann ist es ein historischer und eine Verschiebung der Prioritäten für die amerikanische geostrategische Politik mit großen Konsequenzen zum Teil auch für Europa und in diesem Sinne auch für Deutschland.
    Zagatta: Große Zweifel an der Politik von US-Präsident Trump – das war Christer Garrett, Politikwissenschaftler an der Universität in Leipzig. Herr Garrett, ich bedanke mich für das Gespräch.
    Garrett: Sehr gerne, Herr Zagatta.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.