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Morbus Parkinson
Tiefe Hirnstimulation kann das Leiden lindern

Die Krankheit Morbus Parkinson äußert sich oft durch ein Zittern der Hände. Ärzte können die Symptome durch die Tiefe Hirnstimulation lindern. Dabei werden die betroffenen Hirnareale mit Strom stimuliert. Es können aber auch Nebenwirkungen auftreten.

Von Mirko Smiljanic | 27.02.2018
    Eine Elektrode zur Tiefenhirnstimulation ist am 11.07.2017 bei der Eröffnung der neuen Firmenzentrale vom Medizinsoftwarehersteller Brainlab in München (Bayern) im Gehirn eines Dummys zu sehen.
    Durch die Tiefe Hirnstimulation können Parkinson-Symptome gelindert werden (picture alliance/ dpa/Matthias Balk)
    Universitätsklinik Köln, Zentrum für Neurologie und Psychiatrie. PD Dr. Michael Barbe hat sich mit einem seiner Patienten zur Abschlussbesprechung getroffen. Auf dem Tisch liegen Befunde und Protokolle, ein Monitor zeigt MRT-Bilder. Der Kölner hört konzentriert und ruhig dem Oberarzt zu, weder zittern seine Hände noch Arme, hin und wieder dreht er das linke Handgelenk in alle Richtungen. Der 59-jährige macht einen zufriedenen Eindruck. Das war nicht immer so.
    "Mein Probleme begannen 2009, als mein kleiner Finger und Ringfinger nicht mehr so beweglich waren, die waren steif, und man hat keine Ursache dafür gefunden. Da hat man erst gedacht, das ist ein Bandscheibenvorfall in irgendeiner Form, war es aber nicht. Dann bin ich über zehn Stationen, zehn verschiedene Ärzte gekommen, bis einer sagte, dass ich Parkinson hätte."
    Schmerzende Glieder und Probleme beim Gehen
    Ein Schock! Wer rechnet schon bei Bewegungseinschränkungen der Finger mit Morbus Parkinson, das häufig mit einem Zittern der Hände in Verbindung gebracht wird?
    "Ich hatte eher die Schmerzen in den Gliedern, meine Schritte wurden immer kleiner."
    So dramatisch die Symptome des Kölners auch waren, er hatte Glück im Unglück. Nach eingehender Anamnese und Diagnostik schlugen die Ärzte im Zentrum für Neurologie und Psychiatrie der Uniklinik Köln als Therapie eine Tiefe Hirnstimulation vor.
    "Das Grundkonzept ist, dass wir bei vielen Erkrankungen der Neurologe, bei vielen Bewegungsstörungen, eine veränderte Hirnaktivität vorliegen haben. Es gibt dort krankhafte Oszillationen, wie wir das nennen, also Hirnbereiche, die anders agieren als unter physiologischen Zuständen."
    In einigen Hirnareale lassen sich krankhafte elektrische Aktivitäten messen, die letztlich zu den Parkinson-Symptomen führen, erklärt PD Dr. Michael Barbe. Führt man nun von außen Sonden in diese Bereiche des Gehirns und stimuliert sie mit elektrischem Strom, werden die "krankhaften Oszillationen" von hochfrequenten Strömen gelöscht bzw. überschrieben.
    "Der Patient ist wach während der Operation, es werden die Sonden langsam eingeführt, und erst wenn man an der richtigen Stelle ist, werden direkt in der Operation die Symptome auch untersucht am wachen Patient, und wenn man dann sehen kann, das die Symptome zurückgehen, also die Beschwerden, zum Beispiel ein Zittern aufhört oder die Steifigkeit nicht mehr da ist, dann wird die Elektrode dort gelassen."
    Für den 59-jährigen Kölner war die Operation ein Wechselbad der Gefühle – allerdings mit gutem Ausgang.
    "Es war zum einen eine Riesenangst vor dieser OP, ich konnte beispielsweise meine linke Hand nicht bewegen, nicht drehen, dann wurde in der OP der Strom eingeschaltet, dann konnte ich alles bewegen. Also das Ergebnis habe ich sofort gesehen."
    Strom unterdrückt die krankhaften Hirnaktivitäten
    In einem nächsten Schritt implantierten Neurochirurgen den Schrittmacher im oberen Brustbereich unmittelbar unter die Haut des Patienten. Der Strom wird kontinuierlich abgegeben. Frequenz, Stärke und Richtung der Ströme können von außen eingestellt werden. Das Verfahren funktioniert nicht bei allen Patienten gleich gut, mitunter unterdrückt die Tiefe Hirnstimulation aber fast alle Parkinson-Symptome. Leider muss auch hier mit Nebenwirkungen gerechnet werden, so Michael Barbe.
    "Während der Anlage der Sonden können Nebenwirkungen auftreten, wie zum Beispiel Hirnblutungen, dieses Risiko ist aber gering, insbesondere auch bei den jüngeren Patienten ist das sehr reduziert. Nach der Operationen können durch die Stromabgabe auch Nebenwirkungen auftreten. Die entstehen dadurch, dass der Strom sozusagen auch in andere Bereiche ausbreitet, das sind nur Millimeter, in denen das passiert, aber es können dann beispielsweise Sprechstörungen auftreten, die Sprache ist dann undeutlich, es können bei einigen Patienten aber auch Verhaltensänderungen auftreten, die wir dann durch eine Umstellung des Stromfeldes in den meisten Fällen wieder beheben können."
    Probleme, die der Patient im Besprechungszimmer von Michael Barbe glücklicherweise nicht hatte. Sein Leben hat sich weitgehend normalisiert.
    "Ohne großartige Einschränkung! Ich bin auch heute nur hier wegen einer Nachjustierung, aber sonst hat sich mein Leben verbessert, muss man sagen, fast in den Zustand, wie vor der Erkrankung."