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Mord an Journalistin
Trauer und Wut auf Malta

Nach dem Mord an der kritischen Journalistin Daphne Caruana Galizia suchen Maltas Ermittler mit internationaler Unterstützung nach den Tätern. Dabei verfolgen sie Spuren, die in die Welt des Drogenhandels, dubioser Finanzgeschäfte und internationaler krimineller Netzwerke führen.

Von Jörg Seisselberg | 23.10.2017
    Journalisten auf Malta demonstrieren vor dem Parlament. Sie gedenken ihrer ermordeten Kollegin Daphne Caruana Galizia.
    Tausende Menschen in Malta fordern eine schnellere Aufklärung des Falls und das Ende von Korruption in den Behörden (AFP)
    Es war die größte Demonstration seit vielen Jahren auf Malta: Tausende Menschen drängten sich durch die Altstadtgassen Vallettas um gegen Korruption und Günstlingswirtschaft zu protestieren.
    Großer Beifall brandete auf, als Demonstranten am Stadttor zwei Transparente mit den anklagenden Worten "Mafia State" (Mafia-Staat) entrollten. Eine Woche nach dem Tod der Journalistin Daphne Caruana Galizia ist Malta ein Land, das kopfschüttelnd in den Spiegel schaut. Die anfängliche Trauer und Fassungslosigkeit sind in Wut umgeschlagen. Daphne, die kritische Stimme Maltas, die sich mit vielen Mächtigen aus Politik und Wirtschaft angelegt hat, durch eine Autobombe getötet - nein, sagt ihr Journalisten-Kollege Jacob Borg, dass es auf Malta soweit kommen würde, habe er sich nicht vorstellen können. "Ich bin sicher, sie hat viele Drohungen bekommen. Aber so etwas hat auch sie, glaube ich, nicht geahnt. Sie hat immer weitergemacht, nichts konnte sie erschrecken."
    Empörung im Volk
    Über den Stand der Ermittlungen schweigt die Polizei bislang weitgehend. Der Anschlag auf Caruana Galizia ist bereits die sechste Autobombe-Attacke innerhalb von zwei Jahren auf Malta. Bei den bisherigen Fällen aber ging es nach den Vermutungen der Ermittler meist um Fehden im kriminellen Milieu. Der ehemalige Polizeichef von Malta, John Rizzo, weist darauf hin, dass die Täter diesmal hochprofessionell vorgegangen sind, die Explosion außergewöhnlich heftig war. Als Bombe, sagt der Anwalt Andrew Borg Cardona, ein Freund der Ermordeten, wurde dieselbe Art Plastiksprengstoff eingesetzt, die vor einigen Jahren auch bei den spektakulären Mafia-Attentaten auf Giovanni Falcone und Paolo Borsellino in Sizilien verwendet wurde: "Wissen Sie, Malta ist ein südeuropäisches Land, wir sind nur 200 Kilometer entfernt von den Orten, an denen Falcone und Borsellino auf dieselbe Weise umgebracht wurden. Aber hier schien so etwas unmöglich. Die Frage ist jetzt: Wem ist Daphne auf die Füße getreten? Es gibt viele Verdachtstheorien, die im Umlauf sind."
    Druck auf die Ermittler
    42 Spuren verfolgt die Polizei angeblich - und sie ist unter Druck. Die zunächst leitende Staatsanwältin Consuelo Scerri Herrara, über deren mondänen Lebensstil Caruana Galizia kritisch berichtet hatte, musste ihre Aufgabe bereits an einen anderen Staatsanwalt abgegeben. Der neue Chefermittler Anthony Vella hat unter anderem das FBI und Scotland Yard eingebunden - auch um dem Verdacht vorzubeugen, Ermittlungsergebnisse könnten unter den Teppich gekehrt werden. Die Regierung hat zusätzlich eine Million Euro Belohnung für Hinweise auf die Täter ausgesetzt. Viele in der Bevölkerung aber misstrauen den Verantwortlichen. Während der Demonstration gestern waren immer wieder auch Rufe nach einem Rücktritt des Polizeichefs Lawrence Cutajar zu hören.
    Die heißesten Spuren führen zur Mafia
    Caruana Galizias Kollege Jacob Borg hält noch für völlig offen, was im Laufe der Ermittlungen ans Tageslicht kommt. Auch weil die Ermordete Skandale in den unterschiedlichsten Bereichen aufgedeckt habe: "Es gibt so viele Leute, die Gegenstand der Recherchen von Daphne waren. Es ist unmöglich, jetzt nur auf eine Person oder ein Thema zu schauen, auf Politiker, auf die Mafia - die Liste ist endlos."
    Nach Angaben der Times of Malta gelten für die Ermittler derzeit Spuren, die in die Welt der Mafia und des Drogenhandels führen, als die heißesten. Die italienische Antimafia-Kommission trifft heute zu einem schon seit längerem geplanten Besuch in Valletta ein. Zuletzt waren bei Ermittlungen gegen die italienische Mafia immer wieder auch Verbindungen nach Malta aufgetaucht.